Flächenberechnung bei Mietobjekten: Die neuen gif-Richtlinien

01.05.2013

1. Neuauflage der gif-Richtlinien zum 01.05.2012

Die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. hat im Mai 2012 drei neue Richtlinien zur Flächenberechnung veröffentlicht. Die bereits bekannte gif-Richtlinie MF/G für gewerblichen Raum (bislang MF-G mit Stand November 2004) wurde überarbeitet. Neu herausgegeben wurden zwei neue Richtlinien, nämlich erstmals gif-Richtlinien für die Wohnflächenberechnung, die MF/W, sowie für Verkaufsflächenberechnung, die MF/V.

2. Hintergrund der Flächenangaben

Die Fläche einer Immobilie ist von ausschlaggebender wirtschaftlicher Bedeutung. Bei der Immobilienbewertung wird regelmäßig auf den Ertragswert abgestellt, wofür die Mietflächenbasis bekannt sein muss. Von entscheidender Bedeutung ist die Fläche ferner bei der Gestaltung von Mietverträgen. Es ist zwar möglich, einen Mietvertrag so zu gestalten, dass es auf die Quadratmeterangaben nicht ankommt. Hier muss die Vertragsgestaltung jedoch sorgsam erfolgen, damit im Streitfall nicht etwa von einer stillschweigenden Flächenvereinbarung ausgegangen wird, etwa aufgrund sonstiger Begleitumstände. Bspw. ging der Bundesgerichtshof (BGH, NZM 2010, 614), obgleich der Mietvertrag keinerlei Flächenangaben enthielt, von einer stillschweigenden Mietflächenvereinbarung aus, da der Makler in der Annonce eine ca.-Größe angegeben und dem Mieter eine Flächenberechnung übergeben hatte. Meist wird eine Flächenangabe im Mietvertrag enthalten sein. Spätestens bei der Umlage der Betriebskosten nach Flächenanteilen kommt es auf die Mietfläche an. Flächenabweichungen ziehen bei Wohn- und Gewerberaummiete schwerwiegende Konsequenzen nach sich, denn die Unterschreitung der vertraglich vereinbarten Fläche um mehr als 10 % stellt einen Mangel dar, ohne dass der Mieter darlegen müsste, dass die Tauglichkeit der Räume zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist (BGH, NZM 2004, 453; BGH NZM 2005, 500). Allerdings muss zunächst feststehen, wie die Mietfläche zu ermitteln ist.

3. Methoden der Flächenberechnung

a) Wohnraum

Lediglich für den Fall des preisgebundenen Wohnraums ist verbindlich vorgegeben, dass sich die Flächenberechnung nach der Wohnflächenverordnung (WoFlVO) richtet, bzw. für Fälle vor dem 01.01.2004 nach der II. Berechnungsverordnung (II. BV). Hinsichtlich sonstiger Wohnraummietverhältnisse ist, sofern im Vertrag keine Berechnungsmethode vorgegeben ist, auf die ortsübliche Berechnungsmethode abzustellen, auch Besonderheiten des Mietobjekts können eine Rolle spielen (BGH, WuM 1997, 625). In Betracht kommt neben der WoFlVO oder der II. BV auch die DIN 283, die bspw. im Stuttgarter und Münchener Raum als ortsübliche Berechnungsmethode gilt (BGH, WuM 1997, 625; LG München, WuM 2006, 91). Die Anwendung der im gewerblichen Bereich üblichen DIN 277 wird für die Wohnflächenberechnung hingegen eher kritisch gesehen.

b) Gewerberaum

Im gewerblichen Bereich wird häufig auf die DIN 277 abgestellt, zunehmend erfolgt allerdings eine Flächenberechnung nach gif. Die gif-Richtlinien sind keine Rechtsverordnungen, vielmehr ist die „Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V.“ („gif“) ein Zusammenschluss von Experten in Form eines privatrechtlichen Vereins. Auch bei Gewerbemietverträgen sollte daher jedenfalls bei Formularverträgen die entsprechende gif-Richtlinie als Anlage beigefügt werden. Die Richtlinien können gegen Entgelt bei der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. bezogen werden, der die Urheberrechte an der Richtlinie zustehen.

4. Neuerungen der gif-Richtlinien zum 01.05.2012

a) Wohnraum

Für die Wohnflächenberechnung liegt mit der MF/W erstmals eine gif-Richtlinie vor. Derzeit dürfte die MF/W weder dem durchschnittlichen Wohnraummieter bekannt, noch orts- oder marktüblich sein. Jedenfalls formularvertraglich könnte daher ein Abstellen auf die MF/W voraussichtlich als überraschende und damit unwirksame Regelung angesehen werden. Ausgangspunkt der MF/W ist die Brutto-Grundfläche nach DIN 277. Diese wird unterteilt in Mietfläche (MF/W) und „keine Mietfläche“ (MF/W-0). Die gif-Richtlinie enthält eine detaillierte Typisierung der verschiedenen Flächenarten, die im Aufmaß auszuweisen und mit dem entsprechenden Typisierungskürzel zu kennzeichnen sind. In der MF/W finden sich bereits bekannte Flächenbemessungsmethoden wieder. Bspw. sind gemäß der WoFlVO Flächen mit einer lichten Höhe unter 1 m außer Acht zu lassen, bei einer lichten Höhe zwischen 1 m und 2 m wird die Hälfte der Fläche angerechnet. Die MF/W vereinfacht diese Regelung, indem Flächen mit einer lichten Raumhöhe unter 1,5 m gesondert typisiert werden als MF/W-1d. Ob diese Flächen außer Acht bleiben, gibt die MF/W allerdings nicht vor. Wertet man tatsächlich derartige Flächen mit einer Höhe unter 1,5 m nicht, so dürften sich nur marginale Abweichungen zur WoFlVO ergeben. Während die bisherigen Berechnungsmethoden, bspw. gem. WoFlVO, auf Flächen innerhalb der Wohnung abstellen, enthält die MF/W besondere Regelungen, um auch den praktischen Bedürfnissen bei modernen Wohnformen wie Betreutes Wohnen, (Studenten-)Apartmenthäusern, etc. gerecht zu werden: Die MF/W erfasst als „exklusive Mietfläche“ nicht nur Flächen, die ausschließlich von einem Mieter genutzt werden, sondern sieht als MF/W-1.2 auch exklusive Mietflächen mit anteiligem Nutzungsrecht vor, bspw. Gemeinschaftsräume. Sofern derartige Flächen einer bestimmten Mietergruppe zuzuordnen sind, können diese Flächen anteilig zugerechnet und ausgewiesen werden. Welche Flächen tatsächlich, ggf. auch nur anteilig, der miet- und betriebskostenrelevanten Fläche der Wohnung zugerechnet werden, gibt die MF/W nicht vor. Die Anlage enthält jedoch sowohl ein Berechnungsbeispiel als auch eine Vergleichstabelle, die eine annäherungsweise Umrechnung der Mietfläche nach MF/W in Wohnfläche gemäß der WoFlVO ermöglicht.

b) Gewerberaum

Die neue Richtlinie zur Berechnung der Flächen für gewerblichen Raum (MF/G), aktualisiert und ersetzt die bisherige Richtlinie MF-G. Auch die MF/G geht von der Brutto-Grundfläche nach DIN 277 aus, unterteilt so-dann in Flächen, die nicht als Mietfläche gewertet werden, und in Mietfläche. Die Mietfläche wiederum ist untergliedert in exklusive und gemeinschaftliche Mietfläche. Dabei umfasst der Begriff der exklusiven Mietfläche auch hier Anteile an Flächen, die einer bestimmten Gruppe von Mietern gemeinsam zur Verfügung stehen (MF/G-1.2), bspw. die von drei Mietern genutzte Teeküche. Neu ist im Vergleich zur früheren Fassung insbesondere ein Abschnitt über Gebäude, die teilweise nicht nach der gif-Richtlinie MF/G vermietet sind. Die MF/G regelt, wie der auf die nicht nach der gif-Richtlinie vermieteten Mieteinheiten entfallende Anteil an den Gemeinschaftsflächen ermittelt werden kann und verweist bspw. für den Fall der gemischten Wohn-/Gewerbenutzung auf die neue gif-Richtlinie für Wohnraum MF/W.

c) Verkaufsflächen

Die neue Richtlinie MF/V definiert erstmals Verkaufsflächen. Gemäß den Vorbemerkungen zur Richtlinie dient dies vorrangig Zwecken der Genehmigung im Rahmen der bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Hintergrund ist, dass die Baunutzungsverordnung (BauNVO) die Genehmigungsfähigkeit für großflächigen Einzelhandel begrenzt. Großflächige Einzelhandelsbetriebe mit nachteiligen städtebaulichen Auswirkungen sind nur in Kerngebieten oder Sondergebieten zulässig. Großflächiger Einzelhandel liegt vor, wenn eine Verkaufsfläche von 800 m2 überschritten wird (BVerwG, NVwZ 2006, 452). Was unter der „Verkaufsfläche“ zu verstehen ist, definiert die BauNVO nicht, so dass der Begriff durch die Rechtsprechung konkretisiert wurde. Auszugehen ist von den Innenmaßen des Gebäudes und den Flächen, die zum Verkauf von Waren bestimmt sind. Zugerechnet warden bspw. auch überdachte Abstellflächen für Einkaufswagen (VGH München, VGHE BY 60, 59) oder Thekebereiche, der Kassenvorraum, ein Windfang (BVerwG a.a.O). Die MF/V geht ebenfalls von der Bruttogrundfläche aus und definiert zunächst negativ, welche Flächen keine Verkaufsflächen darstellen. Die übrigen Flächen, sowie Freiflächen, die nicht nur vorübergehend für Verkäufe und verkaufsbegleitende Maßnahmen genutzt werden, gelten als Verkaufsflächen. Dabei unterscheidet die MF/V fünf Typen der Verkaufsflächen danach, ob diese sich innerhalb oder außerhalb der Bruttogrundflächen befinden, ob sie überdeckt und allseitig in voller Höhe umschlossen sind. Verbindliche Vorgaben, wie die verschiedenen Flächentypen zu bewerten sind, ob die Flächen bspw. nur anteilig zu berechnen sind, enthält die MF/V nicht. Als Anhang zur Richtlinie ist jedoch eine Tabelle beigefügt, in der die Verkaufsflächentypen gewichtet warden und die als Regelbeispiel dienen können soll. Bspw. werden überdeckte und allseits voll umschlossene Verkaufsflächen innerhalb der Bruttogrundflächen zu 100 % gewichtet. Überdeckte, aber nicht allseits voll umschlossene Verkaufsflächen außerhalb der Bruttogrundflächen finden zu 50 % Berücksichtigung. Ob sich diese Berechnungsmethode im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Hilfreich dürfte die MF/V jedoch auch bei der Vermietung werden. Mieter von Einzelhandelsflächen legen regelmäßig Wert auf gesonderten Ausweis der Verkaufsflächen, da die Rentabilität i.d.R. nach Umsatz pro Quadratmeter-Verkaufsfläche dargestellt wird. Dabei kann vertraglich auf die Verkaufsfläche gemäß MF/V abgestellt werden. Die MF/V ermöglicht, die in einer Gewerbemietfläche nach MF/G enthaltene Verkaufsfläche zu ermitteln. Neben einer detaillierten fallspezifischen Berechnung wird alternativ eine pauschale Umrechnung aufgrund eines Einheitsfaktors vorgeschlagen: 1 m2 gewerbliche Fläche nach MF/G soll 0,80 m2 Verkaufsfläche nach MF/V entsprechen. Ferner findet sich als weitere Möglichkeit eine detaillierte branchentypische Umrechnung für 10 Branchentypen, die je nach Branchentyp abweichende Umrechnungsfaktoren vorsieht.

5. Einbeziehung der neuen gif-Richtlinien

Bei der Neuvermietung von Gewerbeobjekten kann – bei entsprechend aktuellem Aufmaß – vertraglich auf die aktuellen gif-Richtlinien abgestellt werden. Kritischer ist dies bei der Neuvermietung von Wohnraum, da eine formularvertragliche Regelung, die auf die MF/W abstellt, für den durchschnittlichen Wohnraummieter überraschend, nicht nachvollziehbar und dementsprechend unwirksam sein dürfte. Ist eine Neuvermietung von Wohnflächen gemäß MF/W geplant, empfiehlt es sich daher, rechtzeitig einen rechtlichen Berater hinzuzuziehen. Im Fall der Neuvermietung einzelner Flächen in einem Multi-Tenant-Objekt sollte man Kosten und Nutzen einer Umstellung auf die neuen gif-Richtlinien abwägen. Bspw. setzt die flächenanteilige Umlage von Betriebskosten im Rahmen der Betriebskostenabrechung voraus, dass die Flächen einheitlich ermittelt wurden. Wurden einzelne Flächen nicht nach gif, sondern aufgrund anderer Berechnungsmethoden ermittelt, führt dies zu nicht unerheblichem Aufwand bei der Umrechnung. Dennoch kann eine Umstellung sinnvoll sein, um sukzessive weiter auf die aktuellen gif-Richtlinien umzustellen. Nicht ohne weiteres möglich ist eine Umstellung auf die neuen gif-Richtlinien bei bestehenden Mietverträgen. Eine vertraglich vereinbarte andere Berechnungsmethode bleibt verbindlich, ohne Einverständnis des Mieters kann nicht auf die neuen gif-Richtlinien umgestellt werden. Regelmäßig wird der Mieter darauf bestehen, bei einer nachträglichen Umstellung keine finanziellen Nachteile hinnehmen zu müssen und lediglich die bisher angenommene Fläche als Grundlage für die Berechnung der Miete und der Betriebskosten akzeptieren. Auch wenn keine vertragliche Berechnungsmethode vereinbart ist, dürfte es ausgeschlossen sein, bei bestehenden Wohnraummietverträgen die MF/W zugrunde zu legen, da es sich dabei um eine gänzlich neue, (noch) nicht markt- oder ortsübliche Berechnungsmöglichkeit handelt. Bessere Aussichten bestehen im Bereich der Gewerberaummiete. Wenn ein Gewerbemieter bei Vertragsschluss die Art der Berechnung nicht hinterfragt und vereinbart, soll er sich damit abfinden müssen, dass der Vermieter eine zulässige und mögliche Berechnungsmethode wählt (KG, GuT 2006, 133; KG, GE 2002, 257; LG Hildesheim, GuT 2010, 194). Dazu könnte die im gewerblichen Bereich mittlerweile weit verbreitete gif-Richtlinie zählen, wobei fraglich ist, ob nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültige Fassung in Frage kommt. Da dieser Aspekt nicht abschließend rechtlich geklärt ist, empfiehlt es sich, vor der Auslösung von Kosten für die Erstellung entsprechender Aufmaße qualifizierten Rechtsrat einzuholen.

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