[Köln, ] Geht das Eigentum an einem Grundstück auf eine andere Person über – oft geschieht dies in Erfüllung eines Kaufvertrages –, gehen per Gesetz auch die für das Grundstück bestehenden Mietverhältnisse auf diese Person als neuen Vermieter über. Untechnisch wird dies auch als "Kauf bricht nicht Miete" bezeichnet. Der rechtmäßige Mieter kann darauf vertrauen, dass sein Mietvertrag durch den Verkauf nicht angetastet wird und stattdessen auf den neuen Eigentümer als Vermieter übergeht. Aus der Natur der Miete als sogenanntes Dauerschuldverhältnis, bei dem die gegenseitigen Vertragsleistungen in einem auf eine gewisse Dauer angelegten Zeitraum immer wieder ausgetauscht werden, folgt im Veräußerungsfall aber eine gewisse Zäsur. Dem bisherigen Eigentümer stehen die den Zeitraum bis zum Übergang des Mietverhältnisses betreffenden bzw. fällig werdenden (Miet-)Ansprüche gegen den Mieter zu, denn bis dahin war auch der bisherige Eigentümer verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Ansprüche, die erst den Zeitraum ab dem Übergang betreffen bzw. die dann fällig werden, stehen dagegen konsequenter Weise dem neuen Eigentümer zu. In Kaufverträgen ziehen die Parteien den Zeitpunkt des – wirtschaftlichen – Übergangs der Mietverhältnisse allerdings zumeist auf den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung vor, so dass die dann fällig werdenden Mieten bereits dem Erwerber zustehen. Einzige Ausnahme von diesem Fälligkeitsprinzip war bisher die Pflicht zur Abrechnung über die Betriebs- und Nebenkosten sowie zur Auskehrung eines entsprechenden Guthabens. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (u.a. Beschluss v. 29.09.2004 - XII ZR 148/02) hat regelmäßig der bisherige Vermieter für vor dem Eigentumsübergang abgelaufene Abrechnungsperioden abzurechnen und ein etwaiges Guthaben auszukehren, auch wenn der Anspruch des Mieters auf Abrechnung und auf Auskehrung eines etwaigen Guthabens erst nach dem Eigentumsübergang fällig werden sollte. Eine weitere Ausnahme von dem Fälligkeitsprinzip hat der Bundesgerichtshof nunmehr für den Fall einer vom Mieter nicht gestellten Kaution statuiert. Auch wenn der Anspruch auf Leistung (oder erneute Leistung) der Kaution bereits vor dem Übergang des Miet-verhältnisses fällig war, geht er regelmäßig auf den Er-werber als neuen Vermieter über.
Leitsatz
Der Erwerber eines gewerblich vermieteten Hausgrundstücks tritt gemäß §§ 566 Abs. 1, 578 BGB in den vor dem Übergang des Eigentums gegenüber dem Veräußerer entstandenen und fälligen Anspruch auf Leistung der Mietkaution ein (BGH v. 25. Juli 2012/NJW 2012, 3032 ff.).
Sachverhalt
Die Kläger hatten an den Beklagten Gewerberäume zur Nutzung als Rechtsanwaltspraxis vermietet. Er sollte in diesem Zusammenhang eine Mietsicherheit in der Weise erbringen, dass er bei einem von ihm zu bestimmenden Bankinstitut ein Gemeinschaftskonto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung einrichtet und dieses mit verzinslichen Wertpapieren mit einem Zeitwert von 16.000,00 DM belegt. Bei Fälligkeit der Wertpapiere sollte die Neuanlage von ihm und den Klägern gemeinsam verfügt werden. Der Beklagte verpfändete als Sicherheit zunächst Bundesschatzbriefe. 2006 bat er die Kläger um Pfandfreigabe, weil die Bundesschatzbriefe im Januar 2007 fällig wurden, und sagte zu, in Kürze eine neue Sicherheit beizubringen. Die Kläger erklärten daraufhin die Pfandfreigabe. Sie forderten den Beklagten in der Folgezeit wiederholt erfolglos zur Leistung der Kaution auf. Im September 2007 verkauften die Kläger das Grundstück. Im Kaufvertrag vereinbarten die Kläger und die Erwerberin in Bezug auf die Kautionen der Mieter unter anderem, dass die Kläger und die Erwerberin für am Tage des Besitzüberganges nicht geleistete Kautionen ein Sperrkonto anlegen würden, auf das die Kläger als Verkäufer den dann offenen Kautionsbetrag einzahlen würden. Die Erwerberin sollte nach dem Besitzübergang bei den Mietern die ausstehenden Mietsicherheiten geltend machen und, soweit möglich, einziehen. Soweit der Erwerberin dies gelänge, sollte der entsprechende Betrag von dem Sperrkonto zugunsten der Verkäufer ausgekehrt werden. Die verbleibenden Beträge sollten hingegen als Sicherheit zur vertragsgemäßen Erfüllung der Verpflichtungen der Mieter dienen, als ob sie vom jeweiligen Mieter selbst eingezahlt worden wären. Nach fünf Jahren sollten die dann noch auf dem Sperrkonto liegenden Beträge an die Verkäufer ausgekehrt werden.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat den von den Verkäufern verklagten Mieter verurteilt, auf ein von ihm einzurichtendes Mieter/Vermieter-Gemeinschaftskonto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung der Erwerberin eine Kaution mit einem Zeitwert von 8.180,67 EUR zu erbringen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Kläger – als ehemalige Eigentümer und Verkäufer – den Beklagten wirksam auf Leistung der Kaution auf ein Gemeinschaftskonto in Anspruch nehmen konnten. Obwohl sie selbst nicht mehr Vermieter des Beklagten waren, hätten sie ein rechtliches Interesse daran, dass dieser seine Verpflichtung zur Einzahlung der vertraglich geschuldeten Kaution erfüllt. Sie seien insoweit aus dem Grundstückskaufvertrag vorleistungspflichtig gegenüber der Erwerberin gewesen. Da die Kläger auch nicht die Zahlung an sich, sondern auf ein gemeinsames Konto mit der Erwerberin gefordert hätten, werde dadurch auch jedenfalls nicht gegen die treuhänderische Bindung des Kautionsanspruches verstoßen. Der von den Klägern im Namen der Erwerberin gegen den Beklagten geltend gemachte Kautionsanspruch sei gemäß § 566a BGB i.V.m. § 566 BGB auch begründet, denn der Anspruch des Vermieters auf Leistung der Sicherheit gehe als Teil der Vermieterrechte zumindest in entsprechender Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB auf den Erwerber über. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Veräußerer keine fälligen Ansprüche mehr gegen den Mieter habe, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen könnte.
Anmerkung
So selbstverständlich, wie die Entscheidung des Bundesgerichtshofes auf den ersten Blick scheinen mag, ist sie nicht. Der Erwerber eines Grundstücks tritt zwar gemäß § 566 Abs. 1 BGB in die bestehenden Mietverhältnisse ein ("Kauf bricht nicht Miete"). Das Mietverhältnis geht allerdings nach überwiegender Auffassung nicht einfach über, sondern rechtstechnisch soll mit dem Eigentumsübergang zwischen dem Mieter und dem Erwerber ein neues Mietverhältnis zu den Konditionen des vorherigen Mietverhältnisses zustande kommen. Dadurch tritt auch eine gewisse Zäsur ein, denn Ansprüche, die vor dem Übergang entstanden sind und fällig waren, verbleiben bei dem Veräußerer, ebenso wie Ansprüche ab dem Übergang dem Erwerber zustehen. Durch diese Zäsur werden jedoch grundsätzlich nur solche Ansprüche von einander abgegrenzt, die entweder während der Zeit, in der der Veräußerer Vermieter war oder in der der Erwerber Vermieter ist, jeweils entstanden und fällig geworden sind. Dementsprechend sind solche Ansprüche – von der bereits beschriebenen Ausnahme in Bezug auf Nebenkostenabrechnungen abgesehen – nur einem von beiden zuzuordnen, was in dem Dauerschuldverhältnis „Miete“ konsequent ist. Der bereits vor dem Eigentumsübergang entstandene und fällige Anspruch gegen einen Mieter auf Leistung der Kaution stellt hier nach der jetzigen Entscheidung des Bundesgerichtshofes eine weitere Ausnahme dar. Zweck dieses Anspruchs ist die Sicherung aller Ansprüche des Vermieters während der gesamten Dauer des Mietvertrages. Dazu gehören dann auch die Ansprüche des Erwerbers aus dem mit gleichem Inhalt mit ihm entstandenen Mietvertrag. Der Bundesgerichtshof hat dabei allerdings nicht die umstrittene Frage entschieden, ob dies auch dann gilt, wenn dem Veräußerer noch Ansprüche gegen den Mieter zustehen, oder ob der Anspruch auf Leistung der Kaution in der jeweils bestehenden Höhe ohne weiteres auf den Erwerber übergeht.
Bewertung und Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesgerichthofes ist konsequent, denn der Anspruch auf Leistung der Kaution dient zuvorderst einer abstrakten Sicherung der Ansprüche des – jeweiligen – Vermieters aus dem gesamten Dauerschuldverhältnis und nicht nur der Befriedigung eines einzelnen konkreten Vermieters. Die Position von Erwerbern eines vermieteten Grundbesitzes wird so gestärkt. Insbesondere wenn – anders als in dem der konkreten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt – der Verkäufer nicht kooperiert und die nicht geleistete Kaution nicht noch für den Erwerber einzieht, steht dem Erwerber dadurch selbst die grundsätzlich erfolgversprechende Inanspruchnahme des Mieters offen.