[Köln, ] Oft wurde die Aufmachung von Lebensmitteln als irreführend beanstandet, wenn Abbildungen (etwa von Früchten, Beilagen etc.) oder sonstige Angaben auf der Verpackung fälschlich den Eindruck vermittelten, dass bestimmte Zutaten im Produkt enthalten seien, obwohl das tatsächlich nicht der Fall sei. Soweit in diesen Fällen dem Zutatenverzeichnis die tatsächliche Zusammensetzung des Lebensmittels korrekt zu entnehmen war, wurde oftmals argumentiert, der Verbraucher könne sich doch anhand des Zutatenverzeichnisses ohne weiteres darüber informieren, was tatsächlich im Produkt enthalten sei. Die bisherige deutsche Rechtsprechung hierzu war uneinheitlich.
Mit der neuesten Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Sachen "Himbeer-Vanille-Abenteuer" (BGH 02.12.2015, Az: I ZR 45/13 - Himbeer-Vanille-Abenteuer) ist nun endgültig geklärt, dass allein ein korrektes Zutatenverzeichnis nicht per se die Gefahr einer Irreführung über das Vorhandensein von Zutaten ausräumt, wenn die Verpackung im Übrigen den Eindruck vermittelt, dass eine bestimmte Zutat enthalten ist.
Damit stellt sich die Relevanz des Zutatenverzeichnisses für die Beurteilung der Zulässigkeit der Produktaufmachung nun auch auf höchstrichterlicher Ebene als erheblich reduziert dar. Bildliche Darstellungen und Auslobungen von Geschmacksrichtungen, Lebensmittelbezeichnungen etc. auf Verpackungen müssen nach dieser Entscheidung umso kritischer dahingehend hinterfragt werden, ob der Verbraucher hier aufgrund der Gesamtaufmachung annehmen könnte, dass in dem Produkt bestimmte Zutaten enthalten sind, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Die Gerichte dürften zukünftig die Frage der Irreführung durch die Gesamtaufmachung der Verpackung strenger bewerten. Die Entscheidung des BGH bzw. des EuGH betrifft zwar noch die zwischenzeitlich außer Kraft getretene Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG, bleibt aber auch unter der seit Ende 2014 gültigen Lebensmittelinformationsverordnung 1169/2011 gültig.
Sachverhalt und Instanzenzug im Einzelnen
Teekanne vertrieb unter der Bezeichnung "Felix Himbeer-Vanille-Abenteuer" einen Früchtetee. Auf der Verpackung befanden sich Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Hinweise "nur natürliche Zutaten" und "Früchtetee mit natürlichen Aromen". Tatsächlich enthielt der Tee weder Himbeeren noch Vanilleblüten noch darauf basierende Aromen. Im Zutatenverzeichnis war "natürliches Aroma mit Vanillegeschmack" bzw. "natürliches Aroma mit Himbeergeschmack" angegeben, wobei diese Zutaten auch tatsächlich im Produkt enthalten waren.
Das Landgericht gab der Klage des Verbraucherverbandes auf Unterlassung wegen Irreführung statt. Das Berufungsgericht hingegen verneinte eine Irreführung unter Hinweis darauf, dass der aufmerksame Verbraucher aufgrund der Angaben im Zutatenverzeichnis erkennen könne, dass in dem Früchtetee tatsächlich keine Bestandteile von Vanille und Himbeeren enthalten seien. Zur Begründung verwies das Berufungsgericht auf die sogenannte "Sauce Hollandaise"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26.10.1995 (Az: C-51/94). Dort hatte der EuGH die Relevanz des Zutatenverzeichnisses betont und ausgeführt, dass der aufmerksame Verbraucher sich zunächst aufgrund des Zutatenverzeichnisses über die tatsächliche Zusammensetzung des Produkts informieren würde. Der nicht aufmerksame Verbraucher wiederum, der sich keine speziellen Gedanken über die Zusammensetzung mache, werde auch nicht getäuscht. Die Gefahr einer Irreführung sei mithin als sehr gering einzustufen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) legte daraufhin dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung den Eindruck des Vorhandenseins einer bestimmten Zutat erwecken dürfen, obwohl die Zutat tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten ergibt. Der EuGH verneinte die Vorlagefrage. Selbst wenn das Zutatenverzeichnis die Zusammensetzung des Produkts korrekt wiedergebe, könne trotzdem eine Irreführung vorliegen, wenn die Etikettierung im Übrigen den Gesamteindruck vermittelt, dass eine bestimmte Zutat vorhanden sei. Die Etikettierung umfasse alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf dessen Verpackung angebracht sind. Wenn die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, insgesamt den Eindruck entstehen lasse, dass das Lebensmittel eine Zutat enthalte, die tatsächlich nicht vorhanden ist, sei eine Etikettierung geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen.
Daraufhin hob der BGH die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und stellte das Urteil des Landgerichts wieder her.
Nach Auffassung des BGH wird dem Verbraucher durch die hervorgehobenen Angaben "Himbeer-Vanille-Abenteuer" und die Abbildungen von Vanilleblüten und Himbeeren suggeriert, dass in dem Tee Bestandteile oder Aromen von Vanille und Himbeeren enthalten seien. Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, läsen zwar das Zutatenverzeichnis. Die korrekte Deklaration dort könne jedoch für sich allein nicht ausschließen, dass die Etikettierung des Produkts und die Art und Weise, in der sie erfolgt, den Verbraucher irreführen. Aufgrund der blickfangmäßig herausgestellten Angaben auf der Verpackung, die auf das Vorhandensein von Vanille- und Himbeerbestandteilen im Tee hinwiesen, werde ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Vorhandensein von Zutaten oder Aromen irregeführt werden.
Vorinstanzen
LG Düsseldorf, Urt. v. 16.03.2012 - 38 O 74/11
OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2013 - 20 U 59/12
BGH, Beschl. v. 26.02.2014 - I ZR 45/13 - GRUR 2014, 588 "Himbeer-Vanille Abenteuer I"
EuGH, Urt. v. 04.06.2015 - C 195/14