I. Zusammenfassung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit dem heute veröffentlichten Urteil v. 04.11.2015, VIII ZR 244/14 den Anlagenbegriff des EEG neu definiert: Nicht jedes Modul ist eine Anlage, sondern die am Standort betriebsbereit installierte Freiflächenanlage ist die Anlage i.S.d. EEG 2009. Die Auswirkungen des Urteils sind weitreichend, sie betreffen eine Vielzahl von Regelungen des EEG und sind nicht nur auf PV-Anlagen beschränkt. Anlage i.S.d. streitentscheidenden § 3 Nr. 1 Satz 1 EEG 2009 ist jede Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien. Von dem Anlagenbegriff hängt ab, zu welchem Zeitpunkt eine Anlage in Betrieb genommen wurde. Der Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage entscheidet über die Höhe der Förderung. Inbetriebnahme i.S.v. § 3 Nr. 5 EEG 2009 ist die erstmalige Inbetriebsetzung der Anlage nach Herstellung ihrer technischen Betriebsbereitschaft, unabhängig davon, mit welchen Energieträgern der Generator in Betrieb gesetzt wurde. Die Vergütungssätze des EEG sind degressiv angelegt sind, verringern sich also immer zum 1. Januar eines Jahres (vgl. §§ 27 ff. EEG 2014). Zudem verringern sich die Vergütungssätze mit jeder Novellierung des EEG. Die „älteren“ Vergütungssätze sind daher stets lukrativer als die aktuellen. Der BGH hat nun entschieden, dass es für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme einer vergütungspflichtigen Anlage nicht auf das einzelne Modul ankommt, sondern auf die Gesamtheit aller funktional zusammengehörenden sowie technisch und baulich notwendigen Einrichtungen.
II. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Anlagenbetreiber streitet mit dem Netzbetreiber über die Höhe der Vergütung für eine PV-Freiflächenanlage, die aus etwa 20.000 Modulen besteht. Zentrale Frage war der maßgebliche Zeitpunkt der Inbetriebnahme der (gesamten) Anlage i.S.v. § 3 Nr. 5 EEG 2009. Der Anlagenbetreiber ist der Ansicht die Inbetriebnahme hätte vor dem 31.12.2011 gelegen, der Netzbetreiber meint die Inbetriebnahme wäre nach diesem für die Höhe der Vergütung entscheidenden Stichtag erst im Jahr 2012 erfolgt. Der Anlagenbetreiber hatte im Dezember 2011 den sogenannten Glühlampentest durchgeführt. Dabei wurden die Stecker der Anschlusskabel des jeweiligen Moduls mit einer Glühlampe verbunden und diese durch das auf die Module einfallende Sonnenlicht zum Leuchten gebracht. Im Anschluss wurden die Module wieder verpackt. Im Zeitraum zwischen April bis Juni 2012 errichtete das Unternehmen die Module auf einem anderen Grundstück. Die Stromeinspeisung erfolgte ab dem Juni 2012. Der BGH musste entscheiden, ob die Vergütungssätze des Jahres 2011 oder die des Jahres 2012 vom Netzbetreiber zu entrichten waren. Der BGH lehnte den höheren Vergütungsanspruch aus dem Jahr 2011 ab und bestätigte damit die Vorinstanz. Er folgte gleichwohl aber nicht der Argumentation des Oberlandesgerichts. Vielmehr erklärt der BGH, dass die bisherige Auffassung in der Rechtsliteratur, der Rechtsprechung sowie der Clearing-Stelle fehlerhaft sei. Denn eine Anlage i.S.v. § 3 Nr. 5 EEG 2009 sei die Gesamtheit aller funktional zusammengehörenden technisch und baulich notwendigen Einrichtungen. Maßgeblich sei, nach welchem Gesamtkonzept die einzelnen Einrichtungen funktional zusammenwirken und eine Gesamtheit bilden sollen. Der Gesetzgeber habe mit dem EEG 2009 bewusst einen weiten Anlagenbegriff in Abgrenzung zu dem engen Anlagenbegriff in § 3 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 gewählt. Gemäß § 3 Nr. 1 Satz 1 EEG 2009 sei eine Anlage die Gesamtheit der der Stromerzeugung dienenden Einrichtungen; dazu gehören neben der stromerzeugenden Einrichtung auch sämtliche technische und bauliche Einrichtungen. Teile der baulichen und technischen Einrichtungen wiederum seien auch die Befestigungs- und Montageeinrichtungen, auf denen die Module angebracht sind. Es spiele keine Rolle, dass etwa die Montageeinrichtungen für die Stromerzeugung nicht notwendig seien, gleichwohl aber von erheblicher Bedeutung und mehr als eine bloße Infrastruktureinrichtung. Auf den Glühlampentest, der rund ein halbes Jahr vor Errichtung der PV-Freiflächenanlage an Einzelmodulen durchgeführt wurde, kam es für den BGH im Hinblick auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme nicht an.
III. Einordnung und Kontext
Nachdem das LG Nürnberg-Fürth als erste Instanz der Klage des Anlagenbetreibers auf Zahlung der erhöhten Vergütung entsprochen hatte (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 14.01.2014, 4 O 1706/13), hob das OLG Nürnberg die Entscheidung auf (OLG Nürnberg, Urt. v. 19.08.2014, 1 O 414/14. Das OLG Nürnberg hatte dem Glühlampentest in der spezifischen Konstellation die zeitliche Relevanz für die Bestimmung des Vergütungssatzes auf vor dem 31.12.2011 abgesprochen. Anders als in Sachverhalten, die dem Hinweis der Clearingstelle EEG vom 25.06.2010, 2010/1 und dem vom OLG Naumburg, Urt. v. 24.07.2014, 2 U 96/13 entschiedenen Fällen zugrunde lagen, mussten die Module zu ihrem späteren Standort erst noch verbracht und aufgestellt werden. Ein Anspruch auf Vergütung setze voraus, dass die Anlagen an das Netz angeschlossen seien. Solange eine Anlage nicht in der Lage sei, Strom zu erzeugen und in das Netz einzuspeisen, sei der Anlagebetreiber nicht schutzwürdig.
IV. Auswirkungen auf die Praxis
Der Anlagenbegriff ist seit jeher umstritten (vgl. Clearingstelle EEG, Empfehlung v. 1.7.2010, 2009/12, Rn. 77 ff), der BGH hat nun eine weitere zentrale Entscheidung getroffen und seine Rechtsprechung zum weiten Anlagenbegriff fortgesetzt (BGH, Urt. v. 23.10.2013; VIII ZR 262/12; BGH, Urt. v. 21.05.2008, VIII ZR 308/07). Dieses neue Verständnis des Anlagenbegriff wird die weitere Entwicklung im EEG 2014 und in dem EEG 2016 prägen. § 3 Nr. 1 Satz 1 EEG 2009 entspricht der Anlagendefinition in § 5 Nr. 1 EEG 2014. Die Legaldefinition der Inbetriebnahme in § 3 Nr. 5 EEG 2009 entspricht der Legaldefinition in § 5 Nr. 21 EEG 2014. Die Entscheidung ist aber nicht nur auf die in der Entscheidung behandelten Regelungen beschränkt, sie wird sich auch auf korrespondierende inhaltlichen Regelungen auswirken, etwa auf die Höchstbemessungsleistung der Anlage § 100 EEG 2014 oder ggf. auch auf die Anlagenfiktion in § 32 EEG 2014. Der Anlagenbegriff gilt naturgemäß nicht nur für PV-Freiflächenanlagen, sondern auch für Biogasanlagen, Wasserkraftwerke und Windenergieanlagen. Die Legaldefinition des Anlagenbegriffs im EEG betrifft ausschließlich EE-Anlagen. Obwohl das EEG über die Regelungen zur Eigenversorgung in § 61 EEG 2014 auch zentrale Regelungen über die Wirtschaftlichkeit von konventionellen Anlagen trifft, nämlich darüber, ob bzw. in welchem Umfang der von diesen Anlangen erzeugte Strom der EEG-Umlage unterfällt, ist der Begriff der (konventionellen) Stromerzeugungsanlage nicht im EEG definiert. Auch die Rechtsprechung hat sich bisher nicht zu diesem Thema geäußert. Als nächster Schritt bleibt die finale Version des Leitfadens zur Eigenversorgung der Bundesnetzagentur abzuwarten.