Die neue HOAI (2021) trat am 1. Januar 2021 in Kraft „Preisorientierung“ statt zwingendem Preisrecht

02.03.2021

ArchitektenDie Reform der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist abgeschlossen. Dem Vertragsverletzungsurteil des EuGH vom 4. Juli 2019 folgend, ist die neue HOAI am 1. Januar 2021 in Kraft getreten und für alle Verträge ab diesem Zeitpunkt anwendbar. Das bisher bekannte „gesetzlich zwingende Mindestpreisrecht“ ist Rechtsgeschichte. Die Vertragsfreiheit hält Einzug, die Honorarangaben helfen nur noch bei der Verhandlung als Orientierung. 

Die Entwicklung

Hintergrund der Reform ist das Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 (Az. C-377/17), in dem dieser entschieden hatte, dass die verbindlichen Mindest- und Höchsthonorarsätze der HOAI gegen europäisches Recht (konkret gegen Art. 15 EU-Dienstleistungsrichtlinie) verstoßen. In der Regel sollen die Vorgaben durch den EuGH innerhalb eines Jahres oder höchstenfalls eineinhalb Jahren in das nationale Recht umgesetzt werden.

Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer HOAI durch das Bundeskabinett ist das Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG). Dieses Gesetz schrieb bislang unter anderem vor, dass Mindest- und Höchstsätze für Honorare festzusetzen sind, die für die von der Honorarordnung erfassten Leistungen galten. Auf Grundlage dieser Vorgaben enthielt die bisherige HOAI (2013) verbindliche Mindest- und Höchstsätze.

Das ArchLG ist nun, infolge der EuGH-Rechtsprechung, angepasst worden und bedurfte dabei der Zustimmung durch den Bundesrat. Änderungen sind auch in anderen Bundesgesetzen wie dem BGB vorgesehen. Hierbei wird jedoch lediglich der bindende Verweis in § 650q Abs. 2 BGB auf die Entgeltberechnungsregeln der HOAI gestrichen.

Die wesentlichen Neuerungen

Um den Vorgaben durch den EuGH gerecht zu werden, wurden einige entscheidende Änderungen im ArchLG vorgenommen. auf Grundlage derer das Bundeskabinett folgende Änderungen in der HOAI vorgesehen hat:

  • Honorare für alle von der HOAI erfassten Leistungen sind künftig frei vereinbar.
  • Allerdings: Wird kein Honorar vereinbart, gelten die „Basishonorarsätze“ (bisher: „Mindestsatz“) für die Grundleistungen. 
  • „Kann zugrunde gelegt werden“ anstelle von „regelt die Berechnung“.
  • „Honorartafeln“ nur noch als „Honorarspannen zur Orientierung“.
  • Leistungen der Anlage 1 der HOAI sind künftig den sonstigen Grundleistungen der HOAI gleichgestellt.
  • „Textform“ anstatt „schriftliche Vereinbarung bei Auftragserteilung innerhalb eines festgesetzten Rahmens“.
  • Die Grundlagen und Maßstäbe zur Berechnung von Honoraren müssen sich im Rahmen des „Angemessenen“ bewegen.
  • Änderungen gelten erst für Verträge, die ab dem 1. Januar 2021 abgeschlossen werden.

Honorare für alle von der HOAI erfassten Leistungen sind künftig frei vereinbar

So lautet die alternativlose Lösung des Bundeskabinetts für das durch das EuGH-Urteil aufgeworfene Problem.

Die HOAI erfährt durch ihre Neufassung einige wesentliche Änderungen. Hinter all diesen Änderungen steht die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Recht der Europäischen Union und den völkerrechtlichen Verträgen. 

„Kann zugrunde gelegt werden“ anstelle von „regelt die Berechnung“

Die neue Formulierung in § 1 HOAI (2021) macht den neuen Charakter der Verordnung deutlich. Die HOAI enthält kein verbindliches Preisrecht mehr und dementsprechend keine verbindlichen Regelungen für die Berechnung der Entgelte für bestimmte Leistungen.

Auch die Zielrichtung wird dadurch klargestellt. Wenn allerdings keine verbindlichen preisrechtlichen Vorgaben mehr enthalten sind, sieht die HOAI auch weiterhin Maßstäbe und Grundlagen für die Berechnung von Honoraren für die von der HOAI erfassten Leistungen vor. 

Die Kalkulationsregelungen der HOAI müssen aber nicht genutzt werden. Das Honorar kann immer auch auf andere Art, zum Beispiel durch eine Stundensatzvereinbarung oder über eine Pauschale, ermittelt werden. Daher ist auch die Beschränkung auf inländische Auftragnehmer entfallen.

„Honorartafeln“ nur noch als „Honorarspannen zur Orientierung“

Zur Erläuterung des künftigen Zwecks der Honorartafeln dient der neu eingefügte § 2a HOAI (2021).

Dieser schreibt den Honorartafeln ausdrücklich den Charakter als Orientierungswerte zu, beschreibt deren Aufbau und definiert den neuen Begriff „Basishonorarsatz“.

Die Honorartafeln enthalten Honorarspannen vom Basishonorarsatz (der jeweils untere in den Honorartafeln enthaltene Honorarsatz) bis zum oberen Honorarsatz. Sie sollen künftig bei der Ermittlung des angemessenen Honorars eine Hilfestellung bieten und somit auch dem Verbraucherschutz durch Preisorientierung zuträglich sein. Ansonsten bleiben Aufbau und Inhalt der Honorartafeln im Wesentlichen gleich. 

Diese im neuen § 2a HOAI aufgegriffene Änderung des Zwecks der Honorartafeln wird in § 6 Abs. 1, 2 HOAI hervorgehoben und setzt sich zudem im weiteren Verordnungstext in den jeweiligen Vorschriften zum „Honorar für Grundleistungen“ und in der Anlage 1 fort, vgl. §§ 20 f., 28 ff., 35, 40, 44 etc.

Leistungen der Anlage 1 der HOAI sind künftig den sonstigen Grundleistungen der HOAI gleichgestellt

Die bisherige Sonderstellung der Leistungen der Anlage 1 wird im angepassten § 3 HOAI entfernt. Bisher hatten die Leistungen der Anlage 1 die Sonderstellung, dass sie nicht dem verbindlichen Preisrecht unterlagen. Durch den Entfall der Verbindlichkeit sind die Leistungen der Anlage 1 den übrigen Grundleistungen nun gleichgestellt.

„Textform“ anstatt „schriftliche Vereinbarung bei Auftragserteilung innerhalb eines festgesetzten Rahmens“

Das wesentliche Element der Änderung schlägt sich vor allem in der Neufassung des § 7 HOAI zur Honorarvereinbarung nieder.

Die Möglichkeit, eine wirksame Honorarvereinbarung zu treffen, wird insofern erleichtert, als dass künftig eine Vereinbarung in Textform gemäß § 126b BGB (das heißt, eine Vereinbarung per E-Mail kann schon ausreichend sein) genügt. Die Honorarvereinbarung muss damit nicht mehr, wie bisher, schriftlich (das heißt durch handschriftliche Namensunterschrift) und zum Zeitpunkt der Auftragserteilung geschlossen werden, um wirksam zu sein.

Diese Anpassung soll auch im Sinne der Rechtssicherheit eine praxisnahe und einfach umzusetzende Möglichkeit zum Abschluss wirksamer Honorarvereinbarungen eröffnen. Da es künftig nicht mehr auf einen bestimmten Zeitpunkt ankommt, können Honorarvereinbarungen auch erst im späteren Verlauf einer Vertragsbeziehung geschlossen oder später bei Bedarf angepasst werden, wenn schon eine wirksame Honorarvereinbarung besteht.

Für den Fall, dass keine wirksame Vereinbarung über die Höhe des Honorars getroffen wurde, gilt der im neuen § 2a HOAI legaldefinierte Basishonorarsatz als vereinbart. Aufgrund der Gleichstellung der Leistungen der Anlage 1 der HOAI mit den übrigen Grundleistungen, kommt diese gesetzliche Fiktion auch bei Vertragsverhältnissen zur Anwendung, die Leistungen der Anlage 1 der HOAI zum Gegenstand haben.

Darüber hinaus sieht § 7 Abs. 2 HOAI nun eine Hinweispflicht des Auftragnehmers gegenüber dem Verbraucher als Auftraggeber auf die Möglichkeit zur Vereinbarung eines im Vergleich zur Honorartafel höheren oder niedrigeren Honorars vor. Damit soll sichergestellt werden, dass der Orientierungscharakter der in den Honorartafeln enthaltenen Honorarwerte allen Vertragsparteien bekannt ist.

Die ausdrücklich vorgesehene Regelung zur Vereinbarung eines Erfolgs- oder Malushonorars in § 7 Abs. 6 HOAI a. F. wie auch die Möglichkeit zur schriftlichen Abweichung nach § 6 Abs. 3 HOAI a. F. entfallen, da es den Parteien nun ohnehin freisteht, entsprechende Absprachen in einer Honorarvereinbarung zu treffen.

Die Grundlagen und Maßstäbe zur Berechnung von Honoraren müssen sich im Rahmen des „Angemessenen“ bewegen

Das ebenfalls geänderte Ermächtigungsgesetz ArchLG hat in letzter Minute noch eine von den Fachverbänden (Bundesarchitektenkammer, Bundes¬ingenieurkammer, AHO, Verband Beratender Ingenieure sowie dem Bundesrat, auf Empfehlung des federführenden Wirtschaftsausschusses) dringend geforderte Ergänzung erfahren.

In das Gesetz ist ein Hinweis darauf aufgenommen worden, dass bei der Bestimmung der Honorartafeln zur Honorarorientierung „zur Ermittlung angemessener Honorare“ den berechtigten Interessen der Ingenieure und Architekten und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung zu tragen ist.

Dieser Einschub soll einen reinen Preiswettbewerb verhindern, eine gerichtliche Überprüfung sowohl zu hoher als auch zu niedriger Honorare erleichtern und langwierige Streitigkeiten vermeiden. Entsprechende Regelungen finden sich bereits im Steuerberatungsgesetz und der Steuerberatungsvergütungsverordnung sowie im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Änderungen gelten erst für ab dem 1. Januar 2021 geschlossene Architekten- und Ingenieurverträge

Um Rechtssicherheit unter den einschlägigen Vertragsparteien zu gewährleisten, gelten die Änderungen der HOAI erst für diejenigen Vertragsverhältnisse, die nach Ablauf des 31. Dezember 2020 (und damit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens) erstmalig begründet wurden.

Fazit

Neue Freiheiten 

Der Kern der HOAI-Reform wird durch die von festgesetzten Mindest- und Höchstsätzen losgelöste Freiheit zur Honorarvereinbarung ausgefüllt.

Für Verträge ab dem 1. Januar 2021 gibt es keine verbindlichen Mindest- und Höchstsätze mehr. Die Regelungen, die die HOAI für die Kalkulation der Honorare enthält, werden aber beibehalten und dienen den Rechtsanwendern als Orientierung, damit ein im Einzelfall angemessenes Honorar ermittelt werden kann.

Nachdem das Honorar bislang zwangsläufig vor allem auf der Grundlage der Kostenberechnung basierte und nach der Rechtsprechung durch den EuGH mittels Zu- und Abschlägen angepasst wurde, hält mit der neuen HOAI fast völlige Vereinbarungsfreiheit im Sinne der Privatautonomie Einzug.

Durch den gesetzlich (im ArchLG) verankerten Grundsatz, dass die gegenständlichen Honorare angemessen sein müssen, wird gewährleistet, dass im Falle der Heranziehung der Honorarberechnungsgrundlagen der HOAI jedenfalls ein angemessenes Honorar für die Honorarvereinbarung ermittelt wird. 

Die Hinwendung zum reinen „Vereinbarungsmodell“ wirft die bisherigen Motive des Gesetzgebers über Bord. Danach sollten bei extremen Marktschwankungen eine Gebührenüberhöhung ebenso verhindert werden wie Dumpingpreise bei schwächerer Baukonjunktur. Es bleibt abzuwarten, ob es zukünftig bei Änderungen der Baukonjunktur zu solchen Entwicklungen kommen wird.

Die in Fachkreisen dringend angemahnte Modernisierung der Leistungsbilder in Bezug auf BIM (Building Information Modelling) und die zunehmende Revitalisierung von Bestandsbauten statt Neubauten wurde nicht thematisiert und bleibt der weiteren Entwicklung vorbehalten.

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