Die Grunderwerbsteuer ist eine Verkehrssteuer. Sie besteuert vereinfacht gesagt die Vorgänge, bei denen Rechte an Grundstücken auf neue Personen übertragen werden. Ein Grund für die Komplexität des Grunderwerb-Steuerrechts ist, dass auch Gesellschaften Grundstücke in ihrem Vermögen haben können. Das GrEStG sieht daher in bestimmten Fällen vor, dass Verfügungen über Gesellschaftsanteile Grunderwerbsteuer auslösen. Dabei handelt es sich um die sog. Ergänzungstatbestände gemäß § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG.
Diese Ergänzungstatbestände eint das folgende Tatbestandsmerkmal: „gehört zum Vermögen […] ein inländisches Grundstück […]“. In der Praxis wird die Frage, ob dieses Merkmal gegeben ist, oft einfach zu beantworten sein. Indes können sich in diesem Zusammenhang aus zwei Gründen Schwierigkeiten ergeben. Zum einen kommt es genau genommen weder auf die zivilrechtliche noch auf die wirtschaftliche Zuordnung an, sondern auf eine eigenständige grunderwerbsteuerliche Zuordnung des jeweiligen Grundstücks. Zum anderen sind für die Ergän-zungstatbestände nicht nur unmittelbare Veränderungen in den Beteiligungsverhältnissen von Bedeutung, sondern auch mittelbare. In mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen kann es also durchaus schwierig zu beurteilen sein, welcher Gesellschaft ein Grundstück grunderwerbsteuerlich zuzuordnen ist. Zu diesem Themenkomplex ist nunmehr ein wichtiges Urteil des BFH ergangen.
1. Das kürzlich veröffentlichte BFH-Urteil
Den vollständigen Tatbestand des BFH-Urt. v. 1.12.2021 – II R 44/18 zu durchdringen erfordert neben der Zeit auch die entsprechende Sachkenntnis bzgl. des Gesellschaftsrechts und der Umstrukturierung im Konzern. Die Leitsätze des Urteils sind dahingegen eindeutig zu verstehen: „Ein inländisches Grundstück „gehört“ einer Gesellschaft iSd. § 1 Abs. 2a GrEStG nur dann, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld […] aufgrund eines zuvor unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist“. Der Bundesfinanzhof befasste sich in diesem Fall mit der Frage, ob ein Grundstück schon dann grunderwerblich zum Vermögen der Muttergesellschaft gehört, wenn diese eine relevante Mehrheit (aktuell: 90% oder mehr) der Anteile an einer Tochtergesellschaft hält.
2. Die Zugehörigkeit zum Vermögen
Bereits vor dem in Rede stehenden Urteil bestand in der Rechtsprechung (z.B. BFH Urt. v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402) und in der Literatur (statt vieler Meßbacher-Hönsch, in: Viskorf, GrEStG, § 1 Rn. 736, 863) zu § 1 Abs. 3 GrEStG Einigkeit, dass es weder auf die zivilrechtliche noch auf die wirtschaftliche (§ 39 AO) Zuordnung ankomme, sondern auf die grunderwerbsteuerliche Zugehörigkeit. Wegen des Wortlautes und der systematischen Stellung gelte das auch für § 1 Abs. 2a GrEStG. Diesen Grundsatz bestätigte der BFH auch noch einmal in der aktuellen Entscheidung. Das Finanzamt war im klagegegenständlichen Urteil der Auffassung, dass eine Zurechnung des Grundstücks durch die beherrschende Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft vorliege. Damit habe sie ein Grundstück in ihrem Vermögen. Dem ist der Bundesfinanzhof entgegengetreten.
Damit erfolgt die Zurechnung durch die Tatbestandsverwirklichung. Was gerade nicht ausreicht, ist die reine Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft, gleich welcher Höhe. Die Einflussmöglichkeit (bspw. Verwertungsbefugnis) unterscheidet sich z.B. vom Treugeber im Rahmen eines Treuhandverhältnisses, da der Mehrheits-Gesellschafter nicht gleichermaßen einwirken kann, als dass eine Zuordnung für die Zwecke der Besteuerung nach § 1 GrEStG zu rechtfertigen wäre (BFH Urt. v. 1.12.2021 – II R 44/18, Rn. 27, 31).
3. Folgerungen aus dem Urteil
Ein neu angeschafftes Grundstück einer Enkelgesell-schaft (GmbH) ist also nicht der Tochtergesellschaft (GmbH) zuzurechnen, nur, weil diese schon vorher zu 100 Prozent an der Enkelgesellschaft beteiligt ist. Das Grundstück ist wegen der Anschaffung (bspw. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) der Enkelgesellschaft zuzuordnen. Anders kann dies aber in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG sein. Mit § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG führt bereits das Signing eines Share-Deals dazu, dass ein Grundstückserwerb des erwerbenden Gesellschafters fingiert wird, sodass das Grundstück auch der grundbesitzenden Gesellschaft gehört und somit eine Mehrfachzuordnung möglich ist (Viskorf, DStR 2021, 74, 76). Damit ist der Fall gemeint, dass die Enkelgesellschaft das Grundstück bereits in ihrem Vermögen hat und sodann die Tochtergesellschaft die Anteile an ihr unter Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erhält.
Es stellt sich dann bei dem Verkauf der Anteile der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft die Frage, auf welcher Ebene § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt wird, da das Grundstück mehreren Gesellschaften zuzurechnen ist (und zwar der Tochter- und der Enkelgesellschaft). Das gleiche Szenario kann sich auch für § 1 Abs. 2a GrEStG ergeben, sofern es sich um Personengesellschaften handelt.
4. Hinweise für die Praxis
Das Urteil bezieht sich speziell auf die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG. Es stellt die Grundsätze für die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen einer Personengesellschaft auf. Seit dem neuen Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG mit Wirkung zum 01.07.2021 stellt sich die identische Frage auch für das Vermögen einer Kapitalgesellschaft. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dürfte gleichermaßen Anwendung finden. Dafür spricht neben dem übereinstimmenden Wortlaut des eingangs erwähnten Tatbestandsmerkmals auch die Systematik des Gesetzes und das vergleichbare Ziel der Regelung hinsichtlich der steuerlichen Erfassung von Share-Deals.
Die zivilrechtliche Zugehörigkeit zum Vermögen einer Gesellschaft als Eigentümerin kann zwar Aufschluss darüber geben, wer die umfassende rechtliche Herrschaftsmacht über das Grundstück hat. Sofern Konzernumstrukturierungen mit möglichen Auswirkungen auf die Grunderwerbsteuer im Raum stehen, sollten aber auch alle grunderwerbsteuerlichen Vorgänge in der Vergangenheit überprüft werden. So kann sichergestellt werden, dass eine korrekte Zuordnung im grunderwerbsteuerlichen Sinne erfolgt.
Das hat zur Folge, dass die Grunderwerbsteuer nicht unerwünscht entsteht, wenn die grunderwerbsteuerliche Zuordnung von der zivilrechtlichen Zuordnung abweicht. So ist es bspw. denkbar, dass ein Grundstück nicht (mehr) zum Vermögen einer Gesellschaft gehört, obwohl es noch in ihrem Eigentum steht (BFH Urt. v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292).
Diese Grundsätze gelten nach der aktuellen Rspr. des Bundesfinanzhofs auch bei den in der Praxis üblichen mehrstöckigen Beteiligungen. Insgesamt hat der Bundesfinanzhof lediglich für Rechtssicherheit gesorgt, dass die Beherrschung an sich nicht zur Zurechnung des Grundstücks führt. Weiterhin ist auf die Erwerbstatbestände abzustellen. Das führt zu komplizierten Fragestellungen bei der Verwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG und der anschließenden Verwirklichung von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG.
In der Praxis hat das Auswirkungen auf die Steuerschuldnerschaft und vor allem auf die Anzeigepflichten. Gegen eine ggfs. doppelte Festsetzung der Steuer müsse man sich im Zweifel mit guten Aussichten gerichtlich zur Wehr setzen. Des Weiteren bleibt es offen, welche Gesellschaft (in den Beispielen Tochter- oder Enkelgesellschaft) verpflichtet ist, die Anzeigen iSd. § 19 GrEStG zu erstatten, um eine ggfs. erforderliche Rückabwicklung nach § 16 GrEStG nicht zu gefährden.
Autoren: Ferdinand Petersen und Lars Meyerholz (wissenschaftlicher Mitarbeiter bei GÖRG)