Die aktuelle Corona-Pandemie führt bekanntlich zu erheblichen Einschränkungen des täglichen Lebens. Auch der Immobilienwirtschaft stellen sich zahlreiche Herausforderungen, die es gemeinsam interessengerecht zu bewältigen gilt. So können die derzeitigen Entwicklungen mitunter dazu führen, dass für die jeweiligen Vertragsparteien erhebliche Schwierigkeiten bei der Einhaltung vertraglich geregelter Fristen in Gewerbemietverträgen und Immobilienkaufverträgen entstehen. Betretungsverbote für Baustellen, Quarantänemaßnahmen und Corona-bedingte Lieferverzögerungen sowie derzeit schlicht noch nicht absehbare, weitere Hindernisse können dazu führen, dass vertraglich vereinbarte Fertigstellungs- und Übergabetermine oder sog. Long-Stop-Dates überschritten werden.
Die Überschreitung eines vertraglich festgelegten Termins für eine Leistung wird in den meisten Verträgen mit Schadenersatzansprüchen, Vertragsstrafen und/oder Rücktritts- oder Kündigungsrechten zugunsten der anderen Partei sanktioniert. Dies könnte jedoch im Hinblick auf die Corona-Pandemie und die aktuelle internationale Ausnahmesituation teilweise zu unzumutbaren Ergebnissen führen, weil eine weltweite, derart einschneidende Krise von den Parteien bei Vertragsschluss schlicht nicht einkalkuliert wurde. Es stellt sich somit u.a. die Frage, wer das Risiko und infolgedessen auch die Kosten von Corona-bedingten Verzögerungen zu tragen hat und welche Handlungsmöglichkeiten den Parteien zur Verfügung stehen.
- Zusammengefasst ist dies für die meisten Fallgestaltungen im Zusammenhang mit der Überschreitung von Fertigstellungs- und Übergabeterminen wohl wie folgt zu beantworten:
- Sofern die Parteien eine sog. Force-Majeure-Klausel vereinbart haben, wird sich eine Partei jedenfalls dann auf diese berufen können, wenn sie gerade aufgrund der Corona-Pandemie ihre vertraglich vereinbarte Leistungspflicht nicht erbringen kann.
- Die Corona-bedingten Verzögerungen bei der Übergabe von Mietgegenständen bzw. der Fertigstellung von Kaufgegenständen oder Beseitigung von Mängeln stellen in der Regel keinen Fall der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB dar, d.h. die Verpflichtungen bleiben grundsätzlich bestehen.
- Schadenersatzansprüche und vertraglich vereinbarte Vertragsstrafen kommen bei einer infolge der Corona-Pandemie eintretenden Überschreitung vereinbarter Fertigstellungs- und Übergabetermine jedenfalls dann in Betracht, wenn diese ungeachtet eines etwaigen Verschuldens des Vertragspartners vereinbart wurden. Sofern es gemäß der getroffenen Vereinbarung hingegen auf ein Verschulden ankommt, scheiden solche Schadenersatz- und Vertragsstrafeansprüche wohl aus. Mit derselben Begründung sind auch gesetzliche Schadenersatzansprüche nach dem Schuldrecht des BGB abzulehnen.
- Kündigungs- und Rücktrittsrechte werden bei einer Überschreitung vertraglich vereinbarter Fertigstellungs- und Übergabetermine dann bestehen, wenn diese ohne Rücksicht auf ein Verschulden vereinbart wurden. Sehen die vertraglichen Vereinbarungen hingegen ein Verschulden als Voraussetzung vor, scheiden derartige Rechte bei einer allein auf der Corona-Pandemie beruhenden Überschreitung des Termins aus. Haben die Parteien keine in diesem Zusammenhang anwendbaren Kündigungs- bzw. Rücktrittsrechte vereinbart, kann ein solches Recht regelmäßig erst dann ausgeübt werden, wenn eine dem Vertragspartner zuvor gesetzte angemessene Frist fruchtlos abgelaufen ist.
- Bei Überschreitung eines vertraglich vereinbarten Long-Stop-Dates infolge der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Einschränkungen ist in der Regel davon auszugehen, dass das an die Überschreitung des Long-Stop-Dates geknüpfte Rücktrittsrecht entsteht. Allerdings kann je nach vertraglich vereinbarter Risikoverteilung und in Ansehung der betreffenden Voraussetzung, die infolge der Corona-Pandemie nicht fristgerecht erfüllt wird, auch eine abweichende Beurteilung in Betracht kommen.
Es gilt jedoch zu beachten, dass jeder Einzelfall stets einer separaten Bewertung bedarf, die auch anders ausfallen kann:
Corona-Pandemie als Höhere Gewalt im Sinne sog. Force-Majeure-Klauseln
In Kauf- und Mietverträgen sind gelegentlich sog. „Force-Majeure-Klauseln“ enthalten, die die Risikoverteilung für Fälle höherer Gewalt regeln. Für deren Anwendbarkeit ist entscheidend, ob der Ausbruch der Atemwegserkrankung Covid-19 (Corona virus disease 2019, kurz: Corona-Virus) und die damit verbundenen Folgen einen Fall höherer Gewalt darstellen. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn in den Klauseln eine Einstufung von Epidemien, Pandemien, Seuchen und Quarantäneanordnungen als höhere Gewalt ausdrücklich vorgesehen ist. Denn seit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 11. März 2020 den Ausbruch der Atemwegserkrankung Covid-19 als Pandemie eingestuft hat und auch das Robert-Koch-Institut (RKI) dieser Bewertung zustimmt, kann davon ausgegangen werden, dass ein Fall höherer Gewalt im Sinne einer solchen Klausel vorliegt.
Aber auch wenn die Force-Majeure-Klauseln solche Fälle nicht ausdrücklich erwähnen, sprechen gute Gründe dafür, die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen als einen Fall höherer Gewalt einzustufen. Höhere Gewalt wird überwiegend als externes, unverschuldetes und unabwendbares Ereignis verstanden, das keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch nicht durch äußerste Sorgfalt abwendbar ist (BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – X ZR 142/15). Der Ausbruch der Corona-Pandemie und die damit einhergehenden massiven Beeinträchtigungen infolge der sowohl national als auch international erlassenen Maßnahmen dürften wohl ein solches Ereignis im Sinne der vorgenannten Definition höherer Gewalt darstellen.
Freilich kann sich eine Vertragspartei nur dann auf eine solche Force-Majeure-Klausel berufen, wenn ihre individuellen Leistungsverpflichtungen gerade aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen nicht eingehalten worden sind. Im Fall einer verspäteten Übergabe von Mietflächen ist beispielsweise zu prüfen, ob die Verzögerung gerade aufgrund der Folgen des Corona-Virus eingetreten ist und nicht auf anderen Ursachen beruht.
Schließlich empfiehlt sich stets zu überprüfen, ob die Force-Majeure-Klausel auch wirksam vereinbart wurde; insbesondere auf die Frage der AGB-rechtlichen Wirksamkeit ist hierbei ein besonderes Augenmerk zu legen. Denn zahlreiche Force-Majeure-Klauseln wurden in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen durch die Rechtsprechung als unwirksam eingestuft.
Wurde eine entsprechende Force-Majeure-Klausel nicht vereinbart, kommt es zunächst maßgeblich auf den sonstigen Inhalt der vertraglichen Regelungen an und in Ermangelung dessen ist auf die allgemeinen gesetzlichen Regelungen zurückzugreifen.
Überschreitung von Fertigstellungs- und Übergabeterminen
In Mietverträgen und Immobilienkaufverträgen vereinbaren die Parteien regelmäßig, dass der Vermieter bzw. der Verkäufer bis zu einem bestimmten Datum (Fertigstellungs-)Pflichten zu erfüllen hat. In Mietverträgen ist dies regelmäßig der Termin, zu dem der Vermieter dem Mieter den fertiggestellten Mietgegenstand zu übergeben hat (sog. Übergabetermin). In Immobilienkaufverträgen wiederum vereinbaren die Vertragsparteien häufig, dass der Verkäufer bis zu einem bestimmten Termin den Kaufgegenstand fertigzustellen hat (regelmäßig beim Erwerb eines noch zu errichtenden Bauwerks) oder Mängel zu beseitigen bzw. sonstige (bauliche) Maßnahmen zu erbringen hat.
Keine Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB
Die Nichteinhaltung des vereinbarten Übergabe- oder Fertigstellungstermins infolge der Corona-Pandemie stellt regelmäßig keinen Fall der sog. Unmöglichkeit dar, bei deren Vorliegen der Vermieter bzw. der Verkäufer von seiner Pflicht zur Übergabe des Mietgegenstands bzw. der Fertigstellung des Kaufgegenstands oder der Beseitigung von Mängeln gemäß § 275 Abs. 1 BGB frei würde.
Denn die Übergabe bzw. Fertigstellung oder Mängelbehebung ist in Ansehung der Corona-Pandemie nur vorübergehend nicht herbeizuführen, da zumindest mittelfristig mit einer Reduzierung der aus der Corona-Pandemie resultierenden Einschränkungen bis hin zu einer Beendigung dieser Einschränkungen zu rechnen ist. Alle bisher beschlossenen Maßnahmen sind befristet und von einer Rückkehr zum normalen Alltag ist – hoffentlich in naher Zukunft – auszugehen. Die Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB setzt jedoch die dauerhafte Nichterbringbarkeit des Leistungserfolges voraus.
Eine Ausnahme kann allenfalls bei sog. absoluten Fixgeschäften gelten. Hierbei handelt es sich um Pflichten, deren fristgerechte Erfüllung für den Vertragspartner von einer solchen zentralen Bedeutung ist, dass er bei Nichterfüllung gleichsam überhaupt kein Interesse mehr an der Leistung hat. Die vorbeschriebenen typischen Pflichten in Miet- oder Kaufverträgen dürften in der Regel jedoch kein solches absolutes Fixgeschäft darstellen.
Schadenersatzansprüche und Vertragsstrafen
Differenzierter ist die Frage zu beantworten, ob die Corona-bedingte Überschreitung von Übergabe- bzw. Fertigstellungsterminen zu Schadenersatz- oder Vertragsstrafeansprüchen des Mieters bzw. Käufers führt.
Sollte ein Miet- oder Kaufvertrag das Bestehen eines Schadenersatz- oder Vertragsstrafeanspruchs für den Fall des Verschuldens seitens des Vermieters bzw. Verkäufers vorsehen, so dürfte bei einer Überschreitung des vereinbarten Übergabe- bzw. Fertigstellungstermins infolge der Corona-Pandemie ein Schadenersatz- und Vertragsstrafeanspruch ausscheiden. Denn eine Überschreitung des vereinbarten Termins, die allein auf der Corona-Pandemie (beispielsweise durch Corona-bedingte Betretungsverbote für Baustellen, Quarantänemaßnahmen oder nicht anderweitig behebbare Lieferverzögerungen) beruht, ist nicht vom Vermieter bzw. Verkäufer zu vertreten.
Allerdings sehen viele Verträge im Falle der Überschreitung des vereinbarten Übergabetermins oder des Fertigstellungstermins die Zahlung einer Vertragsstrafe vor, ohne dass hierzu ein Verschulden ausdrücklich erforderlich wäre. Bei derartigen Klauseln ist zunächst stets zu prüfen, ob diese (insbesondere unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten) überhaupt wirksam sind.
Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage, ob derartige verschuldensunabhängige Ansprüche auch bei Terminüberschreitungen infolge der Corona-Pandemie Anwendung finden. Dafür spricht zunächst, dass der Vermieter bzw. Verkäufer in den jeweiligen vertraglichen Regelungen regelmäßig das Risiko der termin-/fristgerechten Pflichterfüllung übernommen haben dürfte. Vor diesem Hintergrund ist es auch fraglich, ob der Vermieter bzw. Verkäufer nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB von seinem Vertragspartner in Bezug auf die Vertragsstrafe eine Vertragsanpassung verlangen kann. Zwar dürfte es sich bei der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden Einschränkungen und behördlich angeordneten Maßnahmen um eine unvorhersehbare schwerwiegende Veränderung/Störung der Grundlage des Vertrages handeln.
Allerdings setzt ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB weiter voraus, dass die Störung nicht bereits in den alleinigen Risikobereich derjenigen Vertragspartei fällt, die sich auf die Störung beruft. Nach den vorstehenden Ausführungen dürfte es sich bei vertraglichen Vereinbarungen, nach denen ein Vermieter oder Verkäufer gerade verschuldensunabhängig zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet ist, üblicherweise um Regelungen handeln, nach denen der Vermieter bzw. Verkäufer allein das Risiko der Überschreitung des vereinbarten Termins trägt. Dieses Risiko kommt gerade darin zum Ausdruck, wenn die Vertragsstrafe allein bei Überschreitung des Termins und unabhängig von einem Verschulden anfällt.
Dies ist jedoch stets eine Einzelfallentscheidung. Maßgeblich ist insoweit immer, ob die Klausel allein dem Vermieter bzw. Verkäufer das Risiko der Terminsüberschreitung überträgt. Sollte dieses Risiko im Einzelfall nicht allein in die Sphäre des Vermieters bzw. Verkäufers fallen, dürfte auch eine Anpassung der maßgeblichen Regelung gemäß § 313 BGB in Betracht kommen. Eine solche Anpassung könnte etwa dergestalt ausfallen, dass der vereinbarte Übergabe- bzw. Fertigstellungstermin entsprechend zu verschieben ist.
Sofern der jeweilige Vertrag keine ausdrücklichen Vereinbarungen zu einem Schadenersatz- oder Vertragsstrafeanspruch vorsieht, scheidet ein solcher Anspruch wohl insgesamt aus. Denn unter Zugrundelegung der Regelungen des allgemeinen Schuldrechts befindet sich der Vermieter bzw. Verkäufer bei Überschreitung des vereinbarten Termins noch nicht einmal in Verzug, da der Schuldner gemäß § 286 Abs. 4 BGB dann nicht in Verzug gerät, wenn die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. In diesem Fall kann auch ein gesetzlicher Schadenersatzanspruch nicht begründet werden.
Kündigungs- und Rücktrittsrechte
Schließlich stellt sich die Frage, ob aufgrund der Überschreitung von Übergabe- bzw. Fertigstellungsterminen infolge Corona-bedingter Verzögerungen Kündigungs- oder Rücktrittsrechte bestehen.
Mietverträge sehen regelmäßig Rücktritts- oder Kündigungsrechte für den Mieter vor, wenn der Vermieter den Mietgegenstand nicht zum vereinbarten Übergabetermin übergibt. In Kaufverträgen sind vergleichbare Rücktrittsrechte meist im Rahmen des sog. Long-Stop-Dates berücksichtigt (siehe hierzu nachstehend unter „Vertraglich vereinbarte sog. „Long-Stop-Dates“).
Sofern die vertraglichen Regelungen Rücktritts- oder Kündigungsrechte für den Fall des Verschuldens seitens des Vermieters vorsehen, dürfte bei einer Überschreitung des vereinbarten Übergabetermins infolge der Corona-Pandemie ein Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht nicht bestehen. Denn – wie bereits ausgeführt – eine Überschreitung des vereinbarten Termins, die allein auf der Corona-Pandemie (beispielsweise durch Corona-bedingte Betretungsverbote für Baustellen, Quarantäne-maßnahmen oder nicht anderweitig behebbare Lieferverzögerungen) beruht, ist nicht vom Vermieter zu vertreten.
Sofern das Rücktritts- oder Kündigungsrecht jedoch verschuldensunabhängig bei Überschreitung des Übergabetermins bestehen sollte, so spricht einiges dafür, dass der Mieter bei Überschreitung des vereinbarten Übergabetermins auch zum Rücktritt bzw. zur Kündigung berechtigt ist, unterstellt, dass die betreffende Regelung (insbesondere in AGB-rechtlicher Hinsicht) wirksam ist.
Die Ausübung eines solchen vertraglichen Gestaltungsrechts durch den Mieter dürfte in der Regel auch nicht treuwidrig im Sinne von § 242 BGB sein. Dies gilt nach unserer Auffassung jedenfalls für den Fall, dass das Kündigungs- oder Rücktrittsrecht verschuldensunabhängig vereinbart wurde. Denn in diesem Fall realisiert sich lediglich das von den Vertragsparteien dem Vermieter einseitig auferlegte Risiko. Das ist allerdings stets einzelfallabhängig zu bewerten. So ist es auch durchaus denkbar, dass sich aus den vertraglichen Vereinbarungen ergeben mag, dass eine Ausübung des Kündigungs- bzw. Rücktrittsrechts treuwidrig ist. Dann würde der Mieter sich allein wegen der Überschreitung des Übergabetermins bedingt durch die Corona-Pandemie nicht vom Vertrag lösen können.
Sofern vertraglich kein Kündigungs- oder Rücktrittsrecht vereinbart wurde, richtet sich die Frage eines solchen Gestaltungsrechts nach den Regelungen des allgemeinen Schuldrechts. Hiernach dürfte der Mieter bei Überschreitung des vereinbarten Übergabetermins jedenfalls dann gemäß § 323 BGB zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt sein, wenn er dem Vermieter zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt hat.
Bei der Angemessenheit der Frist sind die besonderen Umstände der aktuellen Situation zu berücksichtigen. Einer solchen Fristsetzung bedarf es nur dann nicht, wenn der Vertrag einen genauen Übergabetermin nennt und der Mieter den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat, d.h. die rechtzeitige Leistung für den Mieter derart wesentlich ist, dass mit der fristgerechten Leistung das Geschäft stehen und fallen soll. Dies wird in der Regel wohl eher nicht der Fall sein, so dass bei Fehlen entsprechender vertraglicher Regelungen meist wohl zunächst die erfolglose Setzung einer angemessenen Nachfrist erforderlich ist.
Vertraglich vereinbarte sog. „Long-Stop-Dates“
Insbesondere Immobilienkaufverträge enthalten regelmäßig Vereinbarungen über sog. Long-Stop-Dates. Hierbei handelt es sich um Vereinbarungen, nach denen eine oder beide Parteien vom Kaufvertrag zurücktreten können, wenn die Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen bis zu einem bestimmten Datum (das sog. „Long-Stop-Date“) nicht eingetreten sind.
Aktuell ist nicht davon auszugehen, dass die durch die Corona-Pandemie bestehenden Einschränkungen zu einer zeitlichen Verzögerung bei den klassischen Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen (Eintragung einer Vormerkung, Beibringung der Löschungsbewilligungen der Grundpfandrechtsgläubiger, Beibringung der Verzichtserklärung der Gemeinde über das gemeindliche Vorkaufsrecht) führen sollten.
Eine Überschreitung des Long-Stop-Dates kann allerdings dann drohen, wenn die Parteien des Vertrags beispielsweise die Fertigstellung des Kaufgegenstands, die Durchführung baulicher Maßnahmen oder die Beseitigung von Mängeln als Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzung vereinbart haben. Derartige Maßnahmen können je nach gewähltem Long-Stop-Date aktuell durchaus Gefahr laufen, wegen infolge der Corona-Pandemie angeordneter Betretungsverbote für Baustellen, Quarantänemaßnahmen oder Corona-bedingter nicht anderweitig behebbarer Lieferverzögerungen nicht innerhalb des gewählten Long-Stop-Dates erfüllt zu werden.
Es spricht auch diesbezüglich zunächst einiges dafür, dass das mit Ablauf des Long-Stop-Dates bestehende Rücktrittsrecht ungeachtet der Corona-Pandemie besteht. Im Einzelfall ist es aber auch durchaus denkbar, dass der Verkäufer gegen den Käufer einen Anspruch auf Anpassung des Long-Stop-Dates (z.B. in Form einer Verschiebung des Datums) hat, wenn die dem Long-Stop-Date und der betreffenden Verpflichtung zugrunde liegenden vertraglichen Regelungen nahelegen, dass die Parteien bei Kenntnis der aktuellen Umstände eine abweichende Regelung getroffen hätten und das Rücktrittsrecht bzw. die dem Rücktrittsrecht zugrunde liegende Verpflichtung nicht einseitig der Risikosphäre des Verkäufers zugeschrieben ist.
Auch insoweit gilt also, dass die vertraglichen Regelungen im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen und auszulegen sind.
Fazit
Die Corona-Pandemie stellt die Vertragsparteien von Miet- und Kaufverträgen aktuell unter Umständen vor große Herausforderungen. Die sich bei der Überschreitung vertraglich vereinbarter Termine und Fristen ergebenden Rechtsfolgen und die daraus resultierenden Handlungsalternativen der Vertragsparteien sind dabei stets einzelfallabhängig zu bewerten, da sie vor allem vom konkreten Regelungsinhalt und der vertraglichen Risikoverteilung abhängen.
Von einer vorschnellen Ergreifung von Maßnahmen sollte jedenfalls abgesehen werden, um das Risiko von Rechtsverlusten und Schadenersatzforderungen der Gegenseite wegen pflichtwidrigen Verhaltens zu vermeiden. Schließlich ist es nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Rechtsunsicherheiten sicherlich empfehlenswert, interessengerechte (vorläufige) Lösungen für beide Vertragsparteien zu finden.
Bei Verträgen, die aktuell verhandelt und abgeschlossen werden, sollte den vorbeschriebenen Risiken soweit möglich Rechnung getragen werden und z.B. längere Fristen vereinbart und/oder die Rechtsfolgen für den Fall der Überschreitung mit Blick auf die derzeitige Situation geregelt werden.