Prüfung von Auslandsinvestitionen: Bundeskabinett beschließt 17. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (in abgeschwächter Fassung)

Köln, 03.05.2021

Das Bundeskabinett hat am 27. April 2021 die Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) beschlossen. Nach Veröffentlichung am 30. April 2021 im Bundesanzeiger trat die Verordnung – getreu der Redewendung „Alles neu macht der Mai“ – bereits am 1. Mai 2021 in Kraft.

1. Hintergrund

Die Regelungen zum Außenwirtschaftsrecht schützen die sicherheitspolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Kabinettsfassung, S. 19). Insbesondere diene der Entwurf dazu, ausgehend von den Vorgaben der EU-Screening Verordnung, weitere kritische Technologien zu bestimmen, die im Rahmen der nationalen Investitionsprüfung besondere (Sicherheits-)Relevanz haben und daher meldepflichtig sein sollen.

2. Ausweitung der relevanten Fallgruppen in der sektorübergreifenden Prüfung

Zentral ist die Einführung des neuen § 55a Abs. 1 AWV (vormals § 55 Abs. 1 S. 2 AWV), der die „voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ definiert und weitere besonders prüfrelevante Fallgruppen ergänzt. 
Im Gegensatz zur vorherigen Fassung der AWV steigt die Anzahl relevanter Fallgruppen von 11 auf 27 an. Die Fallgruppenzugehörigkeit ist ein Indiz für eine besondere Sicherheitsrelevanz des Zielunternehmens und die daraus folgende Prüfrelevanz von Erwerbsfällen (vgl. Kabinettsfassung, S. 28).
Zu den Fallgruppen gehören z.B.:

  • Bereiche der Künstlichen Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Quanten- und Nukleartechnologie;
  • Bereiche des automatisierten Fahrens bzw. Fliegens, Optoelektronik und additiven Fertigung.

Diese Bereiche sollen durchweg als solche Branchen betrachtet werden, die von wachsender Wichtigkeit für die Zukunfts- und Widerstandsfähigkeit der deutschen Wirtschaft seien. Fällt ein Erwerbsgeschäft unter eine der Fallgruppen, löst dies daran geknüpfte Rechtsfolgen, wie die Meldepflicht des Erwerbsgeschäfts und Vollzugsbeschränkungen nach § 15 Abs. 3 und 4 AWG, aus.

3. Erweiterung der sektorspezifischen Prüfung

Eine weitere wichtige Änderung ist, dass im Rahmen der sektorspezifischen Prüfung in § 60 AWV – bei der im Gegensatz zur sektorübergreifenden Prüfung die voraussichtliche Beeinträchtigung der „wesentlichen Sicherheitsinteressen“ Deutschlands geprüft wird – nunmehr sämtliche Rüstungsgüter im Sinne des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste relevant sind.

4. Abschwächung des ursprünglichen Referentenentwurfs und Einschränkungen des Prüfungsrechts

Der Referentenentwurf des BMWi vom 22. Januar 2021 war zum Teil auf starken Gegenwind aus der Wirtschaft gestoßen. Aufgrund dieser Kritik sieht die Verordnung nun folgende Einschränkungen gegenüber dem Referentenentwurf und der bis dahin geltenden Rechtslage vor.

Erstens ist die Prüf- bzw. Meldeschwelle für Direktinvestitionen aus dem EU-Ausland für die neu hinzugefügten Fallgruppen (§ 55a Abs. 1 Nr. 12-27 AWV) sowie für die im Rahmen der 15. AWV-Novelle hinzugefügten Fallgruppen von unternehmerischen Tätigkeiten insb. im Gesundheitssektor (§ 55a Abs. 1 Nr. 8-11 AWV) auf 20 Prozent der Stimmrechte festgelegt worden. Bei den Fallgruppen des § 55a Abs. 1 Nr. 1 – 7 AWV verbleibt es bei den 10 Prozent.

Zweitens wurde bei Hinzuerwerben Erheblichkeitsschwellen ergänzt. Bisher konnte das BMWi auch Hinzuerwerbe, also Erwerbe von Stimmrechten oberhalb der Aufgreifschwellen, prüfen. Ein Prüfrecht (und ggfs. eine Meldepflicht) besteht nun nur noch dann, wenn bestimmte Schwellen (20%, 25%, 40% 50% oder 75% der Stimmrechte) überschritten werden.

Schließlich wurden viertens manche Fallgruppen des neuen § 55a AWV einschränkend konkretisiert und definiert, beispielsweise im Hinblick auf Industrierobotern (vgl. § 55a Abs. 1 Nr. 15 AWV).

5. Folgen der gesetzgeberischen Aktivitäten im Außenwirtschaftsrecht für Unternehmen

Die stetigen Verschärfungen des AWG und der AWV hatten bereits in den letzten Jahren eine wachsende Anzahl an außenwirtschaftsrechtlichen Prüffällen von Unternehmenserwerben zur Folge. So sollen sich die Fallzahlen der Investitionsprüfung im Zeitraum von 2017 bis Ende 2019 nahezu verdoppelt haben; von 2018 auf 2019 sei die Anzahl der Prüffälle sodann erneut, und zwar von 78 auf 106 gestiegen (vgl. BT-Drs. 19/18700, S. 3). Für das Jahr 2020 registrierte das BMWi 159 Prüffälle, für das Jahr 2021 bislang bereits 142 Prüffälle (vgl. Kabinettsfassung, S. 23). Das BMWi geht mit Blick auf die umfassende Ausweitung der relevanten Fallgruppen von einer weiteren Verfestigung dieses Trends aus (vgl. Kabinettsfassung, S. 23).

Die Zahlen zeigen deutlich, welche zusätzliche Bedeutung das Außenwirtschaftsrecht bei Transaktionen mit unionsfremden Erwerbern gewonnen hat. Durch den Brexit unterfallen künftig auch Investoren aus dem Vereinigten Königreich den zusätzlichen Anforderungen des AWG und der AWV.

6. Außenwirtschaftsrecht und Kartellrecht – same, same, but different?!

Ein erhöhter Compliance-Aufwand ergibt sich schon seit der 1. AWG-Novelle und mit der nunmehr in Kraft getretenen 17. Verordnung zur Änderung der AWV zudem aus dem Zusammenspiel zwischen außenwirtschaftsrechtlicher Meldepflicht und kartellrechtlicher Zusammenschlusskontrolle – denn diese laufen nicht gleich, sondern verfügen über jeweils unterschiedliche Voraussetzungen.
Da durch die 1. AWG-Novelle in 2020 ein dem Kartellrecht entlehntes „GunJumping“-Verbot eingeführt wurde, also ein Verbot des rechtlichen oder faktischen Vollzugs eines Erwerbs noch in der Investitionsprüfung, dürfte es insbesondere in Zweifelsfällen in Zukunft dazu kommen, dass Erwerbsvorgänge eher angemeldet als nicht angemeldet werden, um insbesondere die mit der 1. AWG-Novelle eingeführten Sanktionen für die verantwortlichen Personen – sowohl Freiheitsstrafen als auch Geldstrafen – oder Bußgelder für das Unternehmen zu vermeiden.

7. Inkrafttreten und Runderlass

Den Volltext des ursprünglichen Referentenentwurfs finden Sie hier. Die am 27. April 2021 beschlossene Fassung der Siebzehnten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung ist am 30. April im Bundesanzeiger veröffentlicht worden und am darauffolgenden Tag in Kraft getreten (zur Verkündung bzw. Veröffentlichung im Bundesanzeiger gelangen Sie hier).
Das BMWi hat – ebenfalls am 27. April 2021 – einen Runderlass Außenwirtschaft Nr. 2/2021 zur Siebzehnten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung beschlossen, der entsprechende Erläuterungen der Verordnung enthält. Der Erlass ist am 30. April 2021 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden und ist hier zu finden.
 

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