Im letzten Sommer ergingen gleich vier Urteile, die sich mit der Definition von Umweltinformationen beschäftigen. Die Auffassungen der Verwaltungsgerichte dazu fallen auseinander. Obwohl Einigkeit darüber besteht, dass im Lichte der grundsätzlichen Gewährleistung vom Zugang zu Umweltinformationen der Begriff weit auszulegen ist, definieren die Gerichte das erforderliche Maß eines Bezuges der betreffenden Informationen zu Umweltbestandteilen unterschiedlich und nehmen mehr oder weniger weite Eingrenzungen des Anwendungsbereichs vor.
Im Folgenden wollen wir auf die jeweiligen Urteile und die zugrundeliegenden Sachverhalte eingehen, uns dem Begriff der Umweltinformationen nähern und in einer abschließenden Bewertung den Konsens suchen, der es erlaubt, den Begriff der Umweltinformation aus Sicht der Rechtsprechung für die Zukunft greifbarer zu machen. Schließlich widmen wir uns der Frage, welche Auswirkungen diese Urteile auf die Praxis und auf zukünftige Anträge auf Erteilung von Umweltinformationen.
Vorab: Schon das relevante Regelwerk ist munter. Das Umweltinformationsgesetz besteht sowohl auf Bundesebene („UIG“) als auch auf Landesebene, wenn es von den Ländern in Landesrecht übernommen wurde. Ferner verweisen einzelne Länder in ihren jeweiligen Gesetzen zum Teil auf die Anwendung des Bundesrechts, wie etwa in § 1 Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg, andere, wie Bayern und Sachsen, haben eigene extensive Umweltinformationsgesetze erlassen. In ihrem Regelungsinhalt orientieren sie sich jedoch alle Vorgaben an denen der Europäischen Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG.
Die „Umweltinformation“ ist für Antragsteller, Behörden als informationspflichtige Stellen, aber auch als diejenigen, um deren Anträge oder Abläufe es bei einer nachgefragten Auskunft geht, entscheidend dafür, ob Auskunft gewährt wird/zu gewähren ist. Die Anträge jedenfalls häufen sich in den letzten Jahren beträchtlich. Je näher diese an der umweltrechtlichen Materie bleiben, desto weniger wahrscheinlich dürfte die Not einer Auslegung werden.
1. Die weite Auslegung des Verwaltungsgericht Leipzig
Das Verwaltungsgericht Leipzig erließ am 9. Juni 2021 ein Urteil (VG Leipzig 1. Kammer, Urteil vom 9. Juni 2021, Az: 1 K 1884/18) zu einem auf das Sächsische Umweltinformationsgesetz (SächsUIG) gestütztes Auskunftsbegehren. Der Kläger begehrte Zugang zu Informationen aus dem Sonderbericht über die „Festsetzung von Sicherheitsleistungen im Rahmen bergrechtlicher Betriebsplanzulassungen“ beim Sächsischen Rechnungshof (Beklagter). Der Kläger war der Ansicht, der Bericht enthalte Umweltinformationen nach § 3 Abs. 2 SächsUIG, da die Sicherheitsleistungen aus dem Sonderbericht für Kosten gestellt wurden, die eine Wiedernutzbarmachung der Natur und der Landschaft im Anschluss an den Braunkohleabbau betrafen. Dem hielt der Beklagte entgegen, dass die Daten des Sonderberichts lediglich Darstellungen und Bewertungen zur Art, Höhe, Eignung sowie Dauer der Festsetzung von Sicherheitsleistungen beträfen und nicht den Zustand von Umweltbestandteilen oder Umweltfaktoren infolge des Braunkohleabbaus.
Das Verwaltungsgericht folgte in seiner Begründung der Argumentation des Beklagten und wies die Klage ab, da es sich bei den angeforderten Informationen nicht um Umweltinformationen im Sinne des SächsUIG handele. Zwar verwies das Gericht unter Bezugnahme auf die Europäische Rechtsprechung zur Umweltinformationsrichtlinie¹ auf die unstreitig weite Auslegung des Begriffs „Umweltinformationen“ und ließ dafür bereits einen „gewissen Umweltbezug“ der Informationen ausreichen. Es grenzte diese weite Auslegung dann jedoch anhand des Sonderberichts wieder ein. Der „gewisse Umweltbezug“ des Berichts betreffe - und das sei maßgeblich - nicht den Zustand von Umweltbestandteilen oder Umweltfaktoren und stelle auch keine Maßnahme dar, die sich auf Umweltbestandteile oder Umweltfaktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken kann. Das Gericht hob den Unterschied zwischen den Renaturierungsmaßnahmen, welche den Sicherheitsleistungen zugrunde liegen und aus seiner Sicht unstreitig umweltrechtliche Belange darstellen, und den Sicherheitsleistungen an sich, die die Renaturierung lediglich finanziell absichern und einen Rückgriff auf staatliche Mittel ausschließen sollen, hervor. Letztere seien nicht auf die Umsetzung von Umweltmaßnahmen gerichtet, sondern rein fiskalischer Natur. Nichts Anderes könne sich unter Berücksichtigung der Zielsetzung der infrage stehenden Maßnahme ergeben, die bei der Erstellung des Sonderberichts darin bestand, im Interesse des Haushalts einen Schaden vom Steuerzahler abzuwenden, und nicht etwa die Umwelt zu schützen. Die Erstellung des Sonderberichts stufte das Verwaltungsgericht somit im Ergebnis umweltneutral ein.
2. Die enge Auslegung des Verwaltungsgericht München und der Schutz der Behörden vor Ausforschung und Kontrolle
Das in chronologischer Reihenfolge nächste Urteil erging wenig später am 13. Juli 2021 vom Verwaltungsgericht München (VG München, Urteil vom 13. Juli 2021 – M 32 K 19.5192). Hier wurde die Klage eines anerkannten Umweltschutzverbandes abgewiesen. Dieser hatte auf Grundlage des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes (BayUIG) Akteneinsicht in alle Akten zum Luftreinhalteplan der Stadt München beantragt. Der Beklagte lehnte dies ab. Er stützte sich dabei auf mehrere Ablehnungsgründe nach dem BayUIG und führte dabei etwa den Schutz des Prozesses der effektiven, funktionsfähigen und neutralen Entscheidungsfindung an, der gerade bei polarisierenden, die Umwelt betreffenden Themen zu berücksichtigen sei, da sonst eine Befangenheit der Amtswalter angesichts des Risikos einer Veröffentlichung der Inhalte und Aussagen aus der Beratung zu erwarten sei. Außerdem hätte der Schutz interner Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen Vorrang. Dabei umfasse der Schutz nicht nur Mitteilungen innerhalb einer Behörde, sondern auch solche zwischen verschiedenen informationspflichtigen Stellen. Schließlich sei die 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans noch nicht abgeschlossen und die Unterlagen daher nicht herauszugeben. Abgesehen davon habe die Regierung die Öffentlichkeit bereits ausführlich über den Stand des Verfahrens informiert.
In seiner vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage führte der Kläger an, dass sein Informationsbegehren über die in der 7. Fortschreibung enthaltenen Informationen hinausgehe und insbesondere die Verfahrensakten betreffe. Es gehe ihm gerade um die dem Plan vorgelagerten Umstände, wie die Tatsachengrundlagen, ermittelten Daten und gutachterlichen Bewertungen. Er widersprach den Ablehnungsgründen des Beklagten, da dieser den strengen Darlegungslasten nicht genügt habe und bei seiner Begründung zu abstrakt und vage geblieben sei. Der Kläger war außerdem der Ansicht, Sinn und Zweck des BayUIG sei es, die Behörden bei der Anwendung von umweltrechtlichen Vorschriften aktiv zu begleiten und die Verwaltung zu kontrollieren.
Der Beklagte entgegnete dem, dass den öffentlichen umweltbezogenen Interessen im Einklang mit dem Erwägungsgrund 1 der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG² bereits mit der Regelung aus § 47 Abs. 5a Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Aufstellung von Luftreinhalteplänen im Rahmen der 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vollumfänglich entsprochen worden sei.
Während sich sowohl Kläger als auch Beklagter in ihren Vorträgen hauptsächlich auf das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen von Ablehnungsgründen aus dem BayUIG konzentrierten, wies das Gericht die Klage mit der Begründung ab, ein Anspruch auf Informationszugang nach BayUIG bestehe schon mangels Bezugs zu Umweltinformationen dem Grunde nach nicht. Der Antrag des Klägers sei nicht auf den Erhalt von Umweltinformationen, sondern von Überwachungs- und Ausforschungsdaten gerichtet.
Zwar sei der Luftreinhalteplan nach § 47 BImSchG selbstverständlich eine Maßnahme im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) oder b) BayUIG, da er sich auf Umweltbestandteile auswirke bzw. deren Schutz bewirke. Umweltinformationen nach BayUIG sind u.a. auch „alle Daten über“ solche Maßnahmen. Doch schon die Systematik der Norm zeige, dass das Merkmal „alle Daten über“ keineswegs grenzenlos vom Normgeber gedacht sei.
Auch das VG München nahm in seiner Begründung Bezug auf das bereits oben genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Umweltinformationsrichtlinie. Ebenso wie das VG Leipzig betonte das VG München die weite Auslegung des Begriffs der Umweltinformationen. Allerdings bezwecke die Richtlinie nicht die Gewährung eines allgemeinen und unbegrenzten Zugangsrechts zu allen bei den Behörden verfügbaren Informationen, die auch nur den geringsten Bezug zu einem der in Art. 2 lit. a) der Richtlinie³ genannten Umweltgütern aufweisen. Die begehrten Informationen müssten konkret unter eine oder mehrere der in Art. 2 lit. a) der Richtlinie genannten Kategorien der Umweltinformationen fallen. Insbesondere Informationen über Kontrollmaßnahmen gehörten selbst dann nicht zu diesen Kategorien, wenn sie Tätigkeiten oder Maßnahmen beträfen, die für sich genommen eines oder mehrere Umweltgüter betreffen oder betreffen können. Bereits in einem früheren Urteil folgte das VG München dieser Argumentation und forderte für die Einstufung als Umweltinformationen im Sinne des BayUIG einen „hinreichend potentiellen Wirkungszusammenhang“ zu den Umweltgütern. Jeder noch so entfernte, gedanklich konstruierbare Wirkungszusammenhang reiche nicht aus.⁴
Auch im vorliegenden Fall führte das VG München diese Argumentation fort. Es erläuterte, dass es dem Kläger nicht um Auskunft zu den Umweltinformationen in der 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans ginge, sondern um Einsicht in die dazu gehörenden Verfahrensakten und damit in die vorgelagerten und begleitenden administrativen, behördenorganisatorischen oder prozeduralen Vorgänge im Zusammenhang mit der sachlichen Aufgabenerfüllung. Das vom Kläger verfolgte Ziel liege dabei in der Aufdeckung der von ihm vermuteten Fehlentwicklung und Missstände in der Regierung im Zusammenhang mit der Luftreinhalteplanung. Diese Informationen entbehren dem hinreichend potentiellen Wirkungszusammenhang, da sie höchstens entfernt mit der Sachmaterie zu tun haben und der Fokus hingegen auf dem Verhalten der Akteure im Sachprozess liege. Es ginge dem Kläger um Überwachungs- und Ausforschungsdaten, dafür stehe das BayUIG aber nicht zur Verfügung. Es sei kein Instrument der Überwachung und Ausforschung der Umweltbehörden.
Im Anschluss stellte das Gericht noch klar, dass im Übrigen auch die Ablehnungsgründe nach BayUIG vorliegen. So sei der behördliche Entscheidungsprozess zu schützen, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Dieser Ablehnungsgrund sei auch nicht nur auf laufende Verhandlungen beschränkt, sondern auch noch nach deren Abschluss einschlägig. Die notwendige Offenheit und Unbefangenheit des Austausches wäre durch ein exzessiv verstandenes Zugangsrecht nach BayUIG bedroht. Dem stehe auch kein überwiegendes öffentliches Interesse entgegen. Es gehe dem Kläger hier nicht um das Interesse der Öffentlichkeit, Zugang zu Umweltinformationen zu erhalten, sondern um ein ihm nicht zustehendes zweckentfremdetes Überwachungs- und Ausforschungsrecht gegenüber den Umweltbehörden. Auch das Bedürfnis nach Schutz interner Mitteilungen begründe einen Ablehnungsgrund. Im Einklang mit der Europäischen Rechtsprechung muss dem Bedürfnis der Behörden nach einem geschützten Raum für interne Überlegungen und Debatten genügt werden.⁵ Dieser Grundsatz gelte im Übrigen auch für Mitteilungen zwischen verschiedenen informationspflichtigen Stellen.
3. Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) – die missbräuchliche Antragstellung und der Schutz des geistigen Eigentums
Nur wenige Tage später, am 15. Juli 2021, wies das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) mit seinem Urteil (VG Frankfurt/Oder, Urt. V. 15.7.2021 – 5 K 486/20) die Klage einer Betreiberin von Windanlagen (Klägerin) gegen die Behörde (Beklagter) ab, die einer benachbarten Windanlagenbetreiberin (Beigeladene) Akteneinsicht nach Umweltinformationsgesetz (UIG) in die Unterlagen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens auf Erteilung eines Vorbescheides zur Errichtung und zum Betrieb einer Windanlage der Klägerin gewährte.
Die Klägerin widersprach dem Begehren der Beigeladenen auf Akteneinsicht, da es ihr nicht um Interessen des Umweltschutzes ginge, sondern um die Ausforschung des klägerischen Vorhabens zur Durchsetzung ihrer eigenen Anlagenplanung auf dem benachbarten Flurstück. Die Offenlegung der technischen Gutachten der Klägerin verletze darüber hinaus die Urheberrechte der Gutachter und die Unterlagen aus dem Genehmigungsverfahren unterliegen dem Schutz von Betriebsgeheimnissen. Der Beklagte gab dem Antrag auf Akteneinsicht nach dem UIG beschränkt statt.
Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch und argumentierte, dass das Akteneinsichtsgesuch rechtsmissbräuchlich sei, da es der Beigeladenen lediglich um die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Planung der eigenen Windenergieanlage ginge. Dies sei mit der ratio des UIG nicht vereinbar.
Die Beklagte wies den Widerspruch umfänglich zurück, woraufhin die Klägerin Klage erhob. In der Begründung wies sie darauf hin, dass die technischen Gutachten schon keine Belange des Umweltschutzes darstellten. Die missbräuchliche Antragstellung ergebe sich außerdem aus dem Umstand, dass die Beigeladene unmittelbare Mitbewerberin sei und darauf abziele, das Planungsvorhaben der Klägerin zu verhindern. Die Beklagte sowie auch die Beigeladene beantragten die Abweisung der Klage.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage als zulässig, aber unbegründet ab. Es definierte zunächst den Begriff der Umweltinformationen nach UIG und bestätigte, wie auch schon alle vorgenannten Gerichte ein weites Verständnis des Begriffs, der grundsätzlich auch alle Daten, die im Zusammenhang mit umweltrelevanten Maßnahmen oder Tätigkeiten stehen, umfasst. Dazu zählten nach Ansicht des Gerichts auch die Unterlagen zum immissionsschutzrechtlichen Verfahren, womit der Anwendungsbereich nach UIG eröffnet war.
Anschließend widmete sich das Gericht den von der Klägerin vorgebrachten Ablehnungsgründen. Die Klägerin führte an, der Antrag auf Akteneinsicht sei offensichtlich missbräuchlich gestellt und daher gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG abzulehnen. Das Gericht folgte dieser Ansicht nicht. Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG sei der Schutz der informationspflichtigen Stellen vor Beeinträchtigung ihrer Arbeitsfähigkeit und –effektivität (sog. „behördenbezogener Missbrauch“). In Betracht käme vorliegend höchstens ein „verwendungsbezogener“ Missbrauch, der dann gegeben ist, wenn der Antragsteller die begehrten Informationen für nicht vom Gesetz gedeckte, außerhalb des Umweltschutzes liegende Zwecke verwenden will. Die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn die eigentliche Absicht des Antragstellers die Ausspähung bzw. Schädigung eines Konkurrenzunternehmens ist, ließ das Gericht hier offen, da ein verwendungsbezogener Missbrauch schon gar nicht vorliege. Dafür müsste der Antragsteller mit dem Auskunftsbegehren erkennbar ausschließlich zweckfremde, nicht umweltbezogene Eigeninteressen verfolgen. Nicht ausreichend sei hingegen, wenn mit dem Antrag lediglich überwiegend oder jedenfalls teilweise auch andere, nicht umweltbezogene Interessen verfolgt werden.
Diese Ansicht entspräche auch der Zielsetzung der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG. Danach führe der Zugang zu Umweltinformationen in der Konsequenz auch zu einer Verbesserung des Umweltschutzes, etwa durch öffentliche Diskussionen. Die Beeinflussung der Verbesserung des Umweltschutzes könne dabei auch nur mittelbar sein. Nur, wenn unter keinem Gesichtspunkt zu erwarten sei, dass mit dem Informationsbegehren die Verbesserung des Umweltschutzes verfolgt werden kann, könne von einem verwendungsbezogenen Missbrauch gesprochen werden. Angesichts dieses strengen Maßstabs lehnte das Gericht das Vorliegen eines Missbrauchstatbestands ab. Unschädlich sei dabei, dass die Beigeladene als Betreiberin von Windenergieanlagen selbst den Betrieb einer Anlage in unmittelbarer Umgebung zur Klägerin plant, mit ihr im direkten Wettbewerb steht und ein überwiegend privates Interesse an der Erteilung der begehrten Informationen hat – es könne ihr trotz allem nicht von vornherein jeder Bezug zu der vom UIG bezweckten Offenheit und Transparenz im Umgang mit Umweltinformationen abgesprochen werden. Obgleich die Informationen der Beigeladenen bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit den Eigentümern des Grundstücks, auf dem sie die Errichtung ihrer Windenergieanlage plant, dienen sollen, könne ihr Interesse dennoch umweltbezogen und innerhalb der Zielsetzung des UIG definiert werden, da sie schließlich mit ihrem Ersuchen Interesse daran habe, ihre eigenen umweltbezogenen Belange – die Errichtung einer Windenergieanlage – durchzusetzen. Der Umweltbezug entfiele nicht dadurch, dass die Beigeladene auch bzw. sogar überwiegend wirtschaftliche Interessen verfolgt. Das Gericht ging sogar so weit zu sagen, das Informationsbegehren der Beigeladenen wäre selbst dann nicht missbräuchlich, wenn es nur dazu dienen würde, an Informationen zu gelangen, um damit das Planungsvorhaben der Klägerin zu verhindern. Denn selbst das könne die Verbesserung des Umweltschutzes bezwecken.
Weiterhin widersprach das Gericht auch dem Vorliegen des Ablehnungsgrundes des Schutzes von Rechten am geistigen Eigentum, insbesondere von Urheberrechten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG. Gem. § 2 Abs. 2 UrhG sind nur persönliche geistige Schöpfungen Werke im Sinne dieses Gesetzes, sie müssen einen geistigen Gehalt aufweisen und durch eine gewisse Gestaltungshöhe Ausdruck der individuellen Leistung des Urhebers sein. Anwaltsschriftsätze, behördliche Prüfungsvermerke und Ähnliches gehören regelmäßig nicht dazu. Auch die streitgegenständlichen Gutachten unterfielen nicht dem Urheberrechtsschutz, da sie nicht ersichtlich mit einem individuellen gestalterischen Anspruch geschaffen wurden, es mangele an der erforderlichen (Mindest-)Schöpfungshöhe. Es sei davon auszugehen, dass vorliegend zwei unabhängig voneinander arbeitende Urheber zu den gleichen und damit nicht zu individuellen Ergebnissen gekommen wären. Es mangele an der erforderlichen Eigenart, da Aufbau und Einordnung der Gutachten aus Sachgründen zwingend geboten seien. Die Zweckmäßigkeit gerade solch technischer Gutachten schließe die originelle Gestaltung aus. Sowohl bei Erstellung des Turbulenzen-, des Schattenwurf-, als auch Schallimmissionsgutachtens beschränke sich die Bewertung der Gutachter auf die korrekte Anwendung der gesetzlichen Regelungen und der technischen Vorgaben auf den Sachverhalt. Der Gestaltungsspielraum sei dabei derart verengt, sodass davon auszugehen sei, dass jeder andere Sachverständige die Darstellungen ähnlich vorgenommen hätte und zu gleichen Ergebnissen gekommen wäre. Dies sei allein schon zwingende Folge der sicherheitsbezogenen Notwendigkeit zur Sicherstellung der technischen Integrität von Windenergieanlagen.
Schließlich sei der Antrag auch nicht aus Gründen des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Einklang mit § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG abzulehnen. Dies begründete das Gericht damit, dass es sich bei der Windenergieanlage der Klägerin um eine genehmigungsbedürftige Anlage handele, die nur im vereinfachten Genehmigungsverfahren gem. § 19 BImSchG genehmigungs-pflichtig sei. Danach finden die Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung und Auslegung der Unterlagen im Sinne von § 10 Abs. 2 und 3 BImSchG hier gerade keine Anwendung. Insbesondere angesichts der Bedeutung des Anspruchs auf Zugang zu Umweltinformationen müsse ein betroffenes Unternehmen nachvollziehbar und plausibel darlegen, dass eine Zugänglichmachung der begehrten Informationen geeignet ist, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren. Dem habe die Klägerin nicht genügt. Es sei mit Blick auf das Schallimmissionsgutachten etwa nicht ersichtlich, inwiefern die Berechnungen und Messungen ein exklusives technisches bzw. kaufmännisches Wissen darstellen.
4. Verwaltungsgericht Karlsruhe – Die Definition von „Boden“
Das - nicht rechtskräftige - Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (VG Karlsruhe 14. Kammer, Urteil vom 30. September 2021, Az: 14 K 2520/20) schließlich, welches am 30. September 2021 erging, dient im Vergleich mit den vorstehenden Entscheidungen vorrangig als Beispiel für einen Sachverhalt, in dem es evident nicht um Umweltinformationen geht.
Daher soll hier nur in gebotener Kürze auf die relevanten Passagen eingegangen werden.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Vorsitzenden eines Obst- und Gartenbauvereins (Kläger) gegen das zuständige Stadtplanungsamt (Beklagte) auf Erteilung von Informationen über Daten (Lage und Größe) bestimmter städtischer Grundstücke nach dem Umweltinformationsgesetz als unbegründet zurück.
Der Kläger war der Ansicht, er habe Anspruch auf die von ihm begehrten Informationen nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 Umweltverwaltungsgesetz Baden-Württemberg (UVwG), da durch die Norm der Zugang zu Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen gewährleistet werden soll, wobei „Boden“ als ein solcher Umweltbestandteil ausdrücklich aufgeführt sei. Da sein Begehren den rechtlichen Zustand des Umweltbestandteils „Boden“ betreffe, fiele es in den Anwendungsbereich des UVwG. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers unter Verweis darauf, dass es sich bei den vom Kläger begehrten Informationen um Eigentumsverhältnisse handele, und nicht um eine Frage der Beschaffenheit von Boden oder sonstigen Umweltbestandteilen, ab. Nachdem die Beklagte auch den Widerspruch des Klägers zurückwies, erhob dieser Klage vor dem Verwaltungsgericht.
Das Gericht wies die Klage als unbegründet zurück und folgte in seiner Urteilsbegründung weitgehend der Argumentation der Beklagten. Der Anwendungsbereich des § 24 Abs. 1 UVwG sei weder in Hinblick auf Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 UVwG), noch auf Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder den Schutz von Umweltbestandteilen bezwecken (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 UVwG) eröffnet. Zwar verwies auch hier das Verwaltungsgericht auf die uns schon bekannte Europäische Richtlinie 2003/4/EG und die grundsätzlich weite Auslegung des Begriffs der Umweltinformationen und räumte ein, dass der durchaus auslegungsfähige Wortlaut des § 23 Abs. 3 Nr. 1 UVwG prinzipiell offen für ein weites Verständnis von Umweltinformationen sei. Anschließend führte es jedoch aus, dass die vom Kläger vorgenommene Auslegung den Anwendungsbereich überdehne und nicht vom Sinn und Zweck der Regelung gedeckt sei. Es sei ein „gewisser Umweltbezug“ erforderlich, um unter den Schutz des UVwG zu fallen. Vom Anwendungsbereich ausgenommen seien etwa „umweltneutrale“ Informationen, also solche, die keinen Bezug zur tatsächlichen Beschaffenheit des jeweiligen Umweltmediums aufweisen.
Mit Blick auf dem Umweltbestandteil „Boden“ führte das Gericht konkret aus, dass etwa Informationen über das Vorhandensein von Bodenschätzen im Sinne von § 3 BBergG, Messlinien und Messdaten nach § 123 BBergG zur Ermittlung von Bewegungen und Veränderungen an der Tagesoberfläche, das Grubenbild nach § 63 Abs. 2 BBergG oder auch die Dioxinbelastungen in Tongruben diesen „gewissen Umweltbezug“ aufweisen – Informationen zur Entwicklung und Veräußerung von Wegparzellen dagegen nicht.
Schließlich erläuterte das Verwaltungsgericht noch, dass auch eine Informationserteilung nach § 1 Abs. 2 Landesinformationsgesetz Baden-Württemberg (LIFG) nicht in Frage käme, da der Anspruch gem. § 1 Abs. 3 LIFG aufgrund vorrangiger spezialgesetzlicher Regelungen des Informationszugangs ausscheidet. Im vorliegenden Fall handele es sich bei dieser vorrangigen Regelung um die der Grundbuchordnung (GBO), da für solche Informationen, wie der Kläger sie begehrt, der § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO Einsicht in das Grundbuch gestatte.
5. Resümee
Die zum Teil doch sehr unterschiedlichen Aussagen der Verwaltungsgerichte zum Begriff der „Umweltinformation“ und dem Anwendungsbereich des jeweils maßgeblichen Umweltinformationsgesetzes werfen mehr Fragen als Antworten auf. Folgende Thesen mögen ein wenig Klarheit schaffen:
Das VG Leipzig macht eine nachtvollziehbare Unterscheidung zwischen den Renaturierungsmaßnahmen, welche Umweltbelange darstellen, da sie ganz klar Auswirkungen auf Umweltbestandteile haben oder zumindest die Möglichkeit einer Auswirkung besteht, und der davon losgelösten rein fiskalischen Sicherung dieser Maßnahmen, die nicht mehr den Umweltschutz bewirken, sondern den Haushalt schützen soll.
- (1) Demnach ist ein Indiz für die Beantwortung der Frage, ob es sich um Umweltinformationen nach dem UIG handelt oder nicht, die Zielsetzung der jeweiligen Maßnahme – geht es um Umweltschutz oder fiskalische Interessen?
Das VG München lässt in seiner Begründung eine eindeutige Haltung zu dem Begriff der Umweltinformationen erkennen. Es legt den Begriff nicht nur merklich enger als die anderen Verwaltungsgerichte aus, sondern gibt überdies auch noch den Ablehnungsgründen Vorrang. Das VG München setzt sich über die Europäische Rechtsprechung hinweg.
- (2) Das VG München lässt einen „gewissen Umweltbezug“ nicht ausreichen, sondern fordert einen „hinreichend potentiellen Wirkungszusammenhang“.
Dabei stimmt es jedem der vom Beklagten angeführten Ablehnungsgründe zu, was anlässlich der grundsätzlich weiten Auslegung des Begriffs der Umweltinformation und auch dem Erwägungsgrund aus der Europäischen Umweltinformationsrichtlinie, der den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen betont, überrascht.
Sowohl das VG München als auch das VG Frankfurt
(Oder) befassen sich mit dem Ablehnungsgrund der missbräuchlichen Antragsstellung. Im Vergleich zum Münchner Urteil geht es im Frankfurter Urteil jedoch nicht um Missbrauch in Bezug auf Behörden, sondern eines Wettbewerbers.
- (3) Das VG Frankfurt (Oder) formuliert die Anforderungen an das Bestehen von Ablehnungsgründen dabei deutlich höher als das VG München.
Wo das VG München den Antrag des Klägers aufgrund von Missbrauch des BayUIG als Instrument der Überwachung und Ausforschung der Umweltbehörde ablehnte, argumentierte das VG Frankfurt (Oder), dass der Antrag selbst dann nicht missbräuchlich wäre, wenn es dem Antragsteller primär und ausdrücklich darum ginge, das Planungsvorhaben eines Konkurrenten mit dem Auskunftsbegehren zu verhindern, da dennoch nicht ausgeschlossen werden könne, dass dieses Auskunftsbegehren letzten Endes in irgendeiner Weise eine Verbesserung des Umweltschutzes bewirken könnte. Hätte das VG München das Antragsbegehren des Klägers an diesem Maßstab gemessen, wäre es wahrscheinlich nicht zu der Annahme eines Missbrauchs gekommen.
Die Begründung des VG Karlsruhe hilft angesichts des evidenten Mangels eines Umweltbezugs der vom Kläger begehrten Informationen nur bedingt bei der Eingrenzung des schwammigen Erfordernisses eines „gewissen Umweltbezugs“.
- (4) Festhalten kann man nach VG Karlsruhe lediglich, dass es um die Beschaffenheit, das tatsächliche Element des Umweltbestandteils gehen muss, nicht etwa um Eigentumsverhältnisse.
6. Ausblick
Verlässliche Maßstäbe dafür, was einen Antragsteller nach UIG erwartet, vermitteln die vorstehenden Urteile nicht. Ein Umweltbezug muss vorliegen – doch die Anforderungen daran, wann dieser gegeben ist und wann nicht, können von Gericht zu Gericht anders ausfallen. Noch unsicherer wird es, sobald Ablehnungsgründe ins Spiel kommen. Vergleicht man die Argumentationen des VG München und des VG Frankfurt (Oder), scheint es fast so, als ob beide Gerichte vom Ergebnis her argumentieren. Eine eindeutige Rechtsprechungstendenz lässt sich jedenfalls noch nicht erkennen.
- EuGH, Urteil vom 12.6.2003 – C-316/01
- „Der erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und die Verbreitung dieser Informationen tragen dazu bei, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern.“
- „… Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich genetisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkung zwischen diesen Bestandteilen,“
- VG München, Urteil v. 2.9.2015 – M 9 K 14.4149, Rn. 30.
- EuGH, U.v. 20.1.2021 –C-619/19, Rn 44, 50, 57, 65.
Autorinnen: Liane Thau und Inga Gerson