BAG: Anspruch auf betriebsverfassungsrechtliche Präsenzschulung

Frankfurt am Main, 04.03.2024

Die Übernahme von Kosten für Schulungen und Fortbildungen von Mitgliedern der Personalvertretungen durch den Arbeitgeber führt nicht selten zu Konflikten. Das BAG hatte sich zuletzt mit der Frage beschäftigt, ob Arbeitgeber Mitglieder der Personalvertretung auf kostengünstigere Onlineschulungen anstelle von Präsenzschulungen verweisen dürfen.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin ist eine in Nordrhein-Westfalen ansässige Fluggesellschaft. Durch Tarifvertrag ist eine Personalvertretung errichtet, deren Schulungsanspruch sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) richtet.

Die Personalvertretung schickte zwei neue Mitglieder des Gremiums auf eine mehrtägige Vor-Ort-Präsenzschulung zu den Grundlagen des BetrVG nach PotsdamFür denselben Zeitraum bot derselbe Schulungsanbieter ein inhaltsgleiches Webinar an. Dort bestand die Möglichkeit, schriftlich Fragen über eine Chatfunktion zu stellen oder live beim Schulungsreferenten anzurufen. Die Teilnahme an einer in örtlicher Nähe zur Arbeitgeberin angebotenen Grundlagenschulung zum BetrVG war aus dienstlichen Gründen nicht möglich.

Die Arbeitgeberin übernahm zwar die Seminargebühren, lehnte aber die Übernahme der Unterbringungs- und Verpflegungskosten in Höhe von circa EUR 1.000,00 ab. Die Arbeitgeberin begründete dies damit, dass die Mitglieder der Personalvertretung an dem zeit- und inhaltsgleich angebotenen mehrtägigen Webinar desselben Schulungsanbieters hätten teilnehmen können.

Entscheidung

Das BAG hat die Arbeitgeberin mit Beschluss vom 7. Februar 2024 (Az.: 7 ABR 8/23, bislang nur als Pressemitteilung verfügbar) zur Erstattung der Unterbringungs- und Verpflegungskosten verpflichtet.

Auch wenn eine Begründung der Entscheidung noch aussteht, hat das BAG bereits in der Pressemeldung darauf hingewiesen, dass Personalvertretungen bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder ent-senden, ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommt. Dieser umfasst grundsätzlich auch die Art des Schulungsformats. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernach-ung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.

Auf den Beurteilungsspielraum der Personalvertretungen bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsenden, hatte bereits das LAG Düsseldorf als Vorinstanz (Beschl. v. 24.11.2022 – 8 TaBV 59/21) hingewiesen, so dass das BAG der Vorinstanz gefolgt ist. 

Im Ergebnis begründet das LAG Düsseldorf seine Entscheidung wie folgt:

Die Arbeitgeberin habe gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich die durch die Tätigkeit der Personalvertretung entstandenen Kosten zu tragen. Hierzu zählen auch die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Mitglieds der Personalvertretung an einer Schulungs-veranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstehen, sofern das bei dieser Schulung vermittelte Wissen für die Personalvertretung erforderlich ist.

Zwar müsse die Personalvertretung bei ihrer Entscheidung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, die betriebliche Situation und die mit der Schulungsveranstaltung ver-bundenen finanziellen Belastungen der Arbeitgeberin berücksichtigen. Allerdings habe sie bei der Auswahl zwischen verschiedenen Seminaren einen Beurteilungsspielraum.

Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen nach Auffassung der Personalvertretung als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, käme in Betracht, dass die Arbeitgeberin nur die Kosten für die preiswertere Veranstaltung tragen muss.

Im vorliegenden Fall vertrat das LAG Düsseldorf zugunsten der Personalvertretung, dass eine Präsenzschulung im Hinblick auf den zu erzielenden Lernerfolg wesentlich effektiver sei als eine Onlineschulung. Bei einer Präsenz-schulung sei ein intensiverer Austausch und eine Diskussion über bestimmte Themen zwischen Teilnehmer und Referent in Präsenz besser möglich, da die Hemmschwelle, sich an Diskussionen zu beteiligen, deutlich geringer sei als im Falle einer Onlineschulung.

Die Personalvertretung durfte daher davon ausgehen, dass ein qualitativ inhaltsgleiches Webinar qualitativ nicht vergleichbar mit einer Präsenzschulung sei.

Hinweise für die Praxis

Ob sich das BAG der Begründung des LAG Düsseldorf vollumfänglich angeschlossen hat, ist bis zur Veröffentlichung der Entscheidungsgründe derzeit noch offen.

Aber bereits jetzt lässt sich Folgendes festhalten:

Arbeitgeber werden die Kostenerstattung für Präsenzschulungen künftig nicht mehr allein unter Verweis auf ein günstigeres Onlineschulungsangebot ablehnen können.

Auch wenn Präsenzschulungen aufgrund der Diskussions- und Austauschmöglichkeiten für Personalvertretungen unter Umständen effektiver sein mögen als Onlineschulungen, spricht das BAG den Personalvertretungen jedoch keinen generellen Anspruch auf die Teilnahme an Präsenzschulungen zu.

Im vorliegenden Fall war nämlich auch zu berücksichtigen, dass eine Beteiligung im Rahmen des zeitgleich angebotenen Seminars lediglich über eine Chatfunktion oder einen Anruf beim Referenten und gerade nicht durch direktes beziehungsweise aktives Nachfragen per Mikrofon (während des Seminars) möglich war.

Insoweit dürfte es – unter Beachtung der nunmehr gesetzten Leitplanken – auf den jeweiligen Einzelfall und die Begleitumstände ankommen, so dass Aspekte wie Inhalt und Komplexität des Seminarthemas, Vorwissen der Mitglieder der Personalvertretung oder Zeitdauer des Seminars zukünftig eine größere Rolle spielen dürften.

Der Arbeitgeber sollte somit die Schulungsauswahl sowie die jeweiligen Teilnahmebedingungen insbesondere bei örtlich entfernten Präsenzschulungen im Einzelfall konkret prüfen, dabei jedoch stets den Beurteilungsspielraum der Personalvertretung berücksichtigen.

Insoweit kann es sich anbieten, mit der Personalvertretung eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass dem Arbeitgeber gewisse Informationen vor der Buchung bzw. Teilnahme an einer Schulung mitzuteilen sind, um diesem eine entsprechende Prüfung zu ermöglichen.

Zudem kann darüber nachgedacht werden, die für die jeweilige Entscheidung des Arbeitgebers maßgeblichen Gründe (schriftlich) zu dokumentieren. Dies ist auch vor dem Hintergrund empfehlenswert, dass nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eine Strafe droht, wenn der Arbeitgeber seine ihm nach § 40 BetrVG obliegende Pflicht verletzt und er dadurch die Arbeit des Betriebsrats behindert.

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