Die Grunderwerbsteuer nach der Reform 2021: Wie funktionieren Share Deals nach den verschärften Regelungen?

Köln, 05.10.2021

Immobilien Share Deals

Im GÖRG Newsletter Immobilienwirtschaftsrecht 02.2018 wagten wir einen Ausblick auf die grunderwerbsteuerliche Zukunft von Share Deals. Die Finanzministerkonferenz stellte damals, im Juni 2018, ihre Pläne für eine Reform des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) vor. Der Gesetzgeber verfolgte das Ziel, Lücken zu schließen, die bislang insbesondere von größeren Marktteilnehmern ausgenutzt wurden, um Immobilientransaktionen durchzuführen, ohne Grunderwerbsteuer auszulösen.

Nunmehr, rund drei Jahre später, ist die Reform umgesetzt. Die Änderungen entsprechen weitestgehend dem Vorschlag aus dem Juni 2018. Die Änderungen sind seit dem 1. Juli 2021 in Kraft. Die bislang geltenden Beteiligungsgrenzen von 95 Prozent wurden auf 90 Prozent abgesenkt und die Fünfjahreszeiträume auf zehn Jahre verlängert.  

Daneben ist mit § 1 Abs. 2b GrEStG eine gänzlich neue Vorschrift eingeführt worden, wonach nun – wie zuvor schon bei Personengesellschaften – auch bei Kapitalgesellschaften der bloße Gesellschafterwechsel Grunderwerbsteuer auslösen kann. 

Das Grundprinzip

Der Grunderwerbsteuer unterliegen nicht nur Rechtsvorgänge, welche sich unmittelbar auf ein Grundstück beziehen (Asset Deals), sondern auch bestimmte Übertragungen von Anteilen an grundstücksbesitzenden Gesellschaften.

In diesem System der sogenannten Share Deals konnten bislang im Wesentlichen zwei Tatbestände unterschieden werden:

Der erste Tatbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) betrifft nur Personengesellschaften, also in der Praxis vor allem Kommanditgesellschaften (einschließlich GmbH & Co. KG). Bei einer Änderung im Bestand der Gesellschafter der Personengesellschaft wurde danach bislang Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn sich innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren direkt oder indirekt ein Gesellschafterwechsel von mindestens 95 Prozent vollzog. Hierdurch sollen solche 


Sachverhalte der Grunderwerbsteuer unterliegen, in denen aufgrund des umfassenden Wechsels im Bestand der Gesellschafter quasi eine „neue“ Gesellschaft involviert und insoweit ein Rechtsvorgang betreffend das Grundstück selbst angenommen werden kann. Irrelevant ist, auf wie viele Neugesellschafter sich die 95 Prozent beziehen; das heißt, auch eine Verteilung auf beliebig viele Neugesellschafter löst Grunderwerbsteuer aus, ohne dass einer von ihnen eine bestimmte Mindestbeteiligung innehaben muss. 

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG findet keine Anwendung auf Kapitalgesellschaften. Das heißt, bei einer GmbH konnte durch einen bloßen Wechsel im Gesellschafterbestand bislang keine Grunderwerbsteuer ausgelöst werden (vorausgesetzt es kam nicht zu einer Anteilsvereinigung). 

Der zweite Tatbestand (§ 1 Abs. 3 GrEStG) hingegen findet nicht nur auf Personen-, sondern auch auf Kapitalgesellschaften Anwendung. Hiernach unterlag es bislang der Grunderwerbsteuer, wenn sich (vereinfacht) mindestens 95 Prozent der Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft in der Hand eines Erwerbers vereinigten. Anders als für den beschriebenen § 1 Abs. 2a GrEStG war es insoweit nicht erforderlich, dass sich diese sogenannte Anteilsvereinigung innerhalb eines bestimmten Zeitraums vollzog. Für die Fälle der wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) gilt das gleiche Prinizip.

Der neue Tatbestand

Die wichtigste Änderung kommt mit dem neuen § 1 Abs. 2b GrEStG. 

Unter denselben Voraussetzungen wie beim bereits existenten § 1 Abs. 2a GrEStG, der nur Personengesellschaften erfasst, wird nach dem neuen § 1 Abs. 2b GrEStG nun auch bei Kapitalgesellschaften Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn sich innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren der Gesellschafterbestand derart ändert, dass mindestens 90 Prozent der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Damit sind die bislang möglich gewesenen Co-Investoren-Modelle, bei denen ein Hauptinvestor die Anteile knapp unterhalb der tatbestandsauslösenden Beteiligungsschwelle erwarb und ein Co-Investor gleichzeitig die verbleibenden Anteile (sogenannte Club Deals), nunmehr ausgeschlossen. 

Zur Vermeidung einer übermäßigen Besteuerung enthält  § 1 Abs. 2c GrEStG eine sogenannte Börsenklausel. Diese Ausnahmeregelung soll jedenfalls für solche Anteilsübertragungen gelten, die aufgrund eines Geschäfts über einen qualifizierten Börsenplatz, einen äquivalenten Dritthandelsplatz oder ein sonstiges der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR) unterfallendes, multilaterales Handelssystem (MTF) erfolgen.

Die weiteren Verschärfungen

Zudem sind die bislang bestehenden Vorschriften verschärft worden.

Die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG konnte in der Vergangenheit vermieden werden, indem man den 95-prozentigen Gesellschafterwechsel über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren ausdehnte. 

Die Neuregelung hat nunmehr diesen Fünfjahreszeitraum auf zehn Jahre ausgedehnt und die 95-Prozent-Schwelle auf 90 Prozent herabgesetzt. Diese Schwellen gelten auch im neuen § 1 Abs. 2b GrEStG. 

Auch die Anteilsvereinigung des § 1 Abs. 3 GrEStG kam bislang nicht zum Tragen, wenn ein 94,9-Prozent-Investor gemeinsam mit einem 5,1-Prozent-Investor alle Anteile an einer grundbesitzenden GmbH übernahm. Erst die spätere Übernahme der verbleibenden 5,1 Prozent (nunmehr 10,1 Prozent) nach Ablauf von fünf (nunmehr zehn) Jahren löste Grunderwerbsteuer bezogen auf den Kaufpreis für die verbleibenden Anteile aus. Zuvor war bereits durch Einfügung des Tatbestands des § 1 Abs. 3a GrEStG eine wirtschaftliche Anteilsvereinigung als Steuertatbestand eingeführt worden. Unter der Neuregelung liegt die bisherige 95-Prozent-Grenze auch hier nun bei 90 Prozent.

Die neuen Beteiligungsgrenzen sind grundsätzlich für ab dem 1. Juli 2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge anzuwenden. Unter Annahme der alten Beteiligungsgrenzen aufgestellte Erwerbsstrukturen dürften, soweit der vormalige Fünfjahreszeitraum noch nicht abgelaufen ist, nicht mehr zu einem grunderwerbsteuerfreien Erwerb führen.

Weiterhin gelten die alten Regelungen mit der Schwelle von 95 Prozent subsidiär fort. Hierdurch soll vermieden werden, dass eine Beteiligung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft von aktuell zum Beispiel 94,9 Prozent auf 100 Prozent aufgestockt werden kann. Für Personengesellschaften gilt Vertrauensschutz, wenn die bisherige fünfjährige Frist zum 1. Juli 2021 bereits abgelaufen ist.

Es bestehen zahlreiche rechtliche Unsicherheiten im Hinblick auf die Neuregelungen. Anders als § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG enthält § 1 Abs. 2b GrEStG zum Beispiel keine Subsidiaritätsregel, nach der § 1 Abs. 2a GrEStG vorrangig anzuwenden ist. Rechtsvorgänge, die beide Tatbestände erfüllen, sind jedoch durchaus denkbar. Da auch die Anrechnungsvorschrift des § 1 Abs. 6 GrEStG auf die beiden Tatbestände nicht anwendbar ist, stellt sich die Frage, ob durch denselben Vorgang mehrfach Grunderwerbsteuer ausgelöst werden könnte.

Die Folgen für die (Beratungs-)Praxis

Herkömmliche Club Deals und RETT-Blocker-Strukturen sind nicht mehr möglich.

Die Konsequenzen der Neuregelung für die unternehmerische Transaktionspraxis sind immens. Die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG führt dazu, dass ein vollständiger Abverkauf der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft (also ein Exit von 100 Prozent) nicht mehr ohne Anfall von Grunderwerbsteuer möglich ist. Der bisherigen Praxis der Club Deals und RETT-Blocker-Strukturen, das heißt des Erwerbs von 94,9 Prozent durch den Hauptinvestor und die Übernahme des restlichen Anteils von 5,1 Prozent durch den „mitgebrachten“ Co-Investor, ist durch die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG die Grundlage entzogen.

Nach der Reform kann die Grunderwerbsteuer bei Share Deals künftig nur noch vermieden werden, wenn – aufgrund der Absenkung der Beteiligungsgrenzen von 95 Prozent auf 90 Prozent – maximal 89,9 Prozent der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft verkauft werden und ein Ankerinvestor als sogenannter Altgesellschafter verbleibt, der die restlichen 10,1 Prozent an der grundbesitzenden Gesellschaft hält. Für weitere zehn Jahre darf es zu keinen (mittelbaren) Anteilsverschiebungen in Höhe von mindestens 90 Prozent kommen. Als solche Ankerinvestoren können sich langfristig orientierte Investoren eignen, zum Beispiel natürliche Personen oder Stiftungen. Als Ankerinvestor kommt auch der Verkäufer in Betracht, wenn dieser 10,1 Prozent der Anteile an der immobilienbesitzenden Gesellschaft für mindestens zehn Jahre zurückhält. Möglicherweise wird sich hier auch ein neuer Markt bzw. eine neue Investorenklasse herausbilden.

Bei Projektentwicklungen kann es sich anbieten, den späteren Erwerber möglichst frühzeitig vor dem Erwerb der Immobilie an der Projektgesellschaft zu beteiligen.

Wahrscheinlich ist auch, dass Immobilien in Zukunft wieder vermehrt durch Asset Deals erworben werden. Denn wenn der Anfall von Grunderwerbsteuer ohnehin nicht vermieden werden kann, könnte es sich für den Erwerber anbieten, etwa ohne Durchführung einer Share Deal Due 
Diligence einen einfacheren Asset Deal umzusetzen, ohne rechtliche Risiken über einen Share Deal mit einkaufen zu müssen.

Zudem hat die Reform zur Folge, dass sich für Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz erhöhte Deklarations- und Überwachungspflichten ergeben. Denn je nach Anteilseignerstruktur kann die Überwachung der relevanten (mittelbaren) Anteilsübertragungen ausgesprochen aufwendig, komplex und ggf. sogar unmöglich sein. Auch außerhalb des Immobiliensektors (zum Beispiel in 
international aufgestellten Konzernen mit einer nicht börsennotierten ausländischen Holding) können Umstrukturierungen der Gruppe zum Anfall von Grunderwerbsteuer führen, ohne dass der betreffende ausländische Konzern bzw. seine deutsche (grundbesitzhaltende) Tochtergesellschaft davon Kenntnis hat. 

Während bei Immobilientransaktionen immer noch etwas Gestaltungspotenzial verbleibt, kann die Grunderwerbsteuer für Unternehmen außerhalb der Immobilienwirtschaft zu einer echten Unternehmenssteuer werden.

Autoren: Dr. Adalbert Rödding, Sven Uetermeyer

 

 

Newsletter: Neues aus dem Immobilienwirtschaftsrecht 02/2021

Dieser Beitrag ist Teil der Ausgabe 02/2021 unseres Newsletters Immobilienwirtschaftsrecht, mit dem wir Sie regelmäßig mit aktuellen Informationen und Erläuterungen zu interessanten Entwicklungen versorgen.

Die aktuelle Ausgabe befasst sich mit folgenden Themen: 

  1. Die Grunderwerbsteuer nach der Reform 2021: Wie funktionieren Share Deals nach den verschärften Regelungen? [hier mehr dazu]
  2. Weiterhin Berechnung des Schadens nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht – keine Angleichung an das Werkvertragsrecht [hier mehr dazu]
  3. Die Ausübung von Dienstbarkeiten gegen Zahlung eines Entgelts am Beispiel von Stellplatzdienstbarkeiten – Neuigkeiten vom BGH [hier mehr dazu]
  4. Notwegerecht trotz Blockierung durch selbst herbeigeführte Bebauung eines Nachbargrundstücks [hier mehr dazu]
  5. Grundstücksgeschäfte der öffentlichen Hand: Vergaberechtsfreier Mietvertrag oder vergaberechtsrelevanter Bauauftrag? [hier mehr dazu]

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