Besprechung zu BGH, Urt. v. 25. November 2015 – XII ZR 114/14
Einführung
Gewerbliche Mietverträge haben typischerweise eine Festlaufzeit von mehreren Jahren. Nach § 550 S. 1 BGB gilt ein Mietvertrag mit einer Festlaufzeit von mehr als einem Jahr jedoch trotzdem als unbefristet, wenn er nicht in schriftlicher Form geschlossen wurde. Diese Maßgabe gilt unverrückbar u. a. auch für gewerbliche Mietverträge, da § 550 S. 1 BGB nicht durch vertragliche Vereinbarung abbedungen werden kann.
Sinn und Zweck des sog. gesetzlichen Schriftformerfordernisses ist der Schutz eines künftigen Erwerbers der Immobilie. Denn dieser tritt nach § 566 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes in etwaige von dem Veräußerer in Bezug auf das Grundstück geschlossene Mietverträge auf Vermieterseite ein. Er kann sich nur dann über Umfang und Inhalt seiner Rechte und Pflichten aus diesen Mietverträgen zuverlässig informieren, wenn diese – insbesondere inklusive aller ihrer vertragswesentlichen Inhalte – in einer schriftlichen Urkunde niedergelegt sind.
Folgen eines sog. Schriftformmangels
Gilt ein Vertrag als unbefristet, kann er gleichsam grundlos und jederzeit – d. h. unabhängig von der im Mietvertrag ursprünglich vereinbarten Festlaufzeit (!) – mit gesetzlicher Frist (d. h. ca. 6 Monaten) gekündigt werden. Das Kündigungsrecht steht beiden Parteien zu – also auch dem Mieter, der ggf. selbst an einer mündlichen Nebenabrede mitgewirkt hat. Schließlich macht das Gesetz die Rechtsfolgen von § 550 S. 1 BGB auch nicht davon abhängig, ob tatsächlich eine Weiterveräußerung des Grundstücks stattgefunden hat. Die Auswirkungen von § 550 S. 1 BGB auf die Praxis haben deshalb einen ganz anderen Pfad eingeschlagen, als der Gesetzgeber ursprünglich angedacht hatte.
Wesentlichkeits-Maßstab des BGH
Die Rechtsprechung hat vor diesem Hintergrund Wege gesucht, die einschneidende Wirkung des § 550 S. 1 BGB zu begrenzen, sodass nicht gleich jeder Schriftformverstoß zur Kündbarkeit eines Mietvertrages führt. Die Schriftform müsse bloß für alle wesentlichen Vertragsbedingungen gewahrt sein. Abreden, die lediglich von nebensächlicher Bedeutung sind, seien von dem Schriftformzwang ausgenommen.
Wesentlich seien insbesondere Regelungen über den Mietgegenstand, die Miete, die Vertragslaufzeit und die Parteien des Mietverhältnisses. Das Kriterium der Wesentlichkeit gelte sowohl für den ursprünglichen Mietvertrag als auch für spätere Vertragsänderungen. Eine solche Eingrenzung ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings vermag der Begriff der „Wesentlichkeit“ nicht unmittelbar Klarheit für den Rechtsanwender zu schaffen, so dass die Rechtsprechung insoweit eine breit gefächerte Kasuistik entwickelt hat.
Die Entscheidung des BGH vom 25.11.2015
In einer aktuellen Entscheidung nahm der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 25.11.2015 – XII ZR 114/14) Stellung zu der Frage, wann eine Abrede über die Änderung der Miete „wesentlich“ im Sinne des Schriftformerfordernisses ist. Nach Ansicht des Gerichts ist dies stets der Fall, jedenfalls soweit die Änderung für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht einseitig vom Vermieter widerrufen werden kann. Die Vorinstanzen hatten demgegenüber noch die Mieterhöhung, die im zu entscheidenden Fall ca. 1,5 % betrug, als nicht wesentlich angesehen.
Der Bundesgerichtshof hat somit die wohl überwiegende Ansicht in obergerichtlicher Rechtsprechung und Literatur zurückgewiesen, nach der die Veränderung der Miete im Verhältnis zur Gesamtmiete eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten müsse.
Dabei sei es laut Bundesgerichtshof unerheblich, ob sich die Mietänderung – wie die im Fall vorliegende Erhöhung – bloß zu Gunsten eines Erwerbers auswirken könne. Das ergebe sich schon daraus, dass § 550 S. 1 BGB, der beiden Parteien die Möglichkeit zur Kündigung biete, natürlich auch beide Vertragsparteien schützen wolle.
Anmerkung
Das jetzige Urteil bringt für die Praxis zweifellos ein Mehr an Rechtssicherheit. Nunmehr ist klar, dass jede Abrede zur Änderung der Miete unabhängig von ihrem Umfang eines schriftformgerechten Nachtrags zum Mietvertrag bedarf. In der Sache ist die Entscheidung jedoch verfehlt. Sie dehnt das Schriftformerfordernis aus, indem der Bundesgerichthof bei Änderungen der Miete faktisch auf das Wesentlichkeitskriterium verzichtet. Dadurch wird der Anwendungsbereich einer ohnehin wenig durchdachten und für die Praxis oft lästigen Norm erweitert.
Bewertung und Auswirkungen für die Praxis
Die Beachtung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses wird auch in Zukunft höchster Sorgfalt bedürfen, will man sich nicht dem Risiko einer vorzeitigen Kündigung aussetzen. Die Linie des Bundesgerichtshofs zwingt dazu, in Zweifelsfällen auf Nummer sicher zu gehen und einen schriftformgerechten Nachtrag zu schließen. Eine Änderung ist aber nicht nur „irgendwie“ schriftlich festzuhalten, sondern der schriftliche Nachtrag unterliegt bestimmten weiteren Formalien, um seinen Zweck zu erfüllen. Um hier Risiken zu vermeiden, ist in solchen Fällen eine Rücksprache mit einem fachkundigen Berater stets sinnvoll.