Bereits in unserem Legal Update vom 16.04.2024 „Gesetzesentwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz und geplante Änderungen im Mietrecht: Abschaffung der Schriftform?“ haben unsere Experten Sarah Theus und Patrick Wüstefeld (beide Köln, Immobilienwirtschaftsrecht) auf geplante Gesetzesänderungen im Immobilienwirtschaftsrecht im Zusammenhang mit dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz und mögliche Fallstricke hingewiesen. Der Bundestag hat nunmehr am 26.09.2024 das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet. Der Bundesrat muss diesem noch zustimmen.
In der Stellungnahme des Bundesrates vom 15.04.2024 zu den geplanten Änderungen hatte sich dieser dafür ausgesprochen, eine andere Lösung umzusetzen; dem ist der Bundestag jedoch nicht gefolgt.
Mit diesem Update möchten wir nochmals auf die Folgen der geplanten Gesetzesänderung für die Praxis und die ungelösten Fragen in diesem Zusammenhang hinweisen.
Bisherige Rechtslage zum Schriftformgebot bei Mietverträgen
§ 550 BGB regelt, dass für längere Zeit als ein Jahr geschlossene Wohnraummietverträge der strengen Schriftform im Sinne von § 126 BGB
oder § 126a BGB (elektronische Form) genügen müssen. Andernfalls gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen, kann also von beiden Parteien mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden. Die Vorschrift galt über den Verweis in § 578 BGB auch für Gewerbemietverträge und war nur dort praxisrelevant, da Wohnraummietverträge in der Regel ohnehin auf unbestimmte Zeit geschlossen werden. Die „Schriftformkündigung“ von Gewerbemietverträgen wurde vielfach genutzt, um sich von wirtschaftlich lästig gewordenen Verträgen zu lösen (oder zumindest den Vertragspartner durch die Androhung einer solchen Kündigung zu Vertragsverhandlungen zu bewegen). Die Rechtsprechung zu den genauen Anforderungen an die Einhaltung der strengen Schriftform und den (letztlich erfolglosen) Versuchen der Praxis, die Ausübung von Kündigungsrechten bei Schriftformfehlern durch vertragliche Schriftformheilungsklauseln zu verhindern, hat Generationen von Juristen beschäftigt.
Änderungen des Schriftformgebots durch das Bürokratieentlastungsgesetz
Mit dem Gesetz soll unter anderem das Schriftformerfordernis für langfristige Gewerbemietverträge aufgehoben werden. Nun soll aufgrund einer Änderung von § 578 BGB bei Gewerbemietverträgen die – vermeintlich – einfacher einzuhaltende Textform ausreichen. Ob damit die Probleme der Praxis gelöst werden, muss allerdings bezweifelt werden. Bereits in unserem Legal Update vom 16.04.2024 [https://www.goerg.de/de/aktuelles/veroeffentlichungen/16-04-2024/gesetzesentwurf-zum-buerokratieentlastungsgesetz-und-geplante-aenderungen-im-mietrecht-abschaffung-der-schriftform] haben unsere Experten Sarah Theus und Patrick Wüstefeld zum (insoweit unverändert beschlossenen) Gesetzesentwurf auf die zahlreichen Folgefragen hingewiesen, die sich durch die Gesetzesänderung ergeben.
Auch der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom 15.04.2024 (BR-Drucksache 129/1/24(neu)) Zweifel an der geplanten Änderung geäußert und sich hinsichtlich der Fragen der Schriftformregelungen für Mietverträge für einen anderen Lösungsansatz ausgesprochen: Danach würde es grundsätzlich bei dem Schriftformerfordernis bleiben, aber nur der Erwerber einer Gewerbeimmobilie könnte bei Vorliegen eines Schriftformmangels den Mietvertrag kündigen. Ebenfalls hatte der Bundesrat gebeten, im Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob und welche Regelungen für die Anforderungen für einen Vertragsschluss in Textform gelten sollen, da z.B. unklar sei, ob der gesamte Vertragsinhalt auf einem Datenträger enthalten sein muss oder ob eine Bezugnahme ausreichend ist oder wie eine solche zu erfolgen hat. Die Bundesregierung hat die Ausführungen des Bundesrates zu diesen Themen zur Kenntnis genommen, jedoch letztlich keinen Anlass zu einer Anpassung der geplanten Gesetzesänderungen gesehen (BT-Drucksache 20/11306).
Das Gesetz sieht eine Übergangsfrist von zwölf Monaten ab Inkrafttreten für die Anwendung der neuen Regelungen auf Bestandsmietverträge vor. Werden neue Mietverträge oder Nachträge zu bestehenden Mietverträgen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen, gelten für diese bereits die neuen gesetzlichen Regelungen. Damit wäre sofort ab Inkrafttreten des Gesetzes eine Änderung bestehender Gewerbemietverträge in Textform zulässig.
Das Gesetz ist noch nicht in Kraft. Der Bundesrat muss zuvor der Gesetzesänderung noch zustimmen.
Auswirkungen für die Praxis
In der Praxis kann die vorgesehene Ersetzung der Schriftform durch Textform nur einen Teil der bisherigen Probleme lösen und wirft gleichzeitig neue Fragen auf.
Erleichtert wird der Abschluss bzw. die Änderung von Gewerbemietverträgen zwar insoweit, als künftig der Austausch von Vertragsoriginalen mit „echten“ Unterschriften gesetzlich nicht mehr zwingend wäre, sondern der Austausch von PDF-Dokumenten oder sogar bloßen E-Mails ausreichend wäre. Allerdings dürfte die überwiegende Zahl der bestehenden Gewerbemietverträge ausdrückliche Schriftformklauseln enthalten, so dass bereits fraglich ist, ob diese Klauseln jetzt durch einen nicht der strengen Schriftform genügenden Nachtrag aufgehoben werden können. Abzuwarten bleibt, ob in der Praxis künftig der ausdrückliche vertragliche Ausschluss der Textform zum neuen Marktstandard wird.
Soweit künftig die Textform ausreicht, bleibt es natürlich dabei, dass eine saubere Dokumentation des (gewollten) Vertragsinhalts dringend zu empfehlen ist. Wenn wesentliche Vertragsinhalte – wie z.B. die genaue Lage der Mietfläche – unklar bleiben, weil z.B. dem in Textform geschlossenen Vertrag kein Lageplan beigefügt ist oder sich nicht mehr nachvollziehen lässt, welche von verschiedenen per E-Mail ausgetauschten Fassungen eines solchen Lageplans verbindlich sein sollte, kann dies auch künftig zu Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien führen.
Auch in der Erwerbsprüfung und für Grundstückskaufverträge stellen sich neue Herausforderungen: Zwar konnte es theoretisch auch bisher wirksame Nebenabreden außerhalb des schriftlich geschlossenen Vertrags geben (was dann im Zweifel einen Schriftformverstoß begründete). Jedenfalls bei wirtschaftlich bedeutenden Gewerbemietverträgen war es aber vernünftig, in der Erwerbsprüfung zu unterstellen, dass sich der Inhalt der Mietverträge abschließend aus den in Schriftform geschlossenen (und idealerweise sauber gebundenen) Originalverträgen ergibt. Soll ein Erwerber künftig auch die gesamte E-Mail Korrespondenz zwischen Vermieter (bzw. dessen Asset Manager) und Mieter daraufhin durchforsten, ob diese Änderungsabreden enthält? Oder werden Verkäufer dazu bereit sein, im Kaufvertrag zu garantieren, dass es solche in Textform geschlossenen Änderungsvereinbarungen nicht gibt?
Nicht zuletzt werden alle Beteiligten eines Gewerbemietverhältnisses künftig verstärkt darauf achten müssen, in jeglicher Textkommunikation deutlich zu machen, welche Erklärungen bindende Angebote zum Abschluss bzw. zur Änderung eines Gewerbemietvertrags sind, und welche Erklärungen z.B. noch unter Gremienvorbehalt stehen.
Im Ergebnis dürften es zum Formerfordernis bei gewerblichen Mietverträgen daher auch weiterhin einen erheblichen Beratungsbedarf und auch Rechtsstreitigkeiten geben, deren Inhalt sich lediglich verlagert.
Unser Experte Dr. Philipp Naab (Frankfurt, Immobilienwirtschaftsrecht) sagt dazu: „Das Ziel des Bürokratieabbaus ist löblich. Die bloße Ersetzung von Schriftform durch Textform führt aber eher zu größerer als zu weniger Rechtsunsicherheit, insbesondere für den Käufer einer Gewerbeimmobilie. Für Gerichte und Anwälte bleibt daher viel zu tun.“.