Anforderungen an die Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft durch die Taxonomie-Verordnung im Rahmen des europäischen „Grünen Deals“

Berlin, 08.03.2022

Beitragsbild_Immo Newsletter_02Der europäische „Grüne Deal“ (der sogenannte „Green Deal“) beschreibt ein Maßnahmenpaket, mit dessen Hilfe die Europäische Union das selbst gesetzte Ziel erreichen möchte, die Klimaneutralität des Kontinents bis zum Jahr 2050 zu erlangen.

Ein wesentlicher Aspekt der im Rahmen des europäischen „Grünen Deals“ geplanten Maßnahmen besteht darin, die Kapitalflüsse aus privaten Investitionen verstärkt in nachhaltige Wirtschaftstätigkeit und Projekte zu kanalisieren. Dies soll wesentlich dazu beitragen, den erheblichen Kapitalbedarf für die gesetzten Klimaziele zu decken.

Als Instrument zur Steuerung der Kapitalflüsse im Sinne der vorgenannten Neuausrichtung ist die Taxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852) verabschiedet worden. Sie soll eine Definition dafür liefern, welche Investitionen nachhaltige Wirtschaftstätigkeit betreffen und als solche zu begünstigen sind. 

Mit dem 1. Januar 2022 hat nun der erste Baustein der Taxonomie-Verordnung Wirksamkeit erlangt, der die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ umfasst.

Regelungsgehalt und Wirkungsweise der Taxonomie-Verordnung

Um eine einheitliche Regelung zur Beurteilung von wirtschaftlichen Tätigkeiten zu erreichen, beinhaltet die Taxonomie-Verordnung konkrete Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Damit soll der Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermittelt werden können.

Als ökologisch nachhaltig gilt eine Wirtschaftstätigkeit nach der Taxonomie-Verordnung (Artikel 3), wenn sie

  • einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer der Umweltziele der Taxonomie-Verordnung leistet,
  • die nicht zugleich zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines oder mehrerer (anderer) Umweltziele führt,
  • unter Einhaltung eines festgelegten Mindestschutzes rechtlicher Prinzipien ausgeübt wird und
  • den technischen Bewertungskriterien entspricht.

Die Taxonomie-Verordnung entfaltet unmittelbare und allgemeine Wirkung für die Mitgliedstaaten und Finanzmarktteilnehmer. Ein Umsetzungsakt ist nicht erforderlich.

Delegierte Rechtsakte

Die weitere Konkretisierung der Voraussetzungen der Taxonomie-Verordnung erfolgt durch sogenannte delegierte Rechtsakte, die insbesondere technische Bewertungskriterien implementieren können.

Am 2. Februar 2022 hat die EU-Kommission einen ergänzenden delegierten Rechtsakt zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel vorgelegt. Durch diesen viel diskutierten Rechtsakt wurden unter anderem bestimmte Gas- und Kernenergietätigkeiten, die zum Übergang zur Klimaneutralität beitragen, als Übergangstätigkeit im Sinne der Taxonomie Verordnung und damit als nachhaltig eingestuft. Dieser ergänzende delegierte Rechtsakt soll zum derzeitigen Stand mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Für das Baugewerbe und die Immobilienwirtschaft sind aktuell insbesondere die Regelungen des ersten delegierten Rechtsakts zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel (C/2021/2800) relevant. Dieser definiert in Ziffer 7 seiner Anlage 1 technische Bewertungskriterien für die Nachhaltigkeit von Neubauten und die Renovierung von Gebäuden. 

Auswirkungen der Taxonomie-Verordnung auf die Immobilienwirtschaft 

Für die meisten Akteure in der Immobilienwirtschaft stellt die Taxonomie-Verordnung mit ihren technisch konkretisierenden Rechtsakten zunächst keine unmittelbar wirkenden Regeln oder Vorgaben auf. Dennoch dürfte es in vielen Fällen aus unternehmerischer Sicht geboten sein, der Einhaltung von durch die Taxonomie-Verordnung aufgestellten Nachhaltigkeitskriterien besondere Beachtung zu widmen.

Direkte Adressaten der Verordnung sind die Europäische Union, ihre Mitgliedstaaten sowie Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen. Doch auch Unternehmen können unmittelbar spezifische Offenlegungspflichten treffen, die Veröffentlichungen von Informationen über die Nachhaltigkeit der betriebenen Wirtschaftstätigkeit erforderlich machen.

Ferner dürfte der Adressatenkreis der Taxonomie-Verordnung dazu führen, dass Unternehmen der Immobilienwirtschaft mittelbar durch die Kriterien der Taxonomie-Verordnung beeinflusst werden. Sobald öffentliche Förderungen infrage kommen oder Finanzmarktteilnehmer an Finanzierungen beteiligt werden sollen, kann die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien der Taxonomie-Verordnung zu einem wesentlichen Faktor werden.

Auch in Bezug auf unmittelbar für die Akteure in der Immobilienwirtschaft geltende Regelungen der nationalen Gesetzgeber – insbesondere für den Neubau und die Modernisierung von Gebäuden – kann angenommen werden, dass diese die Kriterien der Taxonomie-Verordnung als Mindeststandards berücksichtigen werden und darüber hinausgehende Verschärfungen begründen können.

In der Folge kann die Nachhaltigkeit von Immobilienprojekten zukünftig noch stärker als bisher zum wertbildenden Faktor für Immobilienprojekte werden. Durch fehlende Konformität der Projekte können insbesondere die Finanzierungskosten gegenüber nachhaltigen Projekten steigen. Auch könnten eventuell Veräußerungserlöse geringer ausfallen, wenn einige potenzielle Erwerber aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder vorsorglich von einem Erwerb von Immobilienprojekten Abstand nehmen, die nicht als nachhaltig gemäß den Standards der Taxonomie-Verordnung deklariert werden können.

Zusammenfassung

Hinsichtlich der Auslegung und Implementierung der Taxonomie-Verordnung sind noch nicht alle Fragestellungen abschließend geklärt. Insbesondere handelt es sich um ein Regelwerk, das erst in jüngster Zeit wirksam geworden ist und die meisten wirtschaftlich Handelnden zunächst nur mittelbar betrifft, sodass sich erst wenige praktische Erfahrungswerte entwickelt haben dürften. 

Die Taxonomie-Verordnung kann jedoch spätestens seit dem Beginn des Jahres 2022 zunehmend wirtschaftliche Auswirkungen entfalten. 

Auch kann die Taxonomie-Verordnung als weiteres Signal für Entscheidungsträger angesehen werden, dass mit wachsendem regulatorischem Druck zu rechnen sein wird, der dazu veranlassen soll, die wirtschaftliche Tätigkeit in der Immobilienbranche an den definierten Faktoren der Nachhaltigkeit auszurichten.

Dieses Signal kann gleichermaßen für Erwerbsentscheidungen gelten wie auch für die Strukturierung von Immobilienentwicklungen und Modernisierungen sowie für die Gestaltung von Mietverträgen und anderen wirtschaftlichen Verwertungstätigkeiten.

Vor diesem Hintergrund lässt sich die Empfehlung an alle Akteure in der Immobilienwirtschaft ableiten, Entwicklungen in Bezug auf die Taxonomie-Verordnung und die durch sie aufgestellten Nachhaltigkeitskriterien sorgfältig zu beobachten.

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