[] In unserem letzten Newsletter 3/2011 hatten wir über die Schlussanträge der Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache „Schulte" berichtet. Zwischenzeitlich hat der EuGH am 22. November 2011 seine Entscheidung getroffen, wobei er die von Arbeitgeberseite ersehnte Korrektur seiner Rechtsprechung zur Ansammlung von Urlaubsansprüchen im Fall langandauernder Arbeitsunfähigkeit vorgenommen hat.
Der EuGH hat klargestellt, dass Urlaubsansprüche auch im Fall langandauernder Erkrankung verfallen dürfen, sofern diese zuvor über einen angemessenen Zeitraum von 15 Monaten übertragen werden konnten.
Europarechtlich ist es damit nun möglich, eine unbegrenzte Ansammlung von Urlaubsansprüchen dahingehend einzuschränken, dass diese 15 Monate nach Ablauf des Urlaubjahres verfallen. Sofern keine entsprechende tarifvertragliche Regelung Anwendung findet, sollte hierzu eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag getroffen werden.
Jüngst hat sich allerdings das LAG Baden-Württemberg in einer ersten Reaktion der deutschen Rechtsprechung mit Urteil vom 21. Dezember 2011 (10 Sa 19/11) dafür ausgesprochen, den Verfall von Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer nach 15 Monaten unmittelbar in das deutsche Urlaubsrecht hineinzulesen. Nach Ansicht des LAG sollen die Urlaubsansprüche daher auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung – automatisch – spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen.
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ist zwar zu begrüßen, jedoch rechtlich überraschend. Das gesetzlich geregelte deutsche Urlaubsrecht sieht einen derartigen 15-Monats-Übertragungszeitraum bislang nicht vor. Auch eine dahingehende Auslegung findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze. Ob die – im Ergebnis wünschenswerte – Entscheidung des LAG vor dem Bundesarbeitsgericht in letzter Instanz Bestand haben wird, ist daher zweifelhaft. Um eine unbegrenzte Ansammlung von Urlaubsansprüchen sicher auszuschließen, ist deshalb zu empfehlen, den Übertragungszeitraum in den verwendeten Musterarbeitsverträgen vorzusehen und auch bei bestehenden Arbeitsverhältnissen eine entsprechende Vertragsanpassung anzustreben. Sollte das Bundesarbeitsgericht die Auffassung des LAG Baden-Württemberg nicht teilen, droht sonst weiterhin eine unbegrenzte Ansammlung von Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer.
Dr. Frank Wilke