Am 1. Januar 2022 sind das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags sowie das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen in Kraft getreten. Hierdurch sind umfassende Änderungen und Ergänzungen in den allgemeinen schuldrechtlichen sowie den kaufvertraglichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erfolgt. Diese betreffen insbesondere die §§ 327ff., §§ 433 ff. sowie §§ 474 ff. BGB.
Nachfolgend möchten wir Ihnen eine kurze Übersicht über die wesentlichen Neuerungen im BGB geben.
Hintergrund
Die Nutzung digitaler Inhalte wie beispielsweise Apps, Software sowie Streamingdiensten ist aus dem Alltag der Verbraucher in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Digitale Produkte sind zudem ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor, insbesondere auch im Rahmen des grenzüberschreitenden Handels. Im deutschen Recht fehlten bislang jedoch spezielle Regelungen zu diesen digitalen Produkten. Die Rechtsprechung wendete daher die Regelungen des allgemeinen sowie, je nach Konstellation, besonderen Schuldrechts (entsprechend) an. Nach dem Erlass spezieller Vorschriften in einigen EU–Mitgliedsstaaten erschien es jedoch erforderlich, eine Harmonisierung zwischen den Mitgliedsstatten herbeizuführen. Ziel dabei war es vor allem, ein einheitliches hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und eine Rechtszersplitterung innerhalb der EU zu vermeiden. Zu diesem Zweck wurden bereits 2019 verschiedene EU-Richtlinien erlassen. Mit den beiden neuen Gesetzen hat der Bundestag nun zwei dieser Richtlinien des EU-Parlaments in nationales Recht umgesetzt.
Wesentliche Inhalte des Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags
Besonders gravierend fällt die Änderung des Sachmangelbegriffs im nationalen Kaufvertragsrecht aus, § 434 BGB n.F. Abweichend von dem bisher vorrangig subjektiven Mangelbegriff kommt es hinsichtlich der Mangelfreiheit nunmehr auf weitere Umstände an. So bestimmt § 434 Abs. 1 BGB n.F., dass eine Sache nur noch dann frei von Sachmängeln ist, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen des § 434 BGB entspricht. In den Absätzen 2 bis 4 wird dargelegt, wann diese Voraussetzungen erfüllt sind.
Wesentliche Neuerungen betreffen zudem das Verbrauchsgüterkaufrecht. Zum einen wurde der Begriff der „beweglichen Sache“ in den §§ 474ff. BGB durch den in § 241a Abs. 1 BGB legal definierten Begriff der „Ware“ ersetzt. Zum anderen wurden die §§ 475b bis 475e BGB speziell für Waren mit digitalen Elementen neu eingefügt. Unter diesen Begriff sind nunmehr Waren zu fassen, die digitale Produkte enthalten oder mit diesen so verbunden sind, dass sie ihre (vollständige) Funktion ohne diese digitalen Elemente nicht erfüllen können. Das kaufrechtliche Verbraucherschutzrecht enthält nun also spezielle Regelungen für den Kauf digitaler Produkte wie beispielsweise Software oder Apps. Abweichende Vereinbarungen sind nur in den engen Grenzen des § 476 BGB möglich.
Zentraler Bestandteil der neuen gesetzlichen Konzeption ist insbesondere eine den Unternehmer treffende Aktualisierungspflicht hinsichtlich der digitalen Elemente des Kaufgegenstandes. Die entsprechenden Waren sind gemäß dem neuen § 475b BGB daher auch dann mangelhaft, wenn die erforderlichen Aktualisierungen nicht oder nicht ordnungsgemäß bereitgestellt werden. Ferner müssen auch während eines solchen Zeitraumes, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks der Ware erwarten kann, Aktualisierungen bereitgestellt werden, die den vertragsgemäßen Zustand der Ware erhalten. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die digitalen Produkte durch fortlaufende Updates funktionsfähig bleiben und eventuelle Sicherheitslücken geschlossen werden. Es bleibt abzuwarten, welche insofern geltenden Zeiträume die Rechtsprechung mit Blick auf eine solche Aktualisierungsbereitstellung annehmen wird.
Neu ist auch, dass hinsichtlich aller Verbrauchsgüterkaufverträge nunmehr eine Verlängerung des für die Beweislastumkehr geltenden Zeitraums von bislang sechs auf zwölf Monate gemäß § 477 BGB n.F. stattfindet. Sofern bei einer Ware mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart wurde, gilt die Vermutungsregelung sogar innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren, siehe § 477 Abs. 2 BGB n. F.
In § 479 BGB n.F. wurden die Bestimmungen für Garantien zudem dahingehend erweitert, dass zusätzliche Anforderungen an die Garantieerklärung, wie etwa die Angabe des Namens und der Anschrift des Garantiegebers, die Nennung der Ware, auf die sich die Garantie bezieht und die genauen Bestimmungen der Garantie, bestehen.
Vorstehende Neuregelungen gelten entsprechend der Übergangsbestimmung in Art. 229 § 58 EGBGB für alle seit dem 1. Januar 2022 geschlossenen Kaufverträge.
Wesentliche Inhalte des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen („DIDRL“)
Im allgemeinen Teil des BGB wurden zudem vor allem durch Einfügung der neuen § 327 bis § 327u BGB vertragsformübergreifende Vorschriften zu Verbraucherverträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen aufgenommen. Hierunter fallen beispielsweise Streamingdienste und andere Plattformangebote. Bei den eingefügten Regelungen handelt es sich um einen vollkommen neuen Regelungskomplex.
Der Anwendungsbereich der neuen Vorschriften erstreckt sich gemäß § 327 BGB auf Verbraucherverträge, die die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (digitale Produkte) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben. Preis im Sinne dieses Untertitels kann auch die digitale Darstellung eines Werts sein. Die neuen Regelungen finden somit gleichermaßen Anwendung auf solche Verträge, die die Zahlung eines Betrages für das digitale Produkt vorsehen, als auch auf solche, bei denen beispielsweise eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch den Unternehmer erfolgt. Der Anwendungsbereich ist somit also auch eröffnet, wenn der Käufer, anstatt einen Geldbetrag zu entrichten, personenbezogene Daten zur Verfügung stellt.
Für diese Art von Verträgen legen die neuen §§ 327e ff. BGB n.F. ein selbstständiges Gewährleistungsregime mit eigenem Mangelbegriff (§§ 327e, g BGB n.F.), Beweislastumkehr (§ 327k BGB n.F.) und Verjährungsregeln (§ 327j BGB n.F.) fest. Auch bei unter diesen Regelungskomplex fallenden Verträgen besteht für Unternehmer eine Aktualisierungspflicht (§ 327 f BGB n.F.) bezüglich der digitalen Produkte. Vertragliche Abweichungen von den Neuregelungen sind ebenfalls nur begrenzt möglich (§ 327h BGB n.F.).
Die Neuerungen des Gesetzes zur Umsetzung der „DIDRL“ gelten uneingeschränkt für alle seit dem 1. Januar 2022 geschlossenen Verträge, vgl. Art. 229 § 57 EGBGB. Zudem gelten die Vorschriften für vor dem 1. Januar 2022 geschlossene Verträge, wenn die vertragsgemäße Bereitstellung nicht vor dem 1. Januar 2022 erfolgt ist.
Auswirkungen auf die Praxis
Infolge der umfangreichen Änderungen besteht insbesondere bei Unternehmen, die vorrangig online agieren und digitale Produkte vertreiben, ein akuter Handlungsbedarf. Da immer mehr Produkte jedenfalls digitale Elemente enthalten, sollten sich vor allem Unternehmen im IT-, Kommunikations-, Unterhaltungs- und Vertriebssektor eingehend mit den Neuregelungen befassen. Insbesondere die eigenen Vertragsentwürfe sollten dahingehend überprüft werden, ob und inwiefern ein Änderungs- und Anpassungsbedarf besteht. Zudem empfiehlt es sich unternehmensintern Regelungskonzepte zur Umsetzung der Aktualisierungspflicht zu entwickeln. Bei Verstößen gegen die neuen Regelungen droht insbesondere eine Abmahnung durch Mitbewerber oder die Verbraucherschutzverbände.
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