Der Wert der Privatvermögen in Deutschland hat sich in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelt. Ein Großteil dieser Wertsteigerung lässt sich dabei auf die überaus positive Wertentwicklung von Immobilien zurückführen. Der sog. „Hauspreisindex“ hat sich in der vorgenannten Zeitspanne ebenfalls mehr als verdoppelt, auch wenn sich dieser Trend derzeit deutlich abgeschwächt hat. Angesichts dieser Entwicklung wird ein wesentlicher Teil der Privatvermögen nicht erst im Rahmen der Erbfolge übertragen, sondern noch zu Lebzeiten durch sog. „Überlassungsverträge“. Da regelmäßig Grundbesitz und / oder GmbH-Geschäftsanteile vom Privatvermögen betroffen sind, werden solche Überlassungsverträge vielfach notariell beurkundet.
Gegenstand der Überlassungsverträge
Entsprechende Überlassungsverträge werden häufig innerhalb der Familie abgeschlossen, um durch Ausschöpfung der Steuerfreibeträge Vermögen an die nächste oder übernächste Generation zu übertragen. Auch kann hierdurch im Einzelfall eine Unternehmensnachfolge eingeleitet werden, um die Kinder oder Enkel rechtzeitig an das Unternehmen heranzuführen und bereits gewisse Entscheidungsmöglichkeiten durch Geschäftsanteile zu vermitteln. In der Regel erfolgen die Übertragungen unentgeltlich, um eine (Fremd-)Finanzierung auf Erwerberseite zu vermeiden und die Vorteile der Schenkungsteuer mit entsprechenden Freibeträgen zu nutzen.
Auslegung als Testament
In der Praxis hat es sich etabliert, entsprechende Übertragungen vertraglich als sog. „vorweggenommene Erbfolge” zu deklarieren. Ergänzend wird häufig vom Übertragenden klargestellt, dass die Zuwendung auf den Pflichtteil angerechnet wird. Solche Klauseln erweisen sich als auslegungsbedürftig und damit streitanfällig. In einem konkret vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall (Az. 3 W 55/22, Beschl. v. 31.8.2022) hatte eine Mutter Grundbesitz an eines ihrer Kinder übertragen, und zwar im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf den Pflichtteil. Hieran sah das Gericht eine Enterbung der Tochter. Grund hierfür sei, dass sich aus einer Anrechnung auf den Pflichtteil der Wille der Erblasserin entnehme, wonach das Kind als gesetzlicher Erbe auch nur den Pflichtteil erhalten solle. Schließlich sei keine Anrechnung auf den (gesamten) Erbteil erfolgt. Aufgrund der notariellen Beurkundung waren zudem die Formerfordernisse für eine letztwillige Verfügung (d.h. eines Testaments) eingehalten.
Praxisfolgen
Die Entscheidung hat mal wieder deutlich gemacht, mit welcher Sorgfalt familieninterne Vermögensübertragungen zu gestalten sind. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, welche erbrechtlichen Folgen die Überlassungen haben (können). Vor allem in Bezug auf Unternehmensbeteiligungen sollte dabei die erbrechtliche Situation klar und eindeutig testamentarisch geregelt werden, um einen Erbenstreit über die Inhaberschaft von Geschäftsanteilen zu vermeiden. Es bietet sich daher an, Überlassungsverträge sowie Testamente stets getrennt, aber inhaltlich vollständig abgestimmt notariell zu beurkunden, um größtmögliche Rechtssicherheit zu Gunsten betroffener Unternehmen sowie zur Wahrung des Familienfriedens zu schaffen. Bei Einhaltung dieser Prämissen ist die noch lebzeitige Übertragung von Vermögen insbesondere ein probates Mittel, um eine rechtzeitige Überleitung von Unternehmen sicherzustellen.