Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess

Köln, 09.05.2022

ÜberstundenIm Überstundenvergütungsprozess trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für geleistete Überstunden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem kürzlich erlassenen Urteil bestätigt (vgl. Pressemitteilung BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21). Dabei stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass sich aus der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Arbeitszeiterfassung keine Abweichung von dieser Darlegungs- und Beweislastverteilung ergibt.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall dokumentierte der Arbeitnehmer seine tägliche Arbeitszeit mittels eines technischen Zeiterfassungssystems. Dieses System erfasste lediglich Anfangs- und Endzeiten, nicht jedoch die Pausen. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Arbeitnehmer eine Überstundenvergütung in Höhe von 5.222,67 € brutto, da er die gesamte aufgezeichnete Zeit ohne Pausen durchgearbeitet habe.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage ebenso wie das Landesarbeitsgericht abgewiesen und bestätigt, dass die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess dem Arbeitnehmer obliegt. Demnach hat der Arbeitnehmer dazulegen, dass er Überstunden geleistet sowie der Arbeitgeber diese Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Dabei stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass eine positive Kenntnis des Arbeitsgebers als Voraussetzung für eine arbeitgeberseitige Veranlassung der Überstunden nicht dadurch entbehrlich werde, dass sich der Arbeitgeber die positive Kenntnis durch eine unionsrechtkonforme Arbeitszeiterfassung hätte verschaffen können. Die unionsrechtliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung diene vielmehr ausschließlich dem Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer und könne daher nicht bei Überstundenvergütungsfragen bemüht werden. Ein Eingriff in die nach nationalem Recht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast entspreche nicht dem Zweck der unionsrechtlichen Vorgaben.

Praxisrelevanz der Entscheidung

Obgleich die konkreten nationalen Auswirkungen der Arbeitszeiterfassungsentscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2019 (vgl. EuGH 14.5.2019 – C-55/18Newsletter 2/2019) noch unklar sind - der Europäische Gerichtshof verpflichtete die Mitgliedstaaten, Arbeitgeber zur Einführung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Arbeitszeiterfassungssystems anzuhalten – und eine Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber bislang noch aussteht, verschafft die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zumindest betreffend Überstundenvergütungsprozessen ein Stück Rechtssicherheit. Auch wenn es also dabei bleibt, dass Arbeitnehmer im Überstundenvergütungsprozess darlegungs- und beweisbelastet sind, dürfte sich ggfs. ein kritischer Blick auf die Arbeitsvertragsgestaltung lohnen, um Überstundenvergütungsprozesse bereits im Vorfeld zu vermeiden. Zu denken ist hierbei an Pauschalabgeltungsklauseln, wobei laut Bundesarbeitsgericht der Umfang der bereits mit dem regulären Gehalt pauschal abgegoltenen Überstunden zu begrenzen ist (es wird eine Grenze von 10 % der regelmäßigen Arbeitszeit diskutiert, sofern das Einkommen unter der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (2022 West: 84.600 €) liegt).

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