Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Rahmen von internen Compliance-Ermittlungen

Köln, 09.11.2021

ComplianceEs entspricht mittlerweile gängiger Unternehmenspraxis, im Rahmen von internen Ermittlungen auf externe Hilfe zurückzugreifen. Immer häufiger werden hierbei auch Rechtsanwaltskanzleien mandatiert, um beim Verdacht eines Compliance-Verstoßes die teilweise äußerst umfangreichen Sachverhaltsermittlungen zu begleiten oder eigenständig durchzuführen. Werden anschließend tatsächlich Compliance-Verstöße von Beschäftigten festgestellt, stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit das Unternehmen vom Schädiger die Kosten ersetzt verlangen kann, die durch das Tätigwerden von externen Ermittlungspersonen entstanden sind.

Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht („BAG“) in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung Stellung bezogen (BAG, Urteil vom 29. April 2021 – 8 AZR 276/20). In Erfurt stritten die Parteien des Rechtsstreits noch über die Ersatzfähigkeit von Kosten, die eine spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei dem auftraggebenden Unternehmen für eine weitgehend autonom durchgeführte Sachverhaltsermittlung in Rechnung gestellt hatte. Die Antwort des BAG fiel dabei – in gewohnter Manier – differenzierend aus. 

Sachverhalt

Aufgrund anonymer Meldungen hatte die Arbeitgeberin Kenntnis über potenzielle Compliance-Verstöße eines Arbeitnehmers mit Leitungsfunktionen erhalten. Es stand u.a. der Verdacht im Raum, der als Leiter des Bereichs Einkauf beschäftigte Arbeitnehmer habe Kosten für dienstlich nicht veranlasste Essenseinladungen gegenüber der Arbeitgeberin abgerechnet. Ferner habe er sich von Geschäftspartnern zu Champions-League-Spielen des FC Bayern München einladen lassen und die diesbezüglichen Reisekosten ebenfalls unberechtigterweise gegenüber der Arbeitgeberin geltend gemacht.

Die Arbeitgeberin entschied sich dazu, die Compliance-Ermittlungen von einer hierauf spezialisierten Rechtsanwaltssozietät durchführen zu lassen. Im Untersuchungsbericht kamen die beauftragten Rechtsanwälte zum Ergebnis, der Arbeitnehmer habe sich tatsächlich pflichtwidrig verhalten, so dass der Verdacht berechtigt sei. Auf dieser Tatsachengrundlage kündigte die Arbeitgeberin das zum Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Für die umfangreichen Ermittlungen stellte die beauftragte Sozietät der Arbeitgeberin rund EUR 210.000,- in Rechnung. 

Der Arbeitnehmer griff die Kündigung gerichtlich an. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses machte die Arbeitgeberin die von der Rechtsanwaltskanzlei in Rechnung gestellten Kosten als Schadensersatz gegenüber dem Arbeitnehmer geltend. 

Entscheidung des BAG

Das BAG hat die grundsätzliche Ersatzfähigkeit von zur Sachverhaltsaufklärung notwendigen Rechtsanwaltskosten bejaht und folgende Grundvoraussetzungen für den Erstattungsanspruch aufgestellt: 

  • Anlass für die Beauftragung externer Ermittler muss ein konkreter Verdacht für einen erheblichen Compliance-Verstoß sein.
  • Aufgrund der Ermittlungen bestätigt sich der Verdacht einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung eines Beschäftigten.
  • Erstattungsfähig sind nur solche Aufwendungen, die der Abwehr drohender Nachteile dienen.
  • Soweit die entstandenen Kosten höher sind als diejenigen Kosten, die dem Arbeitgeber bei eigenen Ermittlungen entstanden wären, muss der Schädiger lediglich dafür einstehen, sofern eigene Ermittlungen durch den Arbeitgeber nicht oder nicht in zumutbarer Weise in Betracht kommen.
  • Die Ersatzpflicht ist auf solche Ermittlungsmaßnahmen beschränkt, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalls zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung als erforderlich ergriffen haben würde. 

Im konkreten Fall, so das BAG, habe die Arbeitgeberin jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass die von ihr geltend gemachten Kosten im vorstehenden Sinn „erforderlich“ gewesen seien. Daher lehnte das BAG den Schadensersatzanspruch der Arbeitgeberin gegen den Arbeitnehmer im Ergebnis ab. 

Praxishinweise

Erfreulicherweise hat das BAG nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass auch Kosten für eine an Compliance-Untersuchungen beteiligte Rechtsanwaltssozietät erstattungsfähig sein können. Zugleich ist Vorsicht geboten: Nicht zuletzt der Ausgang des konkreten Rechtsstreits verdeutlicht, dass Arbeitgeber für einen entsprechenden Erstattungsanspruch einige Hürden zu überwinden haben.

Zum einen differenziert das BAG zwischen Rechtsberatungskosten und den Kosten, die durch die originäre Sachverhaltsermittlung zur Abwendung drohender Nachteile für den Arbeitgeber entstehen. Allein letztere seien potenziell erstattungsfähig. Zum anderen legt das BAG einen strengen Maßstab an die Erforderlichkeit der Kosten an. So verlangte das BAG Angaben darüber, „welche konkreten Tätigkeiten wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts“ gegen den Arbeitnehmer bei der Kanzlei in Auftrag gegeben und von dieser ausgeführt worden seien. 

Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen genau überprüfen, inwieweit bereits konkrete Verdachtsmomente bestehen und welche Ermittlungsschritte dies veranlasst, bevor Externe für die (weitere) Sachverhaltsaufklärung beauftragt werden. Um im Streitfall darlegen zu können, dass der Einsatz unternehmensfremder Ermittlungspersonen „erforderlich“ gewesen ist, ist außerdem eine lückenlose Dokumentation sämtlicher Umstände unabdingbar. Schließlich spricht einiges dafür, dass die Rechtsprechung Kosten für externe Dritte im Rahmen einer Compliance-Untersuchung nur insoweit als „erforderlich“ erachtet, als sie tatsächlich der Sachverhaltsaufklärung dienen. Dies dürfte ab dem Zeitpunkt, in dem das Unternehmen konkrete Maßnahmen ergreift – etwa eine Kündigung des zum Schädiger bestehenden Arbeitsverhältnisses ausspricht – nicht mehr der Fall sein.

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