Transparenz von Entgeltstrukturen?

10.08.2017

Einleitung

Nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG ist es Aufgabe des Staates, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. In Umsetzung dieses Verfassungsauftrags und anknüpfend an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aus dem Jahre 2006 hat der Bundestag nach teils heftig geführten Diskussionen am 30. März 2017 das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG) beschlossen (BT-Drucks. 288/17 (B)). Das Gesetz trat am 6. Juli 2017 in Kraft.

Die wesentlichen Inhalte

Zielsetzung des EntgTranspG ist es, das Gebot gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei Verrichtung gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen und für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen zu sorgen. In § 4 EntgTranspG liefert der Gesetzgeber eigens eine Definition der gleichen und gleichwertigen Arbeit. Hiernach üben Beschäftigte gleiche Arbeit aus, wenn sie an verschiedenen Arbeitsplätzen oder nacheinander an demselben Arbeitsplatz eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausführen. Gleichwertige Arbeit liegt vor, wenn die Beschäftigten unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Die Definition lässt freilich Interpretationsspielraum, Streitigkeiten hierüber werden zukünftig wohl kaum zu vermeiden sein. Zur Förderung der Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit sieht das EntgTranspG unter anderem ein Benachteiligungsverbot (§ 3 Abs. 1 EntgTranspG), einen Erfüllungsanspruch (§ 7 EntgTranspG), ein Maßregelungsverbot (§ 9 EntgTranspG) sowie Unwirksamkeitssanktionen für Vereinbarungen, die gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit verstoßen, vor (§ 8 Abs. 1 EntgTranspG). Wesentliche neue Mechanismen liegen zudem in einem individuellen Auskunftsanspruch der Beschäftigten in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 Beschäftigten, einer Aufforderung an private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten, ihre Entgeltstrukturen regelmäßig zu überprüfen sowie einer Berichtspflicht zum Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit für lageberichtspflichtige Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten. Im Einzelnen stellen sich diese Regelungen wie folgt dar:

Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer:

Kernelement und wesentliche Neuerung des EntgTranspG ist der individuelle Auskunftsanspruch der Beschäftigten in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber nach den §§ 10 bis 16 EntgTranspG. Der Auskunftsanspruch ist gemäß § 11 EntgTranspG auf die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts sowie auf Angaben zum Vergleichsentgelt gerichtet. Er umfasst nur Entgeltregelungen bei demselben Arbeitgeber in demselben Betrieb. Regionale Entgeltunterschiede und der Vergleich von Beschäftigungsgruppen sind ausdrücklich vom Auskunftsanspruch ausgenommen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EntgTranspG). Die Auskunft zu dem Vergleichsentgelt umfasst das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt und max. zwei zu benennende Entgeltbestandteile der Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts, die gleiche oder vergleichbare Arbeit verrichten. Der Auskunftsanspruch hinsichtlich des Vergleichsentgelts ist dabei auf den statistischen Median und nicht etwa auf den Gesamtdurchschnitt des Vergleichsentgelts gerichtet (§ 11 Abs. 3 EntgTranspG). Tarifgebundene bzw. tarifanwendende Arbeitgeber müssen den Median des Entgelts des anderen Geschlechts derselben Tarifgruppe angegeben. Soweit Regelungen zum Entgelt auf gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften beruhen, genügt zudem ein Verweis auf diese. Aufgrund datenschutzrechtlicher Erwägungen ist ein Vergleichsentgelt vom Arbeitgeber nur dann anzugeben, wenn die Vergleichstätigkeit von mindestens sechs Beschäftigten – darunter auch leitende Angestellte – des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird (§ 12 Abs. 3 EntgTranspG). Personenbezogene Daten sind grundsätzlich nicht herauszugeben bzw. entsprechend zu anonymisieren. Ziel des Auskunftsanspruchs ist es nicht, dass der einzelne Beschäftigte erfährt, welcher Kollege welches Gehalt bezieht. Das Auskunftsverlangen selbst ist in Textform unter Benennung der Vergleichstätigkeit zu verfassen (§ 10 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG). Ansprechpartner ist grundsätzlich der Betriebsrat, soweit einer gebildet ist, und ansonsten direkt der Arbeitgeber. Der Betriebsrat oder der beauftragte Ausschuss soll dann Einblick in die Bruttogehälter nehmen, um eine Auskunft zu erteilen. Zu diesem Zwecke sind Listen durch den Arbeitgeber in aufbereiteter Form bereitzustellen. Der Arbeitgeber kann indes die Zuständigkeit für die Amtszeit des jeweiligen Betriebsrats begründungspflichtig an sich ziehen. Aber auch dann muss der Betriebsrat über das Auskunftsverlangen und die jeweiligen Antworten des Arbeitgebers informiert werden. Eine Antwort ist grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ebenfalls in Textform zu erteilen. Erfüllt der Arbeitgeber den Auskunftsanspruch nicht, kehrt § 15 Abs. 5 S. 1 und 2 EntgTranspG die Beweislast für das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Entgeltgleichheitsgebot zulasten des Arbeitgebers um. Beschäftigte haben erstmalig ab dem 6. Januar 2018 und grundsätzlich alle zwei Jahre einen Anspruch auf Auskunft, es sei denn, es haben sich zwischenzeitlich die Voraussetzungen und Umstände, etwa durch einen Stellenwechsel, wesentlich verändert. Wird der Auskunftsanspruch innerhalb der ersten drei Jahre nach dem 6. Januar 2018 geltend gemacht, verlängert sich nach § 25 Abs. 1 EntgTranspG die Wartefrist einmalig von zwei auf drei Jahre.

Freiwillige Überprüfung der Entgeltgleichheit:

Private Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten sind nach § 17 Abs. 1 EntgTranspG aufgefordert, mithilfe betrieblicher Prüfverfahren ihre Entgeltregelungen und die verschiedenen gezahlten Entgeltbe­standteile sowie deren Anwendung regelmäßig auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots zu überprüfen. Dabei sind alle Tätigkeiten einzubeziehen, die demselben Entgeltsystem unterliegen, unabhängig davon, welche individualrechtlichen, tariflichen und betrieblichen Rechtsgrundlagen zusammenwirken. Das Verfahren selbst ist in Grundzügen in § 18 EntgTranspG geregelt. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat rechtzeitig im Voraus über die Planung eines betrieblichen Prüfverfahrens und anschließend über die Ergebnisse der Prüfung zu informieren.

Berichtspflicht zum Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit:

Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, die nach den §§ 264 und 289 HGB lageberichtspflichtig sind, trifft darüber hinaus nach § 21 EntgTranspG eine Berichtspflicht über die getroffenen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen sowie zur Herstellung der Entgeltgleichheit für Frauen und Männer und deren Wirkung. Die Berichtspflicht ist indes nicht mit einer Pflicht, die vorge­nannten Maßnahmen zu ergreifen, zu verwechseln. Arbeitgeber, die keine Gleichstellungsmaßnahmen treffen, müssen dies in ihrem Bericht allerdings begründen, vgl. § 21 Abs. 1 S. 2 EntgTranspG. Tarifgebundene und taifanwendende Arbeitgeber müssen alle fünf Jahre einen Bericht erstellen, alle anderen Arbeitgeber sind dazu turnusmäßig alle drei Jahre verpflichtet. Der Bericht ist dem Lagebericht des Unternehmens als Anlage beizufügen und im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Die Berichtspflicht besteht für die betroffenen Unternehmen erstmals im Jahr 2018.

Fazit

Das EntgTranspG sieht sich teils heftiger Kritik dahingehend ausgesetzt, der rechtliche Mehrwert sei aufgrund des engen Anwendungsbereichs und der bereits existenten Regelungen insbesondere im AGG derart gering, dass er den mit der Umsetzung verbundenen Aufwand nicht rechtfertige. Inwieweit das EntgTranspG in seiner finalen und im Vergleich zum Referentenentwurf für die Arbeitgeber entschärften Fassung den befürchteten signifikanten Mehraufwand tatsächlich verursachen wird, bleibt abzuwarten. Weitere Kritikpunkte, wie die Frage, ob die Auskunft über den statistischen Median des Vergleichsentgelts als Auskunftsgegenstand überhaupt geeignet ist, um fundierte Hinweise auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts zu liefern, sind jedenfalls nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Unabhängig von aller Kritik ist die Unternehmenspraxis jedenfalls angehalten, die im EntgTranspG eingeräumten Übergangszeiten zu nutzen und in einem ersten Schritt zu überprüfen, ob und unter welche Regelungen (z. B. Auskunfts- und Berichtspflicht) das jeweilige Unternehmen fällt. In einem zweiten Schritt gilt es, sich dann auf den wenngleich im Umfang noch nicht abzuschätzenden bürokratischen Mehraufwand vorzubereiten. So sollten insbesondere Arbeitgeber, die einen Betrieb mit mehr als 200 Beschäftigen aufweisen, bereits jetzt hinterfragen, ob sie auf Basis der bestehenden Strukturen und des bestehenden Entgeltsystems auskunftsfähig gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern sind. Diesbezüglich ist insbesondere auch zu prüfen, welche Vergleichsgruppen es gibt, d. h. welche Tätigkeiten gleich oder gleichwertig im Sinne des EntgTranspG sind. Auch dürfte es ratsam sein, standardisierte Verfahren und Formulare für die Auskunftserteilung zu erstellen, um auch bei hohem Anfrageaufkommen fristgerecht und mit möglichst geringer Fehlerquote reagieren zu können. Zudem sollte frühzeitig gemeinsam mit dem Betriebsrat über die konkrete Umsetzung der Anforderungen des EntgTranspG beraten werden. Gründlich zu überdenken ist in diesem Zusammenhang unter anderem die Entscheidung in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, ob freiwillig ein mitunter kostenintensives Prüfverfahren im Hinblick auf die Entgeltregelungen eingeführt werden soll.

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