Aufklärungspflichten beim Immobilienverkauf

München, Köln, Oktober 2024

Einführung

Bei einer Immobilientransaktion schließen die Parteien regelmäßig die Gewährleistung für Mängel weitgehend oder sogar vollständig („wie es steht und liegt“) aus. Gut für den Verkäufer: Er hat Planungssicherheit, insbesondere was die Bildung etwaiger Rücklagen betrifft. Schlecht für den Käufer: Das Wissen über die zu veräußernde Immobilie ist zwischen Verkäufer und Käufer in der Regel ungleich verteilt. Der Käufer muss also (gegebenenfalls sehr aufwendige) Nachforschungen anstellen (Due Diligence). Zeigt sich später ein (unentdeckter) Mangel, trägt der Käufer das volle Risiko. An dieser Stelle hilft das Gesetz (§ 444 BGB) dem Käufer und schwächt das informationelle Ungleichgewicht zwischen dem Verkäufer und Käufer ab. Wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschweigt, kann er sich nicht mehr auf den Ausschluss der Gewährleistung berufen. Dem Käufer stehen dann hinsichtlich dieses Mangels alle Gewährleistungsrechte zu. Dafür kommt es maßgeblich auf die Frage an, ob eine Aufklärungspflicht des Verkäufers besteht. Diese Frage war bereits vielfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt sich regelmäßig mit dieser Frage – unter anderem in einer Entscheidung vom 27. Oktober 2023. Dieser Beitrag greift diese Entscheidung auf, um die Aufklärungspflichten des Verkäufers und mögliche Fallstricke für eine Transaktion darzustellen. 

Sachverhalt der Entscheidung

Die Käufer erwarben von den Verkäufern ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück unter Ausschluss der Gewährleistung. Das Grundstück verfügte über eine überdachte Terrasse. Schon vor Abschluss des Kaufvertrags war es an verschiedenen Stellen der Terrasse zu Wassereintritten durch das Dach gekommen. Frühere Reparaturversuche hatten keinen Erfolg. Die Käufer hatten von alldem keine Kenntnis. Die Verkäufer hatten sie hierüber auch nicht aufgeklärt, obwohl die Überdachung der Terrasse thematisiert worden war. Die Käufer strengten ein selbstständiges Beweisverfahren an. Als Ursachen für die Wassereintritte wurden eine mangelhafte Abdichtung und Folienabrisse im Dach identifiziert. Die Käufer verklagten daraufhin die Verkäufer wegen der Instandsetzungskosten des Terrassendachs. Die Verkäufer stützten sich darauf, dass jegliche Gewährleistung vertraglich ausgeschlossen sei. 

Verstoß gegen die Aufklärungspflicht

Der BGH entschied zugunsten der Käufer. Die Verkäufer konnten sich nicht auf den vertraglichen Ausschluss der Gewährleistung berufen, da sie die mangelhafte Terrassenüberdachung arglistig verschwiegen hatten. Der BGH arbeitet in seiner Entscheidung die Voraussetzungen für den Bestand und die Verletzung einer Aufklärungspflicht des Verkäufers im Einzelnen heraus:

  • Ausgangspunkt ist die Frage, ob der Verkäufer den Mangel zumindest für möglich hält und damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht beziehungsweise nicht so geschlossen hätte.
  • Weiterhin setzt die Aufklärungspflicht voraus, dass der Mangel nicht ohne Weiteres erkennbar ist, ein sorgfältiger Käufer ihn also bei einer Besichtigung nicht unproblematisch selbst wahrnehmen kann. Das leuchtet ein: Kennen sowohl Verkäufer als auch Käufer den Mangel, besteht schon gar kein informationelles Ungleichgewicht, das gesetzlich korrigiert werden müsste. 
  • Maßgebend ist, ob der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kennt. Es spielt keine Rolle, ob der Verkäufer daraus auf das Vorliegen eines Mangels schließt. Hier könnte in der Praxis die im Einzelfall schwierige Unterscheidung zwischen einem Mangel und einem bloßen Mangelsymptom problematisch werden. Anders als bei einem Mangel besteht bei Mangelsymptomen nicht notwendigerweise eine Aufklärungspflicht des Verkäufers.

Liegen diese Voraussetzungen vor, muss der Verkäufer den Käufer seinem Kenntnisstand nach aufklären und darf konkretes Wissen nicht zurückhalten. Nachfragen des Käufers müssen selbstverständlich vollumfänglich und wahrheitsgemäß beantwortet werden. Die Aufklärungspflicht des Verkäufers geht im Grundsatz aber nur so weit, wie sein eigener Kenntnisstand reicht. Dagegen wird vom Verkäufer nicht verlangt, dass er eigens Nachforschungen anstellen muss, um sich das notwendige Wissen erst zu beschaffen.

Folgen für die Immobilien­transaktion

Eine allgemeine Aufklärungspflicht des Verkäufers gibt es zwar im Grundsatz nicht, dennoch hat sich eine umfangreiche – diesen Grundsatz tendenziell immer weiter einschränkende – Einzelfallrechtsprechung entwickelt[1], die um die hier aufgegriffene Entscheidung des BGH ergänzt wird. Für den Verkäufer bedeutet dies besondere Sorgfalt – und das bereits vor Vertragsschluss. Er sollte den Käufer über ihm bekannte Umstände informieren, die einen Mangel begründen könnten. Bei der Beurteilung, welche Umstände einen Mangel begründen könnten, sollte er vorsichtshalber einen großzügigen Maßstab anlegen und den Käufer möglichst umfassend informieren, da sich der Umfang der Aufklärungspflichten des Verkäufers nach einer Entscheidung des BGH aus dem vergangenen Jahr auch danach richtet, über welche Umstände der Käufer berechtigterweise eine Aufklärung erwarten kann. Faktisch muss der Verkäufer hier versuchen, sich in die Lage des Käufers hineinzuversetzen. Der Verkäufer sollte sorgfältig dokumentieren, welche Informationen er dem Käufer zugänglich gemacht hat und worüber bei einer Besichtigung gesprochen wurde. Denn nach dem Gesetz (§ 442 BGB) sind Gewährleistungsrechte ausgeschlossen, wenn der Käufer den Mangel bei Vertragsschluss kennt. Es kann auch sinnvoll sein, im Kaufvertrag Vereinbarungen zu treffen, um von vornherein auszuschließen, dass relevante Umstände als Mangel qualifiziert werden könnten. Hierfür kommt beispielsweise eine sogenannte negative Beschaffenheitsvereinbarung in Betracht. 
 

[1] Ausführlich: Heider/Meeser/Wüstefeld, Aufklärungspflichten des Immobilienverkäufers in der Transaktion, in: NZM 2024, 270.

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