Schon lange hängt das Damoklesschwert der (potenziellen) Kündbarkeit aufgrund Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform gemäß § 550 BGB über den Parteien langfristiger Mietverträge. Dies gilt noch mehr, seit der Bundesgerichtshof im September 2017 entschieden hat, dass sog. Schriftformheilungsklauseln auch im Verhältnis zwischen den Ursprungsparteien eines Mietvertrages unwirksam sind. Vor dieser Entscheidung durfte man zumindest hoffen, dass die in nahezu jedem gewerblichen Mietvertrag enthaltene Schriftformheilungsklausel eine wirksame Kündigung wegen Schriftformverstoßes zwischen dem ursprünglichen Vermieter und Mieter verhindern würde.
Der sich nach dem oben genannten BGH-Urteil von 2017 nochmals verstärkende Appell an den Gesetzgeber, das Mietrecht (endlich) an dieser Stelle zu reformieren, hat nun erste Früchte getragen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Dezember 2019 auf Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen beschlossen, einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Mietrecht in den Bundestag einzubringen (BR-Drs. 469/19 (B), welchen die Bundesregierung am 5. Februar 2020 mit einer ablehnenden Stellungnahme dem Bundestag zugeleitet hat.
Der Gesetzentwurf im Überblick
Der Gesetzentwurf beinhaltet die folgenden fünf wesentlichen Punkte:
1. Kündigungsrecht nur für den Erwerber
Das Kündigungsrecht wegen eines Schriftformverstoßes soll künftig nur noch dem Erwerber einer Immobilie zustehen, der ja mit Eigentumsumschreibung grundsätzlich kraft Gesetzes an Stelle des bisherigen Vermieters in die für die veräußerte Immobilie bestehenden Mietverträge eintritt (§ 566 BGB: Kauf bricht nicht Miete).
Damit soll die Schriftformkündigung auf ihren eigentlichen Zweck zurückgeführt werden, denn auch der historische Gesetzgeber hatte bei Einführung des § 550 BGB nur den Schutz des Erwerbers im Sinn. Rechtstechnisch soll dies konsequenterweise dadurch erreicht werden, dass § 550 BGB aufgehoben und mit den nachstehenden Änderungen in einen neuen Absatz 3 von § 566 BGB verlagert wird. Dem Mieter sowie dem ursprünglichen Vermieter würde kein schriftformbedingtes Kündigungsrecht mehr zustehen.
2. Kündigungsrecht nur für begrenzte Zeit
Die Kündigungsmöglichkeit des Erwerbers soll auf einen Zeitraum von drei Monaten ab Kenntnis des Erwerbers von den ohne Wahrung der notwendigen Schriftform getroffenen Vereinbarungen begrenzt werden.
3. Keine Kündigung bei nachträglichen Verstößen
Der Erwerber kann seine Kündigung nicht auf solche Schriftformverstöße stützen, die erst nach dem Erwerb der Immobilie erfolgt sind.
4. Widerspruchsrecht des Mieters
Der Mieter soll das Recht erhalten, die Kündigung zu verhindern, indem er (i) der Kündigung binnen zwei Wochen seit ihrem Zugang widerspricht und (ii) sich mit der Fortsetzung des Mietvertrages zu den unter Wahrung der Schriftform getroffenen Vereinbarungen (d.h. ohne die schriftformwidrigen Änderungen) bereit erklärt. Damit könnte der Mieter künftig einseitig eine Kündigung wegen Schriftformverstoßes verhindern, auch wenn er hier sehr kurzfristig eine ggf. für ihn gewichtige Entscheidung treffen muss.
5. Anwendbarkeit auch auf Bestandsverträge
Die vorgenannten Regelungen sollen grundsätzlich auch für Bestandsmietverträge gelten, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes geschlossen wurden. Dies gilt ausweislich der Entwurfsbegründung nur dann nicht, wenn die schriftformbedingte Kündigung eines Bestandsmietvertrages vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes zugegangen ist, dann würde weiterhin das derzeitige Recht gelten.
Aktueller Stand
Am 5. Februar 2020 leitete die Bundesregierung den Gesetzentwurf dem Bundestag samt ablehnender Stellungnahme zu. Für die Ablehnung des Entwurfs führt die Bundesregierung drei Argumente an:
1. Der Gesetzentwurf würde auch im Wohnraummietrecht gelten, obwohl in diesem Bereich keine praktischen Probleme mit § 550 BGB bekannt seien und hier kein Regelungsbedarf bestehe.
2. Die Änderung erscheine im Hinblick darauf, dass dem Mieter bei einem Schriftformverstoß künftig kein Kündigungsrecht mehr zustehen soll, der Erwerber hingegen ein Wahlrecht erhalte, nicht ausgewogen. Gleichzeitig sei zu befürchten, dass sich der Vermieter das Kündigungsrecht dadurch mittelbar erhalte, dass er das Mietobjekt an eine ihm nahestehende Person oder ein verbundenes Unternehmen veräußere, um anschließend als „Vermieter-Erwerber“ den Mietvertrag zu kündigen.
3. Die Bundesregierung befürchtet, dass bei Umsetzung des Bundesrats-Vorschlags die Verbreitung schriftlicher Verträge im gesamten Mietrecht zurückgehen würde, was angesichts der Beweis- und Warnfunktion der Schriftform sowie der angenommenen Zunahme von Rechtsstreitigkeiten abzulehnen sei.
Erste Bewertung / Ausblick
Mit dem Entwurf scheint ein Schritt zu einer dringend benötigten Reform des mietvertraglichen Schriftformerfordernisses gemacht worden zu sein. Besonders zu begrüßen ist auch die beabsichtigte Anwendbarkeit der neuen Regelung auf Bestandsmietverträge, die für anwenderfreundliche Rechtsklarheit sorgen kann.
Die Kritik der Bundesregierung ist dagegen nicht nachvollziehbar und überwiegend praxisfremd: Durch die beabsichtigte Wahlmöglichkeit des Mieters, im Falle einer schriftformbedingten Kündigung den Mietvertrag ohne Einbeziehung der schriftformwidrigen Absprachen gelten zu lassen, scheinen die Mieterinteressen ausreichend berücksichtigt; auch ist ein Rückgang von schriftlichen Mietverträgen nicht zu erwarten. Woher die Mutmaßung der Bundesregierung kommt, dass Vermieter eine Immobilie (grunderwerbsteuerpflichtig!) zur Begründung eines schriftformbedingten Kündigungsrechts an nahestehende Personen oder verbundene Unternehmen veräußern würden, bleibt völlig offen.
Es bleibt zu hoffen, dass der Bundestag sich noch einmal intensiv mit dem Gesetzentwurf selbst auseinandersetzt und sich nicht darauf beschränkt, den Empfehlungen der Bundesregierung zu folgen. Die immobilienrechtliche Praxis würde es ihm danken.
Weiterführende Literatur:
Bundesrat-Drucksache 469/19 (Beschluss vom 20.12.19): https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0401-0500/469-19(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1
Bundestags-Drucksache 19/17034 (mit Stellungnahme der Bundesregierung vom 05.02.2020):
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/170/1917034.pdf