Beglaubigungen und Beurkundungen mittels Videokonferenzen - die Digitalisierung des Notariats schreitet mit dem DiREG weiter voran

Frankfurt am Main, 12.07.2022

Selbst Bereiche, die traditionell am Papier hängen, erlebten in jüngster Zeit einen erheblichen Digitalisierungsschub. Dies gilt auch für das Gesellschaftsrecht, das mit dem im letzten Jahr beschlossenen „Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie“ (DiRUG) modernisiert wird. Der Bundestag hat nun – noch vor dem Inkrafttreten des DiRUG zum 1. August 2022 – mit dem „Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie“ (DiREG) die digitalen Möglichkeiten noch einmal deutlich erweitert. So sollen nun unter bestimmten Voraussetzungen auch (beurkundungspflichtige) Gesellschafterbeschlüsse zur Änderung von GmbH-Gesellschaftsverträgen mittels Videokonferenzen möglich sein.

Die Zustimmung des Bundesrats zum DiREG ist am 8. Juli 2022 erfolgt. Die Neuerungen werden zweistufig zum 1. August 2022 und zum 1. August 2023 in Kraft treten.

Welche Erleichterungen gelten bereits ab dem 1. August 2022?

GmbH-Gründung
Bereits ab dem 1. August 2022 wird die Möglichkeit bestehen, eine GmbH oder eine UG (haftungsbeschränkt) in einem neu geschaffenen Video-Beurkundungsverfahren zu gründen. Die Errichtung von anderen Kapitalgesellschaften (insbesondere auch Aktiengesellschaften) ist von dem Anwendungsbereich dieses Verfahrens hingegen ausgeschlossen. 

Die Gründung per Video-Beurkundungsverfahren wird bis zum 1. August 2023 auf Bargründungen beschränkt sein. Das Verfahren erstreckt sich auch auf die zugehörigen Gesellschafterbeschlüsse (insbesondere Geschäftsführerbestellungen).

Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen mittels Videokonferenz
Das DiRUG sah bislang nur einen sehr begrenzten Anwendungsbereich für die Beglaubigung von Registeranmeldungen mittels Videokonferenz vor. Das DiREG erweitert nun zum 1. August 2022 das Verfahren auf sämtliche Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister, dem Genossenschaftsregister, zum Partnerschaftsregister und zum künftigen Gesellschaftsregister.

„Virtuelle“ Gesellschafterversammlungen bei einer GmbH künftig auch ohne Satzungsregelung möglich
§ 48 Abs. 1 GmbHG sieht vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter in Versammlungen gefasst werden müssen. Unter der Versammlung in Abs. 1 ist grundsätzlich die Präsenzversammlung zu verstehen. Demnach war nach alter Rechtslage die Abhaltung einer präsenzlosen Gesellschafterversammlung nur dann möglich, wenn die Satzung eine derartige Versammlung vorsah. 

Um zu vermeiden, dass es vor einer Onlinebeurkundung von Beschlüssen erst einer Satzungsänderung - in Präsenz - bedarf, sieht der neue § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ab dem 1. August 2022 vor, dass Versammlungen von GmbH-Gesellschaftern auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden können, wenn sämtliche Gesellschafter sich damit in Textform (z.B. E-Mail) einverstanden erklären.

Für die Durchführung der Gesellschafterversammlung ist jedes System zur fernmündlichen oder audiovisuellen Kommunikation zugelassen (sofern der Gesellschafterbeschluss nicht beurkundungspflichtig ist).

Der neue § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG schließt nicht aus, in der Satzung ein abweichendes (präsenzloses) Abstimmungsverfahren zuzulassen. Dies folgt bereits aus dem Grundsatz der Satzungsautonomie der Gesellschafter im GmbH-Recht. Ebenso kann eine Satzung ein Präsenzverfahren verpflichtend vorschreiben und präsenzlose Verfahren ausschließen.

Gründungsvollmachten
Der neue § 2 Abs. 2 Satz 2 GmbHG sieht die notarielle Errichtung einer Gründungsvollmacht im Wege der Beurkundung nach §§ 16a ff. BeurkG vor. Jede Spezialvollmacht, die zur Gründung einer GmbH (bzw. zur nachträglichen Änderung der Gründungsurkunde) erteilt wird, ist hierbei dem Onlinebeurkundungsverfahren zugänglich. Bisher nicht vorgesehen ist dagegen eine bloße Onlinebeglaubigung der Vollmacht.

Nicht beurkundungsbedürftige Erklärungen und Beschlüsse
Der neue § 2 Abs. 3 Satz 3 GmbHG ermöglicht es zudem, im Rahmen der GmbH-Gründung auch solche Willenserklärungen (mit) zu beurkunden, die nicht der notariellen Form bedürfen.

Hierdurch wird insbesondere die Gelegenheit geboten, nicht beurkundungsbedürftige Gesellschaftervereinbarungen wie etwa Stimmbindungsverträge oder Vereinbarungen zu Wettbewerbsverboten mit in die Urkunde aufzunehmen.

Gemischte Beurkundung
Im Rahmen des Onlineverfahrens ist es ebenfalls möglich, dass ein Teil der Beteiligten in Präsenz anwesend ist und der andere Teil per Videokommunikation zugeschaltet wird. Hierbei muss der Notar eine inhaltsgleiche Niederschrift in Papierform aufnehmen. 

Amtsbereichsprinzip
Nach § 10a BNotO darf das Onlineverfahren nur angeboten werden, wenn zumindest einer der Beteiligten einen örtlichen Bezug zu dem Amtsbereich des Notars aufweist (z.B. Sitz der juristischen Person oder rechtsfähigen Personengesellschaft oder auch der Wohnsitz eines organschaftlichen Vertreters im Amtsbereich).

Welche Erleichterungen gelten ab dem 1. August 2023?

Einige Änderung des DiREG sollen wegen des damit einhergehenden organisatorischen und technischen Aufwands erst mit Wirkung zum 1. August 2023 in Kraft treten.

Sachgründungen
Das DiRUG hatte noch Sachgründungen vom Onlineverfahren ausgenommen und dessen Anwendungsbereich auf Bargründungen von GmbH beschränkt. Mit dem DiREG wird diese Beschränkung aufgegeben, so dass ab dem 1. August 2023 auch die Einbringung bestimmter Vermögensgegenstände in die GmbH im Wege der Sachgründung oder eine Bargründung mit Sachagio möglich sein wird. 

Beurkundung von GmbH-Gesellschafterbeschlüssen mittels Videokonferenz
Sämtliche satzungsändernden GmbH-Gesellschafterbeschlüsse, die beurkundungsbedürftig sind, können ab dem 1. August 2023 online beurkundet werden. Wichtige Voraussetzung: Der betreffende Gesellschafterbeschluss wird einstimmig gefasst. 

Das Onlineverfahren bei satzungsändernden GmbH-Gesellschafterbeschlüssen ist wegen der damit verbundenen Zeit- und Kostenersparnis besonders attraktiv. Insbesondere bei einem größeren Gesellschafterkreis oder Auslandsbezug bringt das DiREG erhebliche Erleichterungen für die Praxis. Von der Möglichkeit der Onlinebeurkundung sind insbesondere auch Satzungsänderungen im Rahmen von Kapitalmaßnahmen umfasst (einschließlich Übernahmeerklärungen). 

Noch nicht abschließend geklärt ist, wie im Rahmen der Onlinebeurkundung eines Gesellschafterbeschlusses mit nicht erschienenen Gesellschaftern oder Stimmenthaltungen umzugehen ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Onlineverfahren nicht bei kontroversen Gesellschafterbeschlüssen zur Anwendung kommen. Stimmenthaltungen könnten daher aufgrund ihres Konfliktpotentials der Zulässigkeit der Onlinebeurkundung entgegenstehen; das bloße Fernbleiben eines Gesellschafters sollte hingegen kein Hindernis darstellen, sofern die Gesellschafterversammlung beschlussfähig ist.

Das Zustimmungserfordernis aus § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG für die Durchführung von „virtuellen“ Gesellschafterversammlungen ist vom Einstimmigkeitserfordernis für Onlinebeurkundungen zu unterscheiden. Zwar ist jeweils das Ziel, bei Beschlüssen mit Konfliktpotential und Diskussionsbedarf das Präsenzverfahren zu erzwingen. Jedoch bezieht sich das Zustimmungserfordernis gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG auf sämtliche Beschlüsse. Das Einstimmigkeitserfordernis betrifft hingegen nur beurkundungsbedürftige satzungsändernde Beschlüsse. 

Bei einem beurkundungsbedürftigen Beschluss im Onlineverfahren sind beide Anforderungen kumulativ einzuhalten, sodass ein solcher Beschluss nur wirksam ist, wenn einerseits eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zur präsenzlosen Versammlung vorliegt und der Beschluss hinsichtlich sämtlicher zugeschalteter Gesellschafter einstimmig erfolgt. Die Zustimmung zur präsenzlosen Versammlung kann auch ad hoc erteilt werden, sofern sämtliche Gesellschafter in der präsenzlosen Versammlung anwesend sind. Ist das Zustimmungserfordernis hingegen nicht erfüllt, dürften die gefassten Beschlüsse allesamt nichtig sein.

Beglaubigung von Vereinsregisteranmeldungen
Ab dem 1. August 2023 soll auch die Beglaubigung von Vereinsregisteranmeldungen möglich sein.

Und für welche Maßnahmen ist u.a. noch der Gang zum Notar erforderlich?

Kein Onlineverfahren bei Beurkundungspflicht aus anderen Formvorschriften
Eine Sachgründung kann gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG nur dann im Onlineverfahren erfolgen, „sofern andere Formvorschriften nicht entgegenstehen“. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen nur die Formvorschriften des § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (notarielle Form der Gründungsurkunde) und des § 53 Abs. 3 Satz 1 GmbHG (notarielle Form des Beschlusses über die Satzungsänderung) durch eine Beurkundung im Onlineverfahren gewahrt werden können. 

Eine Präsenzbeurkundung ist daher immer dann erforderlich, wenn daneben weitere Formvorschriften greifen, die eine notarielle Beurkundung voraussetzen. Dies betrifft insbesondere die Einbringung von Grundstücken und GmbH-Anteilen. Auch im Übrigen kann die Beurkundung der Veräußerung von Grundstücken oder GmbH-Geschäftsanteilen nicht im Onlineverfahren erfolgen.

Umwandlungsvorgänge
Nicht erfasst von dem Onlineverfahren sind auch Umwandlungsvorgänge (z.B. Verschmelzungen, Formwechsel). Nach der Auffassung des Gesetzgebers weisen diese eine erhöhte Komplexität auf und eignen sich daher nicht für eine Onlinebeurkundung.

Keine Beurkundung von Tatsachen
Der Gesetzgeber macht hinsichtlich des Onlineverfahrens bei GmbH-Gesellschafterbeschlüssen deutlich, dass eine Beurkundung nur im Wege der Beurkundung von Willenserklärungen gemäß §§ 16a ff. BeurkG erfolgen darf, während ein Tatsachenzeugnis über Wahrnehmungen am Bildschirm nicht möglich sein soll. 

Allgemeine technische Rahmenbedingungen für das Onlineverfahren

Um am Onlineverfahren teilnehmen zu können, werden ein Computer / Laptop / Tablet mit Webcam und Mikrofon sowie ein Smartphone mit NFC-Schnittstelle und Notar-App benötigt; beide Geräte sollten über eine schnelle und stabile Internetverbindung verfügen. Die Notar-App wird ab dem 1. August 2022 im Google Play Store und im App Store kostenlos zur Verfügung stehen.

Des Weiteren wird ein elektronischer Identitätsnachweis (eID) benötigt, um eine sichere Identifizierung der Beteiligten über das zweistufige Verfahren zu ermöglichen. 
Hierbei kann ein deutscher Personalausweis mit aktivierter Online-Funktion, eine eID-Karte oder ein elektronischer Aufenthaltstitel verwendet werden. Ein deutscher Reisepass hingegen stellt mangels eID kein taugliches Identifizierungsmittel dar.

Im Rahmen der Registrierung muss die eID dann über das Smartphone mit der Notar-App ausgelesen werden. Ist die Registrierung nicht im Vorhinein erfolgt, kann das Onlineverfahren auch notarseitig mittels Einladungslink in Gang gesetzt werden. Zudem muss ein Lichtbild ausgelesen und übermittelt werden, das auf dem Chip des Personalausweises oder Reisepasses hinterlegt ist. 

Am notariellen Onlineverfahren nehmen die Beteiligten dann mittels Computer / Laptop / Tablet über eine Internetplattform der Bundesnotarkammer (www.notar.de/online-verfahren) teil. Über diese Plattform können ebenfalls Informationen und Dokumente ausgetauscht werden.

In der Videokonferenz werden die Beteiligten anhand der ausgelesenen eID-Daten sowie anhand des ausgelesenen Lichtbildes durch den Notar identifiziert. Das elektronische Dokument, sprich die Urkunde, wird verlesen und dessen Inhalt erläutert. Abschließend wird das Dokument durch die Beteiligten sowie durch den Notar jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Die Beteiligten erhalten hierfür eine SMS-TAN auf ihr Smartphone und geben diese auf der Internetplattform ein, wodurch sie eine Fernsignatur auslösen. Sie benötigen daher keine Signaturkarte oder zusätzliche Hard- bzw. Software. Der Notar signiert wie gewohnt mittels Karte und Kartenleser. Die so entstandene elektronische Urkunde wird anschließend in die elektronische Urkundensammlung hochgeladen. 

Sobald die Eintragung ordnungsgemäß im Register vollzogen wurde und der Notar dies geprüft hat, können die Beteiligten mittels einer Push-Mitteilung auf der Notar-App über den erfolgreichen Verfahrensabschluss informiert werden.

Berater und sonstige Dritte, die dem Beurkundungsverfahren nur beiwohnen, ohne identifiziert werden zu müssen oder die elektronische Niederschrift zu signieren, können bereits nach der bloßen Registrierung auf der Internetplattform an einer Videobeurkundung teilnehmen. Sie benötigen weder die Notar-App noch ein gültiges Ausweisdokument.

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