Die neue HOAI (2021) auf der Zielgeraden – Wesentliche Neuerungen und Kritikpunkte

Hamburg, 12.10.2020

Die Reform der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) wird nun zügig vorangetrieben. Mit dem Beschluss des Bundeskabinetts am 16.09.2020 und dem Beschluss des Bundestags vom 08.10.2020 ist der Weg frei, damit die neue Fassung der HOAI wie geplant am 01.01.2021 in Kraft treten kann.

Der aktuelle Verfahrensstand

Hintergrund der Reform ist das Urteil des EuGH vom 04.07.2019 (Az. C-377/17), in dem dieser entschieden hatte, dass die verbindlichen Mindest- und Höchsthonorarsätze der HOAI gegen europäisches Recht (konkret gegen Art. 15 EU-Dienstleistungsrichtlinie) verstoßen. In der Regel sollen die Vorgaben durch den EuGH innerhalb eines oder höchstenfalls eineinhalb Jahren in das nationale Recht umgesetzt werden.

Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer HOAI durch das Bundeskabinett ist das Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG). Dieses Gesetz schrieb bislang unter anderem vor, dass Mindest- und Höchstsätze für Honorare festzusetzen sind, die für die von der Honorarordnung erfassten Leistungen gelten. Auf Grundlage dieser Vorgaben enthält die (noch) aktuelle HOAI (als Rechtsverordnung des Bundeskabinetts) verbindliche Mindest- und Höchstsätze.

Das ArchLG ist nun, infolge der EuGH-Rechtsprechung, angepasst worden und bedurfte dabei der Zustimmung durch den Bundesrat. Änderungen sind auch in anderen Bundesgesetzen, wie dem BGB, vorgesehen. Hierbei wird jedoch lediglich der bindende Verweis in § 650q Abs. 2 BGB auf die Entgeltberechnungsregeln der HOAI gestrichen.

Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hatte das Bundeskabinett bereits am 15.07.2020 beschlossen. 

Am 18.09.2020 stimmte der Bundesrat diesem Entwurf eines Änderungsgesetzes zu. Mit einstimmigem Beschluss vom 08.10.2020 stimmte auch der Bundestag dem neuen ArchLG zu.

Nach Abschluss des parlamentarischen Verfahrens und des Inkrafttretens der Änderungen des ArchLG, kann auch die neue Fassung der HOAI in Kraft treten.

Mit Beschluss vom 16.09.2020 schickte das Bundeskabinett den Entwurf der Ersten Verordnung zur Änderung der HOAI auf dem Weg. Den geplanten Änderungen stimmte der Bundestag am 16.09.2020 zu. Die neue HOAI selbst muss ebenfalls noch durch den Bundesrat abgesegnet werden. 

Die wesentlichen Neuerungen

Um den Vorgaben durch den EuGH gerecht zu werden, wurden einige entscheidende Änderungen im ArchLG vorgenommen auf Grundlage derer das Bundeskabinett folgende Änderungen in der HOAI vorgesehen hat:

  • Honorare für alle von der HOAI erfassten Leistungen sind künftig frei vereinbar
  • „Kann zugrunde gelegt werden“ anstelle von „regelt die Berechnung“
  • „Honorartafeln“ nur noch als „Honorarspannen zur Orientierung“
  • Leistungen der Anlage 1 der HOAI sind künftig den sonstigen Grundleistungen der HOAI gleichgestellt
  • “Textform“ anstatt „schriftliche Vereinbarung bei Auftragserteilung innerhalb eines festgesetzten Rahmens“
  • Die Grundlagen und Maßstäbe zur Berechnung von Honoraren müssen sich im Rahmen des „Angemessenen“ bewegen
  • Änderungen gelten erst ab dem 01.01.2021

Honorare für alle von der HOAI erfassten Leistungen sind künftig frei vereinbar

So lautet die alternativlose Lösung des Bundeskabinetts für das durch das EuGH-Urteil aufgeworfene Problem.

Die HOAI erfährt durch ihre Neufassung einige wesentliche Änderungen. Hinter all diesen Änderungen steht die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Recht der Europäischen Union und den völkerrechtlichen Verträgen. 

„Kann zugrunde gelegt werden“ anstelle von „regelt die Berechnung“

Die neue Formulierung in § 1 des Entwurfs zur Änderung der HOAI (HOAI-E) macht den neuen Charakter der Verordnung deutlich. Die HOAI enthält künftig kein verbindliches Preisrecht mehr und dementsprechend keine verbindlichen Regelungen für die Berechnung der Entgelte für bestimmte Leistungen.

Auch die Zielrichtung wird dadurch klargestellt. Wenn allerdings keine verbindlichen preisrechtlichen Vorgaben mehr enthalten sind, sieht die HOAI auch weiterhin Maßstäbe und Grundlagen für die Berechnung von Honoraren für die von der HOAI erfassten Leistungen vor. 

Die Kalkulationsregelungen der HOAI müssen aber nicht genutzt werden. Das Honorar kann immer auch auf andere Art, zum Beispiel durch eine Stundensatzvereinbarung oder über eine Pauschale, ermittelt werden. Daher ist auch die Beschränkung auf inländische Auftragnehmer entfallen.

„Honorartafeln“ nur noch als „Honorarspannen zur Orientierung“

Zur Erläuterung des künftigen Zwecks der Honorartafeln dient der neu eingefügte § 2a HOAI-E.

Dieser schreibt den Honorartafeln ausdrücklich den Charakter als Orientierungswerte zu, beschreibt deren Aufbau und definiert den neuen Begriff „Basishonorarsatz“.

Die Honorartafeln enthalten Honorarspannen vom Basishonorarsatz (der jeweils untere in den Honorartafeln enthaltene Honorarsatz) bis zum oberen Honorarsatz. Sie sollen künftig bei der Ermittlung des angemessenen Honorars eine Hilfestellung bieten und somit auch dem Verbraucherschutz durch Preisorientierung zuträglich sein.
Ansonsten bleiben Aufbau und Inhalt der Honorartafeln im Wesentlichen gleich. 

Diese im neuen § 2a HOAI-E aufgegriffene Änderung des Zwecks der Honorartafeln wird in § 6 Abs. 1, 2 HOAI-E hervorgehoben und setzt sich zudem im weiteren Verordnungstext in den jeweiligen Vorschriften zum „Honorar für Grundleistungen“ und in der Anlage 1 fort, vgl. §§ 20 f., 28 ff., 35, 40, 44 etc.

Leistungen der Anlage 1 der HOAI sind künftig den sonstigen Grundleistungen der HOAI gleichgestellt

Die bisherige Sonderstellung der Leistungen der Anlage 1 wird im angepassten § 3 HOAI-E entfernt. Bisher hatten die Leistungen der Anlage 1 die Sonderstellung, dass sie nicht dem verbindlichen Preisrecht unterlagen. Durch den Entfall der Verbindlichkeit sind die Leistungen der Anlage 1 den übrigen Grundleistungen nun gleichgestellt.

“Textform“ anstatt „schriftliche Vereinbarung bei Auftragserteilung innerhalb eines festgesetzten Rahmens“

Das wesentliche Element der Änderung schlägt sich vor allem in der Neufassung des § 7 HOAI zur Honorarvereinbarung nieder.

Die Möglichkeit, eine wirksame Honorarvereinbarung zu treffen, wird insofern erleichtert, als dass künftig eine Vereinbarung in Textform gemäß § 126b BGB (d.h. per E-Mail kann schon ausreichend sein) genügt. Die Honorarvereinbarung muss damit nicht mehr, wie bisher, schriftlich (d.h. durch handschriftliche Namensunterschrift) und zum Zeitpunkt der Auftragserteilung geschlossen werden, um wirksam zu sein.

Diese Anpassung soll auch im Sinne der Rechtssicherheit eine praxisnahe und einfach umzusetzende Möglichkeit zum Abschluss wirksamer Honorarvereinbarungen eröffnen. Da es künftig nicht mehr auf einen bestimmten Zeitpunkt ankommt, können Honorarvereinbarungen auch erst im späteren Verlauf einer Vertragsbeziehung geschlossen oder später bei Bedarf angepasst werden, wenn schon eine wirksame Honorarvereinbarung besteht.

Für den Fall, dass keine wirksame Vereinbarung über die Höhe des Honorars getroffen wurde, gilt der im neuen § 2a HOAI-E legaldefinierte Basishonorarsatz als vereinbart. Aufgrund der Gleichstellung der Leistungen der Anlage 1 der HOAI mit den übrigen Grundleistungen, kommt diese gesetzliche Fiktion auch bei Vertragsverhältnissen zur Anwendung, die Leistungen der Anlage 1 der HOAI zum Gegenstand haben.
Darüber hinaus sieht § 7 Abs. 2 HOAI-E nun eine Hinweispflicht des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber auf die Möglichkeit zur Vereinbarung eines im Vergleich zur Honorartafel höheren oder niedrigeren Honorars vor. Damit soll sichergestellt werden, dass der Orientierungscharakter der in den Honorartafeln enthaltenen Honorarwerte allen Vertragsparteien bekannt ist.

Die ausdrücklich vorgesehene Regelung zur Vereinbarung eines Erfolgs- oder Malushonorars in § 7 Abs. 6 HOAI a.F., wie auch die Möglichkeit zur schriftlichen Abweichung nach § 6 Abs. 3 HOAI a.F., entfallen, da es den Parteien nun ohnehin freisteht, entsprechende Absprachen in einer Honorarvereinbarung zu treffen.

Die Grundlagen und Maßstäbe zur Berechnung von Honoraren müssen sich im Rahmen des „Angemessenen“ bewegen

Das inzwischen beschlossene Ermächtigungsgesetz ArchLG hat in letzter Minute noch eine von den Fachverbänden (Bundesarchitektenkammer, Bundes-ingenieurkammer, AHO, Verband Beratender Ingenieure sowie dem Bundesrat auf Empfehlung des federführenden Wirtschaftsausschusses) dringend geforderte Ergänzung erfahren.

In das Gesetz ist ein Hinweis darauf aufgenommen worden, dass bei der Bestimmung der Honorartafeln zur Honorarorientierung „zur Ermittlung angemessener Honorare“ den berechtigten Interessen der Ingenieure und Architekten und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung zu tragen ist.

Dieser Einschub soll einen reinen Preiswettbewerb verhindern, eine gerichtliche Überprüfung sowohl zu hoher als auch zu niedriger Honorare erleichtern und langwierige Streitigkeiten vermeiden. Entsprechende Regelungen finden sich bereits im Steuerberatungsgesetz und der Steuerberatungsvergütungsverordnung sowie im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Änderungen gelten erst ab dem 01.01.2021

Um Rechtssicherheit unter den einschlägigen Vertragsparteien zu gewährleisten, gelten die Änderungen der HOAI erst für diejenigen Vertragsverhältnisse, die nach Ablauf des 31.12.2020 (und damit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens) erstmalig begründet wurden.

Die wesentlichen Kritikpunkte

Sowohl der Entwurf zur Änderung des Ermächtigungsgesetzes ArchLG, als auch der Entwurf einer HOAI-Änderungsverordnung haben diverse Fachverbände zu Stellungnahmen veranlasst.

Einer der häufigsten Kritikpunkte war bis zuletzt die Aufnahme eines ausdrücklichen Angemessenheits-Hinweises in das ArchLG. In diesem Punkt hat die Bundesregierung schließlich nachgegeben.

Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände

Die Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände fällt grundsätzlich positiv aus. 

Bemängelt wird jedoch, dass unter anderem zu häufig keine „kann“-Formulierung, sondern eine „ist“-Formulierung im Verordnungstext gewählt wurde. Dies sei zur stärkeren Verdeutlichung des unverbindlichen Charakters, insbesondere in § 6 Abs. 2 S. 2 und 4 HOAI-E, anzupassen.

Schließlich sei auch die gewählte Vergangenheitsform in § 7 Abs. 1 S. 2 HOAI-E („getroffen wurde“) unglücklich gewählt. Dies läge einen entsprechend (nämlich in der Vergangenheit liegenden) abgeschlossenen Zeitpunkt nahe. Auf einen bestimmten Zeitpunkt, zu dem eine Honorarvereinbarung wirksam abgeschlossen sein muss, soll es aber nun nicht mehr ankommen.

Stellungnahme des Bundesarchitektenkammer (BAK), Bundesingenieurkammer (BIngK) und des Ausschusses der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarsordnung e.V. (AHO)

Auch die Stellungnahme der BAK, BIngK und des AHO fällt im Grunde positiv aus.

Sie führt allerdings aus, dass ein ausdrücklicher Angemessenheits-Hinweis im ArchLG sich auch in der HOAI selbst wiederspiegeln müsse - etwa als neuer Absatz zu § 2 HOAI und als abschließender Satz zu § 6 Abs. 1 HOAI.

Darüber hinaus sind die Fachverbände der Auffassung, das völlig unverbindliche „Können“ in § 1 S. 2 HOAI-E, sei besser durch ein verbindlicheres, aber nicht verpflichtendes, „Sollen“ zu ersetzen. Gerade im Hinblick auf den Leistungsumfang und das sich daraus ergebende hohe Haftungsrisiko bei Architekten- und Ingenieurleistungen, sei es notwendig, die HOAI als verlässliche Honorarorientierung zu empfehlen.

Des Weiteren sehen die Fachverbände es für dringend erforderlich an, bereits jetzt eine laufende Anpassung der Honorare der Flächenplanung an die allgemeine Preisentwicklung (Dynamisierung) vorzunehmen. Dazu sei in § 2 HOAI eine Regelung aufzunehmen, nach der „bei Honoraren, die nach Flächengrößen oder Verrechnungseinheiten zu ermitteln sind, eine jährliche Beaufschlagung (oder: Anpassung) entsprechend dem veröffentlichten Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes berücksichtigt wird“.

Schließlich sei § 15 HOAI, der die Zahlungsmodalitäten des Honorars regelt, aus Gründen der Rechtsklarheit so beizubehalten, wie er bislang normiert ist. In § 15 HOAI-E wird auf entsprechende BGB-Vorschriften verwiesen, die seit dem 01.01.2018 im BGB für Architekten- und Ingenieurverträge enthalten sind. Die Verbände sind jedoch der Auffassung, für die nichtjuristischen Anwender in der Praxis seien Regelungen in der HOAI selbst verständlicher.

Verband Beratender Ingenieure (VBI)

Der VBI zeigte sich insbesondere erfreut über die Aufnahme des Angemessenheits-Hinweises in das ArchLG. 

Noch ausstehend sei jedoch die dringend erforderliche Aktualisierung der Leistungsbilder und die Erhöhung der seit 2013 unveränderten Tafelwerte.

Fazit

Neue Freiheiten ohne messbaren zusätzlichen Erfüllungsaufwand oder Auswirkungen auf das Preisniveau.

Der Kern der HOAI-Reform wird durch die von festgesetzten Mindest- und Höchstsätzen losgelöste Freiheit zur Honorarvereinbarung ausgefüllt.

Künftig wird es keine verbindlichen Mindest- und Höchstsätze mehr geben. Die Regelungen, die die HOAI für die Kalkulation der Honorare enthält, werden aber beibehalten und dienen den Rechtsanwendern als Orientierung, damit ein im Einzelfall angemessenes Honorar ermittelt werden kann.

Nachdem das Honorar bislang zwangsläufig vor allem auf der Grundlage der Kostenberechnung basierte und nach der Rechtsprechung durch den EuGH mittels Zu- und Abschlägen angepasst wurde, hält mit der neuen HOAI fast völlige Vereinbarungsfreiheit im Sinne der Privatautonomie Einzug.

Durch den gesetzlich (im ArchLG) verankerten Grundsatz, dass die gegenständlichen Honorare angemessen sein müssen, wird gewährleistet, dass im Falle der Heranziehung der Honorarberechnungsgrundlagen der HOAI jedenfalls ein angemessenes Honorar für die Honorarvereinbarung ermittelt wird. 

Demzufolge ist jedoch künftig auch ein von Anfang an konkret bestimmtes Festpreishonorar vereinbar.

Inwiefern die Kritikpunkte der Fachverbände, insbesondere die Anpassung diverser Honorartafelwerte, Gehör beim Bundeskabinett finden, bleibt abzuwarten.

Die Hinwendung zum reinen „Vereinbarungsmodell“ wirft die bisherigen Motive des Gesetzgebers über Bord. Danach sollten bei extremen Marktschwankungen eine Gebührenüberhöhung ebenso verhindert werden, wie Dumpingpreise bei schwächerer Baukonjunktur. Es bleibt abzuwarten, ob es zukünftig bei Änderungen der Baukonjunktur zu solchen Entwicklungen kommen wird.

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