Das geplante Wasserstoffbeschleunigungsgesetz in vergaberechtlicher Hinsicht

Frankfurt am Main, 13.06.2024

Das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz (WaBG) für den beschleunigten Ausbau der Infrastruktur für Erzeugung, für Speicherung und Import von Wasserstoff soll unter anderem die Vergabeverfahren optimieren und durch spezielle Ausnahmeregelungen eine schnellere Umsetzung von Wasserstoffprojekten in Deutschland ermöglichen. Mit verkürzten Fristen, digitalisierten Verfahren, vergaberechtlichen Ausnahmen und der Einstufung als überragendes öffentliches Interesse hat der aktuelle Entwurf zum Ziel, verfahrensrechtliche Hürden zu reduzieren und den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur erheblich zu beschleunigen.

Überblick / Einordnung

Der Entwurf des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes (WaBG-E) wurde im Kontext der deutschen Energiewende und Klimapolitik geschaffen, um den zügigen Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu ermöglichen. Die Bundesregierung verfolgt damit das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2045 auf Netto-Null zu reduzieren und bis 2030 eine Elektrolysekapazität von mindestens 10 GW zu erreichen. Dies erfordert erhebliche Investitionen in die Produktion, den Import und die Speicherung von Wasserstoff sowie in die notwendige Infrastruktur. Durch spezifische Änderungen im Vergaberecht sollen gemäß Zielsetzung des Gesetzesentwurfs Prozesse optimiert werden, um öffentliche Aufträge effizient und zeitgerecht zu vergeben und umzusetzen.

Anwendungsbereich des Gesetzes

Gemäß § 2 Abs. 1 WaBG-E soll das Gesetz auf die Zulassung von bestimmten Anlagen und Leitungen, einschließlich der jeweils dazugehörigen Nebenanlagen, anzuwenden sein. Diese Anlagen und Leitungen umfassen im Einzelnen: 

  1. Elektrolyseure an Land zur Erzeugung von Wasserstoff,
  2. Anlagen zur Speicherung von Wasserstoff,
  3. Anlagen zum Import von Wasserstoff,
  4. Anlagen zum Import von Ammoniak,
  5. Anlagen zum Import von flüssigen organischen Wasserstoffträgern,
  6. Anlagen zur Aufspaltung von Ammoniak,
  7. Anlagen zur Dehydrierung von flüssigen organischen Wasserstoffträgern,
  8. Verdichter, die für den Betrieb von Wasserstoffleitungen erforderlich sind,
  9. Dampf- oder Wasserleitungen, die für den Betrieb von Anlagen nach den Nummern 1 bis 7 erforderlich sind, oder
  10. Stromleitungen, die eine Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien mit dem Standort einer Anlage nach den Nummern 1 bis 7 zum Zweck der direkten Versorgung verbinden.

§ 2 Absatz 2 WaBG-E stellt insoweit klar, dass das WaBG auch auf die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen für entsprechende Anlagen oder Leitungen anzuwenden ist.

Vergaberechtliche Maßgaben des WaBG-E

Das WaBG-E enthält spezifische Regelungen, welche die allgemeinen vergaberechtlichen Vorschriften modifizieren und besondere Ausnahmeregelungen zur Erreichung der entsprechenden Ziele beinhalten. Dies umfasst insbesondere die folgenden Aspekte:

  1. Überragendes öffentliches Interesse: Projekte im Anwendungsbereichdes WaBG-E werden grundsätzlich als solche von überragendem öffentlichen Interesse gemäß § 4 WaBG-E betrachtet. Insoweit wird durch das WaBG-E der Rechtsschutzeffekt des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens, mit welchen regelmäßig ein sog. Suspensiveffekt verknüpft ist, dadurch eingeschränkt, dass der Zuschlag auch ohne Abschluss des Nachprüfungsverfahrens erfolgen werden kann (§ 16 Abs. 6 WaBG-E i. V. m. § 169 Abs. 2 GWB). Weiter stellt § 16 Abs. 5 WaBG-E klar, dass die Einstufung als Maßnahme von überragendem öffentlichen Interesse nach § 4 WaBG-E auch bei der Entscheidung der Vergabekammer hinsichtlich der Art und Weise einer Abhilfe von Rechtsverletzungen nach § 168 GWB zu berücksichtigen sind.
  2. Beschleunigung von streitigen Verfahren (§ 16 Abs. 4 bis 9 WaBG-E): Die Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern und das sofortige Beschwerdeverfahren sollen beschleunigt werden, in dem die Entscheidung nach Aktenlage gefördert wird und ausdrücklich mündliche Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragung nach § 128a der Zivilprozessordnung durchgeführt werden können. Auch soll Auftraggebern erleichtert die vorzeitige Gestattung des Zuschlags durch das betreffende Nachprüfungsorgan ermöglicht werden. Grundsätzlich sind die verfahrensrechtlichen Besonderheiten dadurch geprägt, dass Nachprüfungsorgane die zeitliche Komponente (Beschleunigungsziel) zu beachten haben.
  3. Erleichterte GesamtvergabeGrundsätzlich gilt im Kartellvergaberecht der Grundsatz der losweisen Vergabe (Teil- und Fachlose) nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB, wobei mehrere Teil- oder Fachlose nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB nur ausnahmsweise aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen zusammen vergeben werden dürfenGemäß § 16 Abs. 2 und 3 WaBG-E können im betreffenden Anwendungsbereich nunmehr auch zeitliche Gründe für eine Gesamtvergabe herangezogen werden.
  4. Anwendung des WaBG auch auf laufende Beschaffungsvorhaben: Gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 WaBG-E sollen die Erleichterungen auch für Vergabeverfahren und Nachprüfungsverfahren gelten, die vor dem Inkrafttreten des WaBG begonnen, aber noch nicht abgeschlossen wurden. Dadurch wird der Adressatenkreis des WaBG erheblich erweitert.

Fazit

Das WaBG stellt einen wichtigen Meilenstein für den Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffwirtschaft in Deutschland dar. Durch die spezifischen Anpassungen im Vergaberecht und die Einführung beschleunigter Verfahren wird sichergestellt, dass die benötigte Infrastruktur für die Wasserstoffproduktion und -nutzung schnell und effizient aufgebaut werden kann. Mit dem WaBG wird nicht nur die Umsetzung von Wasserstoffprojekten erleichtert, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und zur Transformation des Energiesystems geleistet. Öffentliche Auftraggeber sollten daher im Vorfeld prüfen, ob die Ausnahmevorschriften des WaBG für das jeweilige Projekt fruchtbar gemacht werden können. 

Als nächstes werden jedoch zunächst Bundesrat und Bundestag mit dem Gesetzesentwurf befasst werden

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