Das OLG Dresden hatte in seinem Urteil vom 25.01.2023 (Az.: 5 U 1239/22) über die Frage zu entscheiden, ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB gegeben ist, wenn der Vermieter auf ein berechtigtes Anliegen des Mieters nicht angemessen reagiert und Abhilfe leistet.
Sachverhalt der Entscheidung
Der Vermieter vermietete dem beklagten Mieter Flächen in einem Gewerbeobjekt in Leipzig für den Betrieb eines Fleischereifachgeschäfts. Nachdem der Mieter das Mietobjekt bezogen hatte, stellte er fest, dass die Elektroanlage nicht den Anforderungen seines Betriebs entsprach. Er forderte den Vermieter erfolglos zur Instandsetzung auf und führte schließlich selbst die erforderlichen Installationen durch.
Im Jahr 2019 bemerkte der Mieter, dass der Stromverbrauch der Klimaanlage des benachbarten Mieters über seinen Stromanschluss lief. Seine Bitten um Aufklärung durch WhatsApp-Nachrichten an den Vermieter vom 01.08.2019 und 14.11.2019 blieben durch diesen unbeantwortet. Schließlich setzte der Mieter dem Vermieter im März 2020 eine 14-tägige Frist, die Nutzung seines Stromzählers durch den benachbarten Mieter zu beenden. Der Vermieter reagierte hierauf eine Woche später mit einem Anwaltsschreiben, in welchem er erklärte, der Energieverbrauch des benachbarten Mieters laufe keinesfalls über den Stromzähler des Mieters. Zudem bot der Vermieter an, einen Fachmann mit der Prüfung zur Klärung der Angelegenheit zu beauftragen und stellte in Aussicht, sich hinsichtlich etwaiger Terminvorschläge nach Lockerung der aktuellen infektionsschutzrechtlichen Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu melden. Der Mieter kündigte dennoch nach Ablauf der von ihm gesetzten Frist das Mietverhältnis außerordentlich zum 30.04.2020 und stellte die Mietzahlungen ab April 2020 ein.
Der Vermieter erhob daraufhin Klage auf Zahlung rückständiger Mieten und auf Feststellung, dass das Mietverhältnis nicht beendet worden sei. Der Mieter begehrte widerklagend die Erstattung der Installationskosten der neuen Elektroanlage sowie der Stromkosten für die Klimaanlage des benachbarten Mieters. Das LG Leipzig hatte erstinstanzlich den Mieter lediglich zur Zahlung der Miete für April 2020 verurteilt und wies im Übrigen die Klage ab. Der Widerklage hatte das LG Leipzig vollumfänglich stattgegeben. In der Berufungsinstanz bestätigte das OLG Dresden die Klageabweisung, gab der Berufung des Vermieters bezüglich der Widerklage zumindest teilweise statt und sah nur den Anspruch auf Kostenerstattung des durch den benachbarten Mieter verursachten Stromverbrauch als teilweise begründet an. Die Kosten für die Installation der neuen Elektroanlage seien jedoch nicht durch den Vermieter zu erstatten.
Urteilsbegründung
Das OLG Dresden sah die außerordentliche Kündigung des Mieters zum 30.04.2023 als wirksam an und wies den Anspruch des Vermieters auf Mietzahlungen ab Mai 2020 als unbegründet ab. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Kündigenden unzumutbar ist. Das OLG Dresden betonte, dass grundsätzlich jede Verletzung von Pflichten einen wichtigen Grund gemäß § 543 BGB darstellen könne. Es komme auf eine Gesamtabwägung der Umstände im Einzelfall an. Insbesondere wurde durch das OLG Dresden berücksichtigt, dass der Vermieter das Verlangen des Mieters, die fehlerhafte Schaltung zu beheben, über Monate hinweg ignorierte. Er reagierte erst nach acht Monaten, indem er die Existenz der Fehlschaltung bestritt und dem Mieter vage Terminvorschläge für eine Klärung des Sachverhalts unterbreitete. Das Gericht war der Ansicht, dass der Mieter keine Aussicht auf eine zeitnahe Behebung des Fehlers hatte. Es war für den Mieter daher unzumutbar, am Mietvertrag weiter festzuhalten.
Das OLG Dresen entschied jedoch, dass der Mieter entgegen der Auffassung der ersten Instanz keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Installation der Elektroanlage hat. Obwohl die Parteien im Mietvertrag vereinbart hatten, dass das Mietobjekt für den Betrieb des Fleischereifachgeschäfts des Mieters genutzt werden soll, fehlte eine konkrete Vereinbarung über die technische Ausstattung der Elektroanlage.
Ein Anspruch des Mieters in Bezug auf die von ihm gezahlten Stromkosten für die Klimaanlage des benachbarten Mieters infolge der fehlerhaften Schaltung der Elektroanlage bestand erst ab dem Zeitpunkt, ab dem der Vermieter Kenntnis von der fehlerhaften Schaltung erlangt hatte und dennoch nichts unternahm, um den Fehler zu beheben. Der Anspruch entstand daher erst mit der ersten WhatsApp-Nachricht des Mieters an den Vermieter am 01.08.2019.
Handlungsempfehlung
Das Urteil des OLG Dresden verdeutlicht, dass auch ein Unterlassen eine Pflichtverletzung darstellen kann, die eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigt. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, muss jedoch stets anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden.
Vermietern ist daher zu empfehlen, den Beanstandungen ihrer Mieter frühzeitig – auch bei scheinbar unberechtigten Forderungen – nachzugehen, um eine außerordentliche Kündigung des Mieters wegen Untätigkeit zu vermeiden.