[Köln, ] Sog. "Warranties & Indemnities Insurances" (zu Deutsch etwa: "Gewährleistungs- und Schadensersatzversicherungen") sind in der jüngsten Vergangenheit stark auf dem Vormarsch. Gerade im aktuellen Verkäufermarkt scheinen sie das probate Mittel zu sein, eigentlich zu weit auseinanderliegende Vorstellungen von Verkäufer und Käufer zu überbrücken.
Was sind Warranties & Indemnities Insurances?
Warranties & Indemnities Insurances (im Folgenden "W&I-Versicherungen") sind - wie unschwer am englischen Begriff abzulesen ist - hauptsächlich aus dem angloamerikanischen Rechtskreis bekannte Versicherungen von Transaktionsrisiken. Wie eingangs erwähnt, nimmt ihre Bedeutung aber auch in Deutschland rasant zu. AIG, nach eigenem Bekunden einer der Marktführer für diese neuartige Versicherung, meldet für 2016 allein für den deutschsprachigen Raum 410 Anfragen. Für ganz Europa und den Nahen Osten sind es schon 1.400 Anfragen. Tendenz: steigend.
Versichert wird im Wesentlichen das Risiko, dass sich im Rahmen einer Transaktion eine – jedenfalls dem gesetzlichen Grundsatz nach – dem Verkäufer obliegende Gewährleistung oder Schadensersatzpflicht realisiert.
Ein ganz wesentlicher Anwendungsbereich liegt dabei aber gerade darin begründet, dass eine entsprechende Haftung des Verkäufers wie üblich ausgeschlossen wird und die W&I-Versicherung eine solche Verkäuferhaftung zugunsten des Käufers substituiert. Man spricht auch von „synthetischen Garantien“. Versichert werden allerdings nur unbekannte Risiken. Man legt Wert auf die Feststellung, dass Transaktionen mit zusätzlicher W&IVersicherung weiterhin so geprüft und strukturiert werden sollten, als ob es die Versicherung nicht gäbe.
Wie werden W&I-Versicherungen eingesetzt?
Man unterscheidet bei der W&I-Versicherung zumeist vier Fallgruppen:
1.
Liegen die Vorstellungen des Verkäufers und des Käufers, ob und in welchem Umfang der Verkäufer für Gewährleistungspflichten o. ä. haften soll, zu weit auseinander, kann eine W&I-Versicherung diese Lücke zwischen den Positionen ggf. schließen („bridging the gap“).
2.
Möchte ein Käufer sich in einer Konkurrenzsituation gegenüber anderen Bietern besser positionieren, verzichtet er in gewissem Umfang auf eine Verkäuferhaftung und schließt stattdessen für die etwaigen Gewährleistungsrisiken eine W&I-Versicherung ab („sweeten the bid“).
3.
Ein Verkäufer geht bereits mit der Vorstellung, nur geringe bis keine Haftung anbieten zu wollen, in den Verkaufsprozess. Er bietet zugleich eine bei diesem Modell eingeplante und mit den entsprechenden rechtlichen Formulierungen korrespondierende W&I-Versicherung an. Sie ist dem Verkaufsangebot gleichsam beigeheftet („stapled insurance“). Im Rahmen des sog. „Seller Buyer Flip“ übernimmt der Käufer meistens diese Police noch während des laufenden Transaktionsprozesses.
4.
Eher selten ist noch eine reine Verkäuferpolice. Sie gewinnt aber immer mehr an Bedeutung bei der nachträglichen Versicherung von bereits seit längerem abgeschlossenen Transaktionen. Hier wird sie z. B. eingesetzt, um potenzielle Restrisiken zu versichern und so die Abwicklung von Portfolien zu erleichtern.
Was wird versichert ?
Versicherbar sind typische Garantien unter Grundstückskaufverträgen:
Eigentum an Geschäftsanteilen und / oder Grundstücken Nichtbestehen von behördlichen Verfügungen und Auflagen Bestand wesentlicher Verträge (Mietverträge etc.) Nichtbestehen von Mietrückständen Keine Vorausverfügungen von Mietforderungen Nichtbestehen von Rechtsstreitigkeiten (Nicht-)Bestand von Nachbarschaftsvereinbarungen Begleichung sämtlicher öffentlich-rechtlicher Abgaben, Gebühren und Steuern Freistellung von Steuerverbindlichkeiten bis zum VollzugstagRegelmäßig nicht versicherbar sind die folgenden Umstände:
Bekannte Umstände / Garantieverletzungen Geldstrafen und Bußgelder Zukunftsgerichtete Garantien Asbest und Baumängel Pension Underfunding Transfer Pricing (Verrechnungspreise), sekundäre Steuerverbindlichkeiten KaufpreisanpassungenEs kommen weitere Ausschlüsse in Betracht, die durch die Eigenheiten der jeweiligen Transkation oder der betroffenen Branche bedingt sind. Zu nennen sind hier die sog. ABC-Verpflichtungen (Anti-Bribery and Anti-Corruption) sowie Compliance-Themen allgemein, Cyberund Datenschutzverletzungen, Umweltverschmutzung sowie gefährliche Materialien.
Was kostet die Versicherung?
Bei AIG beträgt die Prämie angabegemäß zwischen 0,8 % und 1,5 % der Versicherungssumme, welche wiederum typischerweise bei 15 – 25 % des gesamten Transaktionsvolumens liegt. Im Einzelnen hängt der Preis von transaktionsspezifischen Risiken und weiteren Kriterien ab. Eines dieser Kriterien ist der Selbstbehalt, der in der Regel etwa 0,1 % des Transaktionsvolumens beträgt.
Was bringt die Versicherung?
Allein die steigenden Zahlen in Bezug auf Anfragen bzw. Abschlüssen von W&I-Versicherungen belegen, dass diese Versicherungen rein faktisch eine steigende Relevanz bei (Immobilien-)Transaktionen haben, wenngleich es selbst für eine Zwischenfazit noch zu früh sein dürfte.
Die Relevanz liegt darin, dass mit einer W&I-Versicherung regelmäßig ein bonitätsstarker Dritter zur Verfügung steht, der für etwaige Schäden aus Garantieverletzungen anstelle des Verkäufers einsteht. Insofern erleichtern W&I-Versicherungen offenbar Verkaufsprozesse, indem sie bausteinartig bestimmte Aspekte einer Transaktion ausfüllen bzw. substituieren und so den Abschluss erleichtern. Für Verkäufer ist sicherlich dabei interessant, dass ein Regress gegen sie angabegemäß nur im Fall von arglistiger Täuschung in Betracht kommt.
Ob und wie man allerdings die synthetische Haftung dem Grunde nach zur Verfügung stellt, ohne dass der Verkäufer am Ende doch entsprechenden Haftungsrisiken ausgesetzt ist, muss rechtlich stets im Einzelfall geprüft werden.
Wie erwähnt, ersetzt eine W&I-Versicherung jedoch keine pflichtgemäße Prüfung und Verhandlung einer Transaktion. Im Gegenteil baut sie hierauf erst auf und führt – u. a. wegen der Versicherungsprämie und zusätzlichem Prüfungsaufwand für bzw. im Namen der Versicherung – zu erhöhten Transaktionskosten. Auch scheint es derzeit noch keine verlässlichen Daten zu geben, wie oft bzw. in welcher Höhe solche W&I-Versicherungen bislang reguliert haben. Eine gesunde Skepsis scheint hier angezeigt.