Angesichts zuletzt massiv zugenommener Compliance-Anforderungen fordert die Wirtschaft seit längerer Zeit aus nachvollziehbaren Gründen einen spürbaren Bürokratieabbau. Das betrifft insbesondere auch die möglichst weitgehende Abkehr von der strengen Schriftform (§ 126 BGB), die weiterhin insbesondere in zahlreichen arbeitsrechtlichen Vorschriften das Maß der Dinge ist. Da die Schriftform grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift des Erklärenden erfordert (auch als „Pen and Paper“ bzw. „Wet Ink“ umschrieben), stehen Schriftformerfordernisse regelmäßig der (vollständigen) Digitalisierung von Unternehmensprozessen entgegen (weitere Aspekte zur Digitalisierung von HR-Prozessen finden Sie hier).
Das Bundeskabinett hat jüngst einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht und das sog. vierte Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen. Es ist unter anderem beabsichtigt, die Schriftform in mehreren arbeitsrechtlichen Vorschriften durch die Textform (§ 126b BGB) oder die elektronische Form (§ 126a BGB) zu ersetzen. Das betrifft nach gegenwärtigem Stand insbesondere auch das strenge Schriftformerfordernis in § 2 Abs. 1 des Nachweisgesetzes (NachwG). Danach sind Arbeitgeber verpflichtet, im Zuge des Abschlusses von Arbeitsverträgen, der grundsätzlich formfrei möglich ist, Arbeitnehmern einen Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen auszuhändigen, der jedoch schriftlich zu erfolgen hat (weitergehende Informationen zum Nachweisgesetz sind hier für Sie zusammengefasst).
Das geplante Bürokratieentlastungsgesetz adressiert jedoch nicht sämtliche in arbeitsrechtlichen Vorschriften enthaltenen Schriftformerfordernisse. Ein nicht aufgegriffener Punkt ist das Schriftformerfordernis bei der Befristung von Arbeitsverträgen (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Obwohl die überwiegende Auffassung in der Literatur davon ausgeht, dass auch die elektronische Form im Rahmen von Befristungen ausreicht, hatten die Arbeitsgerichte diese Frage bislang noch nicht explizit behandelt (implizit bereits Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 28.9.2021 – 36 Ca 15296/20; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.3.2022 – 23 Sa 1133/21).
Als erstes Gericht hatte das Arbeitsgericht Gera darüber zu entscheiden, ob eine in elektronischer Form – konkret unter Verwendung des Programms „Docusign“ – abgeschlossene Befristungsabrede formwirksam ist. Dies hat das Arbeitsgericht Gera mit Urteil vom 7.3.2024 (2 Ca 936/23) nunmehr ausdrücklich bejaht.
Sachverhalt
Die Parteien stritten unter anderem über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristungsabrede des Arbeitsverhältnisses. Das Vertragsdokument wurde von den Vertragsparteien mit einer qualifizierten elektronischen Signatur („qeS“) unterzeichnet. Dabei verwendeten sie das verbreitete Tool „Docusign“.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Gera hat die streitgegenständliche Befristung des Arbeitsverhältnisses mittels Verwendung einer qeS als eine dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG genügende Form angesehen. Notwendig sei, dass die Voraussetzungen der elektronischen Form (§ 126a BGB) eingehalten werden, was bei Verwendung der bei Docusign angebotenen qeS der Fall sei.
Damit schließt sich das Arbeitsgericht Gera der in der Literatur bereits herrschenden Meinung zu der Frage an. Begründet wird die Ansicht damit, dass § 623 BGB die elektronische Form nur für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag ausschließt, nicht jedoch im Wege der Befristung. Im Übrigen hat sich das Arbeitsgericht Gera kurz gehalten. Es sah keine Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für eine formwahrende Befristungsabrede unter Verwendung einer qeS mittels des Programms Docusign nicht erfüllt seien.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Gera ist ausdrücklich zu begrüßen. Sie bestätigt die überzeugende, bereits seit längerem vorherrschende Auffassung, dass Befristungsabreden auch per qeS formwahrend abgeschlossen werden können. Sofern der Gesetzgeber das vom Kabinett beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet, könnten Arbeitgeber prüfen, ob sie den Prozess beim Abschluss von Arbeitsverträgen künftig digital ausgestalten möchten.
Wichtig bleibt, dass die Voraussetzungen der elektronischen Form im Sinne von § 126a BGB im Einzelfall tatsächlich vorliegen. Dabei ist darauf zu achten, eine wirksame qualifizierte elektronische Signatur zu verwenden.
1. Elektronische Form
Die Anforderungen an die elektronische Form sind in § 126a BGB festgelegt:
Es muss sich um ein elektronisches Dokument handeln,
der Aussteller muss der Erklärung seinen Namen hinzufügen und
das Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen.
Bei einem Vertrag müssen beide Parteien ein jeweils gleichlautendes Dokument in dieser Weise signieren, § 126a Abs. 2 BGB.
2. Wirksame qualifizierte elektronische Signatur
Welche Merkmale die qeS aufweisen muss, regelt die EU-Verordnung Nr. 910/2014 („eIDAS-VO“). Zentral ist es, zwischen den verschiedenen, in der eIDAS-VO vorgesehenen Typen elektronischer Signaturen zu unterscheiden: die (einfache) elektronische Signatur, die fortgeschrittene elektronische Signatur und die – hier maßgebliche – qualifizierte elektronische Signatur (zu den verschiedenen Typen von Signaturen und deren Voraussetzungen sehen Sie hier unter Punkt I.):
Entscheidend für das Vorliegen einer qeS ist vor allem, dass die Signatur auf einem qualifizierten Zertifikat beruhen muss, das in der Bundesrepublik Deutschland von der Bundesnetzagentur vergeben wird (Art. 30 eIDAS-VO i.V.m. § 17 VDG) und von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt worden sein muss.
Diese Voraussetzungen hat das Arbeitsgericht Gera für eine qeS mittels Docusign bejaht. Im Übrigen finden sich auf der Website der Bundesnetzagentur sowie der Europäischen Kommission Listen über die Anbieter, die über die erforderliche Zertifizierung verfügen.
Fazit und Folgefragen
Obwohl die nunmehr vom Arbeitsgericht Gera geäußerte Rechtsauffassung nicht höchstrichterlich bestätigt ist, sprechen die besseren Argumente für deren Richtigkeit. Demnach kann das Urteil als Signal für Arbeitgeber verstanden werden, mit Digitalisierungsprojekten im HR-Bereich, etwa beim Abschluss von (befristeten) Arbeitsverhältnissen, fortzufahren. Der Entscheidung des Arbeitsgerichts Gera wird man darüber hinaus auch Bedeutung für andere Themenfelder, etwa dem Schriftformerfordernis bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten (§ 74 Abs. 1 HGB), beimessen können (zu weiteren arbeitsrechtlichen Formvorschriften siehe hier unter Punkt II.)
Im Ergebnis mag man die partielle Zulassung der qualifizierten elektronischen Signatur zum Abbau von Bürokratie – angesichts der beschriebenen praktischen Hürden bei dessen Verwendung nicht ganz zu Unrecht – als ungenügend kritisieren. Es handelt sich aber jedenfalls um einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Zu hoffen ist, dass es nicht der letzte Schritt bleiben wird und zeitnah weitere Vereinfachungen und Klarstellungen seitens des Gesetzgebers oder – wie hier – seitens der Rechtsprechung folgen.