Vertrieb von nikotinhaltigen Liquids – wettbewerbsrechtliche Stolpersteine bei Produkten, welche der CLP-VO unterliegen

Köln, 14.10.2024

Autor: Dr. Ricardo Vocke-Kerkhof

Am 11. Juli 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH Urt. v. 11.07.2024 – I ZR 164/23) eine wichtige Entscheidung über die wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten beim Vertrieb und der Bewerbung von nikotinhaltigen Liquids für E-Zigaretten getroffen. Das Urteil betrifft sowohl die Verpackungskennzeichnung, als auch das Produktdesign. Die Auswirkungen des Urteils beschränken sich nicht nur auf den Markt der Liquids, sondern gelten für viele Produkte, welche der CLP-VO (VO (EG) 1272/2008) unterfallen.

Was war passiert?

Ursprung des Rechtsstreits war eine Klage durch einen qualifizierten Wirtschaftsverband gegen einen Hersteller und Vertreiber von nikotinhaltigen Flüssigkeiten für E-Zigaretten. Zum Sortiment der Beklagten gehörten Liquids in verschiedenen  Aromarichtungen, die in 10ml Kunststofffläschchen verkauft wurden. Diese Fläschchen waren in Pappschachteln verpackt, welche die jeweilige Aromarichtung und ein zugehöriges Bild zeigten (unter anderem mehrere Beeren oder einige Stücke Schokolade). Auf der Schachtel „Beeren Mix“ waren das Gefahrenpiktogramm für „Achtung“ sowie das Signalwort „Achtung“ auf einer Verpackungsseite abgebildet. Die Hinweise „Darf nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen“ und „Gesundheitsschädlich beim Verschlucken!“ waren hingegen auf einer anderen Seite der Verpackung angebracht.

Der Kläger beanstandeteneben in diesem Beitrag nicht diskutierten Aussagen über den Inhalt und die Qualität der Produkte –, dass die Gefahrenhinweise auf der Schachtel „Beeren Mix“ nicht gemäß der CLP-VO angeordnet waren und das Verpackungsdesign der Schachteln die aktive Neugier von Kindern weckt.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH entschied, dass die von der Beklagten verwendete Kennzeichnung und Produktgestaltung wettbewerbswidrig war. Als Rechtsgrundlage wendete der BGH hierbei das UWG in Verbindung mit der CLP-VO über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen an.

Darstellung der Kennzeichnungshinweise. Der BGH sah in der Darstellung der Kennzeichnungshinweise über mehrere Flächen der Verpackung „Beeren Mix“ einen Verstoß gegen §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG i.V.m. Art. 32 Abs. 1 CLP-VO. Die Produkte der Beklagten fallen unter die CLP-VO und müssen gemäß Art. 17 Abs. 1 CLP-VO gekennzeichnet werden. Nach Art. 32 Abs. 1 CLP-VO müssen Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise zusammen auf der Verpackung angebracht werden, um sicherzustellen, dass Verbraucher alle notwendigen Informationen auf einen Blick erhalten. Die Beklagte kam dieser Pflicht nach Ansicht des BGH nicht nach, da auf der Faltschachtel „Beeren Mix“ das Gefahrenpiktogramm und das Signalwort auf einer Seitenfläche und die Gefahren- und Sicherheitshinweise auf einer anderen Fläche angebracht waren. Zwar ist eine gemeinsame Anbringung der Kennzeichnungselemente nach den Ausführungen des BGH nicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Jedoch ist bei einer Darstellung auf mehreren Verpackungsebenen ein Kennzeichnungszusammenhang zwischen den verschiedenen Elementen notwendig. Ein solcher Kennzeichnungszusammenhang war im vorliegenden Fall nicht gegeben. So hat der BGH betont, dass eine gemeinsame Darstellung bei Weglassung von nicht zwingenden werblichen Elementen möglich gewesen wäre. Die Anwendung der §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei den Kennzeichnungshinweisen im Sinne des Art. 17 I CLP-VO nicht um solche der Absatzförderung dienende Hinweise handeln würde. Vielmehr bezwecken die §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG das Vorhandensein wesentlicher Informationen, welche für eine informierte geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers benötigt werden. Die Kennzeichnungshinweise nach der CLP-VO stellen solche wesentlichen Informationen dar.

Design der Produktverpackungen. Der BGH sieht darüber hinaus in der bildlichen Darstellung der Aromastoffe auf der Produktverpackung einen Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 35 Abs. 2 UAbs. 1 Hs. 1 CLP-VO, da sie die aktive Neugier von Kindern wecken. Sowohl die Senatsmitglieder des BGH als auch des Berufungsgerichts vertraten die Ansicht, diese Wirkung der Verpackung selbst aufgrund ihrer Erfahrungen als Elternteile beurteilen zu können. Die ansprechend gestalteten Süßigkeiten und Beeren seien für Kinder besonders attraktiv und interessant. Weitere Designelemente, die für Kinder unverständlich sind, mindern das Interesse im vorliegenden Fall nicht, da diese nicht derart stark hervortreten, dass Kinder das Interesse an der Verpackung und ihrem Inhalt verlieren würden. Eine konkrete Ansprache von Kindern ist zudem nicht erforderlich; es reicht bereits, wenn die Aufmachung das bloße Interesse von Kindern weckt. Der BGH sieht keinen Widerspruch zu Art. 13 Abs. 1c RL 2014/40/EU bzw. § 18 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 TabakerzG, wonach die Darstellung von Geschmacks- und Aromastoffen auf der Verpackung von E-Zigaretten erlaubt ist. Auch diese erlaubten Darstellungen müssen mit allen anderen relevanten EU-Vorschriften konform sein.

Folgen für die Praxis

Das Urteil wird weit über die Produktgruppe der Liquids hinauswirken. Verschiedene Produkte, welche unter die CLP-VO fallen und an Verbraucher abgegeben werden, müssen die Kennzeichnungsvorgaben erfüllen und dürfen nicht die Neugier von Kindern wecken. Diejenigen, welche solche Produkte im Sinne der CLP-VO als Lieferant in den Verkehr bringen, müssen daher sicherstellen, dass Kennzeichnungselemente klar und einheitlich angebracht sind, um für den Verbraucher alle wesentlichen Informationen auf einen Blick darzustellen. Beim Verpackungsdesign dürfen sie zudem nicht die Vorzüge und Inhaltsstoffe ihrer Produkte so hervorheben, dass diese für Kinder interessant werden. Der BGH meint in diesem Zusammenhang, dass das zugrundeliegende Verkehrsverständnis aus Sicht von Kindern durch die eigene Erfahrung der Richter als Elternteil bestimmt werden kann. Da diese Erfahrungen variieren können, ist ein risikobewusster Ansatz ratsam. Zudem haben das Berufungsgericht und der BGH betont, dass auf dem Markt mehrere Produkte (insbesondere aus der Kosmetik- und Reinigungsmittelbranche) existieren, welche gefährliche Inhaltsstoffe beinhalten, aber dennoch für Kinder ansprechende Designs aufweisen. Es ist daher davon auszugehen, dass die gesamte Thematik von nun an bei Wettbewerbsverbänden und Gerichten vermehrt in den Fokus rücken wird.

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