Darf der Arbeitgeber den Impf- und Genesungsstatus von Beschäftigten erfragen? Dies ist seit Beginn der Impfkampagne Gegenstand kontroverser Diskussionen. Während Arbeitgeberverbände hierfür plädieren, zeigen sich Arbeitnehmervertretungen und Datenschützer kritisch. Nunmehr haben Bundestag und Bundesrat den kürzlich von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD vorgelegten Gesetzentwurf zum Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impf- und Genesungsstatus der Beschäftigten gebilligt (siehe BT-Drucks. 19/32275 (Vorabfassung), S. 12). Dieser räumt Arbeitgebern in abschließend benannten Branchen ein entsprechendes Fragerecht ein. Leider dürfte das mit der Regelung verfolgte Ziel, eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, aufgrund ihres eng gefassten Anwendungsbereichs nur in geringem Umfang erreicht werden. Zum Inkrafttreten muss das Gesetz nur noch vom Bundespräsidenten ausgefertigt und anschließend im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Beides dürfte in naher Zukunft geschehen.
Inhalt der Neuregelung
Schon derzeit ist eine Abfrage des Impf- und Genesungsstatus nach § 23a Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in medizinischen Einrichtungen im Sinne von § 23 Abs. 3 IfSG möglich, worunter etwa Krankenhäuser und Arztpraxen fallen. Das nunmehr auf den Weg gebrachte Gesetz sieht eine Änderung von § 36 Abs. 3 IfSG vor, durch die das Auskunftsrecht des Arbeitgebers auf Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen sowie Gemeinschaftsunterkünfte (§ 36 Abs. 1 und 2 IfSG) ausgeweitet wird, solange eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ besteht und „soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist“. Das Auskunftsrecht nach § 36 Abs. 3 IfSG soll demnach insbesondere in Kitas und Schulen gelten. Erklärter Zweck ist es, die in den Einrichtungen betreuten Risikogruppen besser zu schützen. Gefahren sollen zudem für Beschäftigte reduziert werden, indem die durch das Auskunftsrecht gewonnenen Informationen im Rahmen von passgenaueren Personaleinsatzplanungen und Hygienekonzepten genutzt werden (BT-Drucks. 19/32275 (Vorabfassung), S. 29). Dies steht im Einklang mit der jüngsten Anpassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV), wonach der Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 Corona-ArbSchV „[b]ei der Festlegung und der Umsetzung der Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten berücksichtigen“ darf.
Praxishinweise
Die gesetzlich explizit zugelassene und damit rechtssichere Möglichkeit für Arbeitgeber, den Impf- und Genesungsstatus ihrer Mitarbeiter zu Schutz- und Präventionszwecken zu erfragen, wird bedauerlicherweise weiterhin nur für wenige Branchen eröffnet sein. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Infektionsschutzgesetzes bleibt eine Datenverarbeitung entsprechender personenbezogener Gesundheitsinformationen auf Grundlage einer ausdrücklichen Einwilligung der Beschäftigten nach § 26 Abs. 3 S. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in Verbindung mit Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) möglich. Im Grundsatz kommt auch eine Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 3 BDSG ohne ausdrückliche Einwilligung des Beschäftigten in Betracht. Erforderlich ist jedoch, dass ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung besteht, welches das Geheimhaltungsinteresse des Beschäftigten im Einzelfall überwiegt. Mit Blick auf die Begründung zur Neufassung von § 36 Abs. 3 IfSG, wonach die Regelungen des Arbeitsschutzes unberührt bleiben (BT-Drucks. 19/32275 (Vorabfassung), S. 29), ließe sich insoweit einwenden, dass der Arbeitgeber für einen möglichst wirksamen Gesundheitsschutz im Betrieb verantwortlich ist (§§ 241 Abs. 2, 618 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie §§ 3 bis 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)). Zudem werden auch die Beschäftigten in diesem Zusammenhang gesetzlich zur Mitwirkung verpflichtet (§§ 15, 16 ArbSchG). Im Übrigen könnte ein überwiegendes Informationsinteresse des Arbeitgebers angenommen werden, wenn Personaleinsatzmöglichkeiten bei Kunden und Vertragspartnern zu klären sind, die innerhalb ihrer Räumlichkeiten die „2G-Regel“ anwenden. Indes bleibt die Zulässigkeit einer solchen Datenverarbeitung Frage des Einzelfalls und ist daher risikobehaftet. Praktikabel kann dagegen der Abschluss einer Betriebsvereinbarung sein, die ein Fragerecht nach dem Impf- und Genesungsstatus und die näheren Modalitäten der Datenverarbeitung regelt (siehe § 26 Abs. 4 BDSG).
Im Ergebnis ist Arbeitgebern außerhalb der Bereiche der Pflege, Betreuung und medizinischen Versorgung zu raten, ihre Beschäftigten auf Basis einer freiwilligen Einwilligung oder einer Betriebsvereinbarung zur Auskunft über ihren Impf- und Genesungsstatus zu bewegen. Ob bei besonderen Gefährdungslagen ein überwiegendes berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung gegen den Willen der Arbeitnehmer zu bejahen ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden – die Hürden dürften hierfür angesichts der Neufassung von § 36 Abs. 3 IfSG weiter gestiegen sein. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die Chance vertan, ein branchenübergreifendes Fragerecht gesetzlich zu verankern und hierdurch für alle Betriebe eine rechtssichere und damit praxistaugliche Regelung zu schaffen.