Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hatte am 12. Februar 2015 (Az. 6 AZR 845/13) darüber zu entscheiden, ob das Beschäftigungsverhältnis mit einem Auszubildenden durch eine arbeitgeberseitige Verdachtskündigung beendet werden kann. Im konkreten Fall absolvierte der Kläger bei der Beklagten, einer Bank, eine Lehre zum Bankkaufmann. Der Kläger zählte am 20. Juni 2011 das sich in dem Nachttresor einer Bankfiliale befindende Geld; später wurde ein Kassenfehlbetrag in Höhe von € 500,00 festgestellt. Auf einen Fehlbetrag angesprochen gab der Kläger aus freien Stücken die Höhe des Fehlbetrages an, obwohl ihm dieser zuvor nicht mitgeteilt worden sei. Die Beklagte zog hieraus den Schluss, dass es sich um Täterwissen handele, so dass der Kläger für den Kassenfehlbestand verantwortlich sei. Nach entsprechender Anhörung des Klägers wurde das mit ihm bestehende Ausbildungsverhältnis fristlos und damit außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt. Das BAG wies die Klage - wie schon die beiden Vorinstanzen - ab. Es erklärte, dass eine Verdachtskündigung auch im Rahmen von Ausbildungsverhältnissen ausgesprochen werden könne. Es sei überdies nicht erforderlich, dass, wie der Kläger monierte, vor dem Anhörungsgespräch mit dem verdächtigten Arbeitnehmer diesem das Gesprächsthema mitgeteilt werde. Das BAG beanstandete die Würdigung des Falles durch das Landesarbeitsgericht nicht und wies die Revision zurück.
Praxisrelevanz
Das Bundesarbeitsgericht stellt zunächst einmal klar, dass Verdachtskündigungen auch bei Ausbildungsverhältnissen möglich sind. Alles andere wäre auch überraschend gewesen, da die Verdachtskündigung bei Arbeitsverhältnissen doch schon seit vielen Jahren fester Bestandteil des Kündigungsschutzrechts. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass das Arbeitsverhältnis bei Bestehen eines dringenden Tatverdachts, der sich auf die Begehung einer schwerwiegenden Vertragspflichtverletzung bezieht, nicht vertrauensvoll fortgesetzt werden kann. Bei Ausbildungsverhältnissen kann nichts anderes gelten, da diese ebenfalls auf gegenseitigem Vertrauen basieren und nicht fortgesetzt werden können, wenn dieses Vertrauen unwiederbringlich zerstört ist. Interessant ist sodann die Feststellung des BAG, dass die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers, die anders als bei der Tatkündigung Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung ist, stattfinden kann, ohne dass dem Arbeitnehmer vorher der Grund des Gespräches mitgeteilt wird. Der Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer zu einem Personalgespräch einzuladen und ihm im Vorfeld die einzelnen Gründe hierfür aufzuzeigen. Er kann vielmehr den Arbeitnehmer zu Beginn des Gespräches mit dem konkreten Verdacht konfrontieren und ihn auffordern, hierzu Stellung zu nehmen und den Verdacht auszuräumen. Dem Arbeitnehmer - und auch dem Auszubildenden - bleibt dann keine Vorbereitungszeit. Er kann sich keine Strategie zurechtlegen, um den Vorwürfen des Arbeitgebers zu begegnen. Dies stärkt zweifellos die Rechtsposition des Arbeitgebers, der das überraschende Moment auf seiner Seite hat. Er trifft nicht auf einen gut vorbereiteten und ggf. sogar mit Unterlagen ausgestatteten Arbeitnehmer, der dezidiert zu dem Vorwurf Stellung nehmen kann. Da in der Praxis vereinzelt gefordert wurde, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dem Anhörungsgespräch dessen Gegenstand mitteilt, ist nun in diesem Punkt Rechtsklarheit erzielt.