LG Hamburg: Werbung mit den Begriffen „CO2-neutral“ sowie „CO2-Ausgleich“ ist ohne konkrete Angaben zu Ausmaß und Form ergriffener Reduktions- oder Kompensationsmaßnahmen irreführend

Köln, 15.10.2024

Nach der wegweisenden Entscheidung des BGH (Urt. v. 27.06.2024 – I ZR 98/23) zur Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ hat sich nun das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 09.08.2024 – 315 O 108/22 mit dem Vertrieb eines Produktes unter der Angabe „CO2-neutral“ sowie „CO2-Ausgleich“ auseinandergesetzt. Das LG Hamburg bezieht dabei Stellung zu der höchstrichterlich noch nicht geklärten Frage, welche Informationen im Einzelnen bei der Werbung mit mehrdeutigen Umweltschutzbegriffen bereitgestellt werden müssen, um eine Irreführung der Verbraucher zu vermeiden.

Wie sah die angegriffene Werbung aus?

Die Beklagte warb in einem Fall auf der Produktvorderseite eines Motoröls mit der Angabe CO2-neutralund ergänzte diese Werbeaussage mit dem folgenden auf der Rückseite des Produktes abgedruckten Text: "Die von diesem Produkt im Lebenszyklus verursachten CO2-Emissionen werden von S. durch freiwillige Klimakompensationen ausgeglichen.In einem anderen Fall bewarb die Beklagte im Internet ein Angebot an Autofahrer, sich wie folgt beim Tanken am CO2-Ausgleich für getankten Kraftstoff zu beteiligen: 

Kleiner Beitrag, große Wirkung: Jetzt gemeinsam CO2 ausgleichen. Für nicht vermiedene CO2-Emissionen bietet S. den CO2-Ausgleich an: Für 1,1 Cent pro Liter getanktem S. Benzin- oder Dieselkraftstoff können Sie die CO2-Emissionen, die bei der Fahrt mit dem Auto entstehen, ausgleichen.“

In einer Fußnote auf der Internetseite verwies die Beklagte darauf, dass der beworbene CO2-Ausgleich durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten bei „ausgesuchten Klimaschutzprojekten“ sowie einem „lokalen Klimaschutzprojekt“ erfolge.

Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg

Das Landgericht Hamburg sah in den angegriffenen Werbeaussagen eine Irreführung und bejahte einen Wettbewerbsverstoß. Die Werbeaussagen „CO2-neutral“ sowie „CO2-Ausgleich“ stellen mehrdeutige Begriffe dar, da die CO2-Neutralität/Ausgeglichenheit sowohl durch die Vermeidung als auch durch die Kompensation von CO2 erreicht werden könne. 

Um eine Irreführung zu vermeiden, genüge jedoch nicht der Verweis auf „freiwillige Kompensationen“ oder auf den Kauf von nicht näher spezifizierten Zertifikaten. Nach Auffassung des Gerichts habe die aktuelle Diskussion rund um das Thema „Greenwashing“ eine Sensibilisierung der Verbraucher zur Folge, durch die ein Informationsinteresse daran bestehe zu erfahren, in welchem Ausmaß und in welcher Form Ausgleichsmaßnahmen tatsächlich umgesetzt wurden. 

Bei der Werbung mit CO2-Zertifikaten erfordere dies Angaben dazu, wer die CO2-Zertifikate zertifiziert habe und nach welchen Kriterien und Standards die Zertifizierung ablaufe.

Zudem sei eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen seien.

Was ist neu an der Entscheidung des LG Hamburg?

Das LG Hamburg folgt zunächst den vom BGH jüngst bekräftigten Grundsätzen für die Werbung mit mehrdeutigen Umweltschutzbegriffen (BGH, Urt. v. 27.06.2024 – I ZR 98/23), wonach ebenso wie bei gesundheitsbezogener Werbung strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit einer Werbeaussage zu stellen sind. Der BGH hatte im vorbenannten Fall die Bewerbung eines Produktes als „klimaneutral“ mangels hinreichender Aufklärung bereits in der Werbung selbst darüber, ob diese in Form der Reduktion oder Kompensation von CO2-Emissionen erfolge, als unlauter eingestuft. Der BGH stellte darüber hinaus klar, dass zur Wahrung der geltenden hohen Anforderungen bei der Werbung mit Umweltschutzbegriffen zudem innerhalb der Werbung selbst klargestellt werden müsse, ob im Falle der Kompensation von CO2-Emissionen diese vollständig oder nur zu einem gewissen Prozentsatz erfolge. 

Die Entscheidung des LG Hamburg konkretisiert über die Ausführungen des BGH hinaus, dass der Verweis auf nicht näher spezifizierte Kompensationsmaßnahmen sowie den Kauf von Zertifikaten, die weder deren Aussteller noch deren Zertifizierungsbedingungen erkennen lassen, nicht genügt, um eine Irreführung vermeiden zu können. 

Soweit die vorgenannten Anforderungen für die Werbung mit Zertifikaten eingehalten werden und eine Aufklärung darüber erfolgt, ob einzelne Emissionen bei der CO2-Bilanzierung nicht berücksichtigt wurden, scheint das LG Hamburg jedoch die Auffassung zu vertreten, dass die Bereitstellung weiterer Details nicht erforderlich ist. Insoweit schloss das LG Hamburg sich ausdrücklich der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Urt. v. 10.11.2022 – 6 U 104/22) an, welches entsprechende Grenzen der Aufklärungspflicht im Hinblick auf die Verwendung von Gütesiegeln aufgestellt hatte. Demnach sollen weitere Informationen zum Gegenstand des zur Kompensation unterstützten Klimaprojektes sowie der Klimabilanzierung wie etwa der Umfang von Reduzierungsmaßnahmen im Verhältnis zum ermittelten Ausstoß (zumindest bei geringwertigen Alltagsgegenständen) nicht notwendig sein. Diese Auffassung des LG Hamburg sowie des OLG Frankfurt erscheint jedoch zumindest im Hinblick auf das Ausmaß von Reduzierungsmaßnahmen zweifelhaft, da der BGH die Information über eine vollständige oder nur teilweise Kompensation von CO2-Emission als erforderlich qualifiziert hat, um den bei umweltbezogenen Werbeaussagen anzuwendenden strengen Anforderungen gerecht werden zu können.  

Ausblick und Folgen für die Praxis

Die Werbung mit sogenannten „Green Claims“ ist angesichts des beim Durchschnittsverbraucher bestehenden hohen Umweltbewusstseins in der Praxis sehr beliebt. Die diskutierten Entscheidungen des LG Hamburg sowie des BGH zeigen, dass bei der Werbung mit Umweltvorteilen bereits aktuell strenge Anforderungen gelten, die bislang allein durch die Rechtsprechung geformt werden. Dies wird sich zukünftig ändern: Die EU hat es sich zum Ziel gesetzt das Greenwashing in der Werbung zu bekämpfen. Dazu wurde unter anderem die Richtlinie (EU) 2024/825 hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel verabschiedet, die bis zum 27. März 2026 durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen ist. Die Richtlinie verbietet es mit der Kompensation von Treibhausgasemissionen für ein Produkt zu werben, so dass Werbeaussagen wie „CO2-neutral“ zukünftig erschwerten Bedingungen unterliegen. Die durch die Richtlinie zu implementierenden neuen Vorschriften müssen ab dem 27. September 2026 angewendet werden. Für langfristig geplante Werbekampagnen empfiehlt es sich daher bereits jetzt die neuen Vorgaben im Blick zu haben.

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