I. Automatischer Austausch von Daten über Bankkonten zwischen Staaten
Seit mehreren Jahren tauschen zahlreiche Staaten automatisch Daten über Bankkonten aus. Die Türkei ist Partei des betreffenden Abkommens. Erstmals sollte die Türkei – in Bezug auf das Jahr 2019 – auch an dem automatischen Austausch mit Deutschland teilnehmen. Hiervon hat die Türkei in „letzter Minute“ allerdings Abstand genommen.
Deutsche Steuerpflichtige mit Türkeibezug sollten die diesbezügliche Entwicklung und etwaige diesbezügliche Mitteilungen des Bundesministeriums für Finanzen aufmerksam verfolgen. Denn sobald die Türkei, neben mittlerweile 100 anderen Ländern, an dem automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen („AIA“) mit Deutschland teilnimmt, wird dies weitreichende Konsequenzen haben. Es ist absehbar, dass der seitens der Türkei betriebene Ausschluss Deutschlands vom Informationsaustausch zeitnah, ggf. bereits in Bezug auf das Jahr 2020, wegfallen wird.
II. Gegenstand des automatischen Austauschs
Gemäß dem Abkommen zum AIA müssten dann türkische Finanzinstitute die bei ihnen befindlichen Informationen, wie z.B. zu Konten, Konteninhaberschaft, Zinsen und Dividenden, an die türkischen Steuerbehörden melden. Die türkischen Steuerbehörden würden dann diese Informationen an die deutschen Steuerbehörden weiterleiten, wenn der betreffende Kontoinhaber einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Selbiges gilt in umgekehrter Richtung für deutsche Banken und die deutschen Steuerbehörden, wenn der Kontoinhaber einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei hat.
Die Steuerbehörden des jeweils anderen Landes können damit überprüfen, ob der Steuerpflichtige an seinem Wohnsitz oder dem Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts sämtlichen steuerlichen Verpflichtungen in Bezug auf Einkünfte in und aus dem anderen Land nachgekommen ist. Potentiell betroffen ist somit jeder, der in einem anderen am AIA teilnehmenden Land als dem seines Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts steuerpflichtige Einkünfte generiert.
III. Ziel des AIA
Ziel des AIA ist es, Geldwäsche zu verhindern und die Gesamtsteuereinnahmen der Vertragsstaaten zu erhöhen. Die Nichtteilnahme am AIA dient als eines der Kriterien für die Festlegung von Steueroasen und die Aufnahme in die sogenannte „Schwarze Liste“, die zu einer erheblichen Erschwerung des grenzüberschreitenden Geldverkehrs und der Erbringung von grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen führen kann.
IV. Prozedere zum AIA
Regelmäßig erfolgt der Informationsaustausch für das vorangegangene Jahr immer zum 30. September des Folgejahres. Somit ist es nicht ausgeschlossen, dass die Türkei die für das abgeschlossene Jahr 2020 zusammenzustellenden Daten bereits zum 30. September 2021 an die deutschen Finanzbehörden übermittelt. Der diesbezügliche politische Druck, auch von der Europäischen Union ausgehend, lässt es insoweit als wahrscheinlich erscheinen, dass die Türkei auch im Verhältnis zu Deutschland zum AIA optieren wird.
V. Steuerpflicht in Deutschland auch für Einkünfte im Ausland
Gemäß § 1 Abs. 1 EStG ist grundsätzlich jeder in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, der in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Steuerpflicht bezieht sich dabei auf das gesamte Welteinkommen, unabhängig davon, wo die Einkünfte erzielt werden.
Einkünfte, die durch einen in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen in der Türkei generiert werden, unterfallen daher grundsätzlich der Besteuerung in Deutschland. Das zwischen der Türkei und Deutschland bestehende Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom 24.05.2012 verhindert zwar eine doppelte Besteuerung derselben Einkünfte. Dies entlastet aber den in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen weder davon, die in dem anderen Staat generierten Einkünfte im Rahmen seiner Steuererklärung in Deutschland mit anzugeben noch kann man einfach davon ausgehen, dass Einkünfte, für die in der Türkei schon Steuern bezahlt wurden, in Deutschland steuerfrei sind. Je nachdem um welche Art von Einkünften es sich handelt, kann eine türkische Steuer im Rahmen der Besteuerung in Deutschland ganz oder teilweise angerechnet werden oder die Einkünfte werden in Deutschland durch eine höhere Einordnung im Rahmen der Steuerprogression berücksichtigt. Die nicht ordnungsgemäße Angabe der Auslandseinkünfte kann zu einer Steuerverkürzung führen.
VI. Handlungsnotwendigkeit und -optionen
Die in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen sollten die absehbar bevorstehenden Änderungen in der Umsetzung des Datenaustauschs zwischen Deutschland und der Türkei zum Anlass nehmen, ihre Auslandsinvestitionen und -einkünfte einer Überprüfung zu unterwerfen und die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen und umzusetzen. Gegebenenfalls sollte auch geprüft werden, ob in der Vergangenheit alle Einkünfte versteuert wurden. Angesichts der drohenden Konsequenzen und Sanktionen erscheint es insoweit sinnvoll, sowohl in rechtlicher als auch in steuerlicher Hinsicht professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen – und zwar sowohl zum deutschen als auch zum türkischen (Steuer-)Recht –, um den aus den bevorstehenden Veränderungen resultierenden Anforderungen gerecht zu werden.
Mit unserem bilingualen Team an Rechts- und Steuerexperten sowie unserem umfassenden Kooperationsnetzwerk in der Türkei können wir schnell und effizient dabei helfen, die notwendigen Maßnahmen zu identifizieren und diese umzusetzen, um unsere Mandanten und deren Investments den gesetzlichen Anforderungen entsprechend zu schützen und vor rechtlichen Nachteilen zu bewahren.