Die Bundesregierung hat am 13. März 2024 den Gesetzesentwurf zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV-E) beschlossen, der derzeit dem Bundesrat zur Stellungnahme vorliegt. Mit diesem Gesetz sollen verschiedene Abläufe vereinfacht, unnötiger Bürokratieaufwand reduziert und die Digitalisierung gefördert werden. Die Verkürzung von Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege oder die Herabsetzung von formalen Anforderungen bei Dokumentationspflichten sind Beispiele für Maßnahmen, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll. Darüber hinaus ist der Verzicht oder zumindest die Absenkung von Formerfordernissen im Zivilrecht vorgesehen, u.a. um Rechtsgeschäfte künftig ohne sog. Medienbrüche leichter digital abwickeln zu können.
Die geplanten Änderungen betreffen auch das Mietrecht in einigen besonders praxisrelevanten Bereichen:
So soll die Belegeinsicht des Mieters in die Abrechnungsunterlagen der Nebenkostenabrechnung künftig nach Wahl des Vermieters zur Gänze auch nur digital möglich sein. Dies kritisiert der Deutsche Mieterbund: Eine Einsichtnahme in die Originalbelege müsse dem Mieter weiterhin – wie auch von der bisherigen Rechtsprechung gefordert – möglich sein. Anderenfalls sei es kaum möglich, etwaige Übertragungsfehler oder Fälschungen zu erkennen.
Darüber hinaus soll ein Mieter einer Kündigung des Vermieters künftig in Textform widersprechen können, also z.B. mittels einer einfachen E-Mail. Hiergegen bestehen teilweise Bedenken in Bezug auf die Beweisbarkeit des fristgerechten Zugangs des Widerrufs bei dem Vermieter.
Geplanter Wegfall der Schriftform für Gewerberaummietverträge
Eine für die immobilienwirtschaftliche Praxis sehr bedeutende geplante Änderung ist jedoch die Herabsetzung des Schriftformgebots gemäß §§ 550, 578 Abs. 1, 126 BGB hin zu einem Textformgebot für alle Nicht-Wohnraummietverträge, d.h. auch für alle gewerblichen Mietverträge und für Pachtverträge. Nachdem der Referentenentwurf zunächst eine ersatzlose Streichung des Schriftformgebots für langfristige Mietverträge vorgesehen hat – Mietverträge mit einer Laufzeit von z.B. 10 Jahren hätten dann sogar ohne Weiteres mündlich abgeschlossen werden können – scheint dieser Ansatz zumindest „vom Tisch“ zu sein. Für Wohnraummietverträge soll es dagegen beim Schriftformgebot bleiben; auch wenn diesem in der Praxis lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommt, da Wohnraummietverträge nur in Ausnahmefällen befristet bzw. mit bestimmten Laufzeiten abgeschlossen werden dürfen.
Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht eine Übergangsfrist von zwölf Monaten für die Anwendung der neuen Regelungen auf Bestandsmietverträge vor. Innerhalb dieses Zeitraums soll es wie bislang möglich sein, einen gewerblichen Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen. Nach Ablauf der Übergangsfrist soll der Mietvertrag nicht weiter wegen Verstoßes gegen die Schriftform kündbar sein, sofern der betreffende Mietvertrag zumindest den Anforderungen der Textform genügt. Nur wenn auch diese nicht eingehalten sein sollten, soll es bei der bisherigen Rechtsfolge der Kündbarkeit nach den gesetzlichen Fristen bleiben.
Bisherige Rechtslage
Grundsätzlich müssen Verträge keine besondere Form einhalten, wenn gesetzlich nichts anderes geregelt ist. Ein Vertragsschluss ist damit auch mündlich oder konkludent möglich.
So bedürfen gewerbliche Mietverträge, die eine längere Festlaufzeit als ein Jahr haben sollen, bislang der Schriftform nach §§ 578, 550, 126 BGB. Das bedeutet, alle wesentlichen Inhalte des Mietverhältnisses wie etwa Vertragsparteien, Mietgegenstand, Laufzeit und Miethöhe müssen sich aus einer von beiden Parteien eigenhändig unterschriebenen Urkunde ergeben. Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, ist der Mietvertrag trotz einer eigentlich vereinbarten langen Laufzeit vorzeitig unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen (bei gewerblichen Mietverhältnissen in der Regel sechs Monate zum Quartalsende) kündbar.
Die aktuelle Schriftformregelung für langfristige Mietverträge gemäß § 550 BGB steht in einem engen Zusammenhang mit der mieterschützenden Vorschrift des § 566 BGB, nach der ein Erwerber einer Immobilie in alle Rechte und Pflichten eines bestehenden Mietvertrags als neuer Vermieter eintritt („Kauf bricht nicht Miete“). Nach dem ursprünglichen gesetzgeberischen Willen dient die Formvorschrift aus diesem Grund in erster Linie den Interessen eines Grundstückserwerbers, der sich vollständig und zuverlässig über alle wesentlichen Inhalte eines Mietvertrags unterrichten können soll, den er selbst nicht geschlossen hat, in den er aber gleichwohl eintritt. Daneben hat die Vorschrift des § 550 BGB aber auch eine Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion, die nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung auch für die ursprünglichen Parteien gilt. Bei einem Verstoß gegen diese Form können die Parteien sich unter Berufung auf den Formverstoß von dem Mietvertrag lösen, sofern eine Kündigung nicht ausnahmsweise treuwidrig ist.
Diese Kündigungsmöglichkeit aufgrund der Nichteinhaltung der Schriftformvoraussetzungen hat aufgrund ihrer wirtschaftlich potenziell enormen Tragweite in der Vergangenheit zu einem erheblichen rechtlichen Beratungsbedarf und oft auch zu Rechtsstreitigkeiten geführt. So nutzen Mietvertragsparteien Verstöße gegen die Formvorschrift auch, um sich von einem möglicherweise inzwischen lästig oder unrentabel gewordenen langfristigen Mietverhältnis zu lösen.
Diese Thematik hat bereits in der Vergangenheit Reformbestrebungen hervorgerufen, so z.B. im Jahr 2019 durch eine Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen, die dafür plädierte, nur noch dem Erwerber einer Immobilie die Möglichkeit einzuräumen, das Mietverhältnis aufgrund eines Schriftformverstoßes zu kündigen und dies auch nur binnen einer angemessenen Frist ab Kenntnis des Verstoßes. Dieser Ansatz wurde damals nicht weiterverfolgt.
Was bedeutet Textform?
Ist durch das Gesetz Textform (§ 126b BGB) vorgeschrieben, muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und die geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.
Als Abgabe einer Erklärung in Textform kommt neben einer Erklärung auf Papier auch die elektronische Erstellung und Übermittlung (beispielsweise per E-Mail, SMS oder Messenger-Dienst) in Betracht.
Das Ausdrucken eines Vertragstextes nebst Anlagen sowie eigenhändiger Unterschrift des Vertrags beider Parteien, häufig verbunden mit einem Austausch der Vertragsdokumente per Post oder per Boten ist hier also nicht erforderlich. Ebenfalls wäre es unschädlich, wenn anstatt eines Originalvertrags oder –nachtrags nur noch eine Kopie oder ein Scan vorhanden sein sollte, was nach aktueller Rechtslage einen Schriftformverstoß begründen könnte. Insoweit wäre tatsächlich eine „Entbürokratisierung“ durch Digitalisierung und Vereinfachung des Prozesses möglich.
Bedeutung und Auswirkungen des Wegfalls des Schriftformerfordernisses für Gewerbemietverträge für die Praxis
Die in den vorstehenden Ausführungen bereits deutlich gewordenen Unterschiede zwischen der derzeit erforderlichen Schriftform und der Textform lassen erahnen, welch große Bedeutung die vorgesehene Änderung u.a. für gewerbliche Mietverträge haben würde. In der Theorie werden die formellen Anforderungen tatsächlich erheblich reduziert.
Dennoch muss weiterhin gewährleistet werden, dass der Erwerber einer Immobilie auch künftig in der Lage ist, sich über den Umfang der vertraglichen Rechte und Pflichten zu informieren, in die er gemäß § 566 BGB eintreten wird. Der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass dies auch mit einem Textformerfordernis der Fall ist. Allerdings heißt es in der äußerst kurzen und allgemein gehaltenen Begründung des Gesetzesentwurfs lediglich, dass das Dokumentations- und Informationsbedürfnis in Bezug auf die vertraglichen Rechte und Pflichten sichergestellt sei.
In der Stellungnahme des vorausgegangenen Referentenentwurf aus Januar 2024 wurde zu der damals geplanten vollständigen Abschaffung der Formvorschriften für gewerbliche Mietverträge noch begründet, dass ohnehin davon auszugehen sei, dass ein Großteil der Verträge weiterhin schriftlich oder in Textform abgefasst werden wird – bereits jetzt sei es in einer Vielzahl von Rechtsgebieten möglich, Verträge formfrei zu fassen und bei größeren Verträgen sei es dennoch üblich, diese wenigstens in Textform abzuschließen. Außerdem könne sich ein Erwerber jedenfalls bei größeren Transaktionen durch eine Due Diligence über alle Inhalte informieren und im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags gegenüber dem Verkäufer durch Aufnahme entsprechender Garantien und Gewährleistungen absichern.
Tatsächlich dürften sich eine Reihe von rechtlichen Fragen ergeben, sollte die Gesetzesänderung wie geplant kommen. Die Herabsetzung der Schriftform auf die Textform dürfte daher eher nicht geeignet sein, die mit dem Gesetzesentwurf angestrebten Ziele zu erreichen. So dürfte das Textformerfordernis zu neuen Rechtsunsicherheiten und damit zu einer Verlagerung der Inhalte der bisherigen Debatten sowie einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten führen. Die Begründungen im Referentenentwurf lassen außerdem den Schluss zu, dass wichtige Erwägungen zum Zweck des aktuellen § 550 BGB außer Acht gelassen wurden. So ist fraglich, ob dem Bedürfnis der Mietvertragsparteien nach Rechtssicherheit und dem Normzweck des § 550 BGB durch die geplanten Änderungen wirklich hinreichend Rechnung getragen wird.
Es ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Textform erstmals im Jahr 2001 eingeführt wurde, um den Rechtsverkehr vor allem bei Massenerklärungen und bei anderen Sachverhalten zu erleichtern, bei denen es aufgrund ihrer Umstände nicht auf die Warn- und Beweisfunktion ankommt und daher die Einhaltung strenger Formvorschriften nicht geboten erschien. Sie dient eher dazu, dass die Beteiligten sich zuverlässig über den Inhalt der Erklärung informieren können (Informationsfunktion). Solche Massenerklärungen / einfach gelagerte Sachverhalte sind langfristige Mietverträge jedoch gerade nicht. Langfristige Mietverträge haben nicht selten eine Laufzeit von 10 oder 20 Jahren. Da sich die Parteien bei derartigen Verträgen häufig u.a. wegen hoher Investitionen, Standortsicherung von Gewerbetreibenden, Fragen im Zusammenhang mit dem Wert und der Finanzierung von Immobilien (z.B. Kaufpreisermittlung einer vermieteten Immobilie) einerseits sehr lange binden und andererseits erhebliche wirtschaftliche Entscheidungen treffen, ist es sinnvoll, dass auch weiterhin eine Warn- und Schutzfunktion vor übereilten Vertragsschlüssen oder Änderungen bestehender Verträge gewährleistet bleiben sollte. Diese sind bei einem Abschluss in Textform nicht gegeben, da auch undurchdachte vertragliche Bindungen beispielsweise durch eine schnelle E-Mail entstehen können oder es unklar ist, ob man tatsächlich bereits einen verbindlichen Vertrag eingehen wollte.
Aufgrund der Bedeutung langfristiger Mietverträge für die Vertragsparteien ist in der Praxis davon auszugehen, dass diese auch künftig sehr häufig schriftlich abgeschlossen werden, selbst wenn gesetzlich die Textform gefordert wird. Hintergrund dessen ist aber in der Regel nicht, dass die Parteien einen Erwerber, sondern sich selbst schützen möchten. Daher würde wohl in einer Vielzahl von langfristigen Mietverträgen rechtsgeschäftlich die Einhaltung der Schriftform vereinbart werden, sodass die Gesetzesänderung letztlich nicht den gewünschten Effekt hätte. Zudem wäre dann bei Schriftformverstößen unklar, welche Rechtsfolgen diese hätten, also ob der Vertrag dann möglicherweise formnichtig wäre – was kaum gewollt sein dürfte – oder ob dennoch die Rechtsfolge des § 550 BGB gelten soll und wie dann mit dem Formverstoß umzugehen ist.
Zudem dürften sich zahlreiche weitere Folgefragen und damit auch Rechtsstreitigkeiten ergeben. Dies insbesondere bei Bestandsverträgen mit üblicherweise enthaltenen Schriftformklauseln und dem Umgang mit diesen. Klärungsbedürftig wäre ebenfalls der Umfang und die Anforderungen der Textform für einen langfristigen Mietvertrag, etwa die Eindeutigkeit des willentlichen Vertragsschlusses durch beide Parteien, wenn die Unterschrift entbehrlich ist. Zudem dürfte es fraglich sein, ob es inhaltliche Mindestvoraussetzungen an einen Mietvertrag gibt – müssen etwa wie bisher alle wesentlichen Vertragsinhalte aus einer einheitlichen Urkunde (bzw. Textdokument) ersichtlich sein, oder reicht ein textlicher Austausch von Erklärungen aus? Wie weit muss auf vorherige Verträge, Nachträge, ausgetauschte E-Mails, Korrespondenz in Papierform und per Messenger-Dienst Bezug genommen werden und wie ist dies in der Praxis umsetzbar? Hierzu wird teils vertreten, dass aus Gründen des Erwerberschutzes im gleichen Umfang wie bisher auf alle bisherigen Vereinbarungen und den ursprünglichen Mietvertrag verwiesen werden muss, um sicherzustellen, welche Regelungen Vertragsinhalt sein sollen. Andererseits ist genau dies ja einer der Punkte, der aktuell das Schriftformerfordernis so bürokratisch macht, was mit dem aktuellen Gesetzesentwurf eigentlich vereinfacht werden soll.
Auch dürfte es bei Mietverhältnissen, die über viele Jahre laufen, schwierig sein, einem Erwerber alle Korrespondenz, aus deren Zusammenschau sich letztlich der Vertragsinhalt ergeben kann, zur Verfügung zu stellen oder für einen Erwerber kaum nachvollziehbar sein, welche Korrespondenz tatsächlich Vertragsinhalt ist. Eine Absicherung über Garantien oder Gewährleistungen des Verkäufers dürfte hier wenig zielführend oder hilfreich sein, da der Erwerber letztlich über viele Jahre an den Mietvertrag gebunden ist. Auch für einen Verkäufer birgt dies ein hohes Haftungsrisiko, gerade wenn es gegebenenfalls einen oder mehrere Voreigentümer gab. Dies alles wird künftig eher zu höherem Aufwand und erhöhtem Beratungsbedarf führen als bisher.
Zu einer Verschlankung der bisherigen Prozesse und zur Förderung der Digitalisierung wäre die Herabsetzung der Schriftform auf Textform gar nicht nötig. Auch nach aktueller Gesetzeslage wäre es möglich, einen Mietvertrag mittels qualifizierter elektronischer Signatur gemäß § 126a BGB i.V.m. Art. 3 Nr. 12 eIDAS-VO zu unterzeichnen und den Vertrag somit in digitaler Form abzuschließen. Allerdings wird dies derzeit bei gewerblichen Mietverträgen noch sehr zurückhaltend praktiziert.
Fazit
Sollte der derzeitige Gesetzesentwurf der Bundesregierung schlussendlich so in Kraft treten, wie er derzeit vorgesehen ist und damit das Schriftformerfordernis für gewerbliche Mietverträge abschaffen, dürfte dies im Ergebnis nicht zu weniger Rechtsunsicherheit führen, sodass es weiterhin einen erheblichen Beratungsbedarf und auch Rechtsstreitigkeiten geben wird, deren Inhalt sich lediglich verlagert. Erleichterungen dürften sich allenfalls durch die Digitalisierung und den Wegfall eigenhändiger Unterschriften ergeben, wofür es aber auch derzeit schon eine Lösung gibt. An diese könnte man anknüpfen und diese durch gesetzliche Regelungen und Vereinfachungen weiter fördern. Zudem gibt es sicherlich geeignetere Ansätze, die gewünschten Folgen zu erreichen, die teils bereits früher diskutiert wurden, ohne aber gleichzeitig an Rechtssicherheit einzubüßen.
Es wäre deshalb wünschenswert, dass der Gesetzgeber den Entwurf hinsichtlich der geplanten Änderungen überdenkt und andere Lösungen findet. Durch den einfachen Ersatz der Schriftform in eine Textform dürfte das gewünschte Ziel wohl nicht erreicht werden.