Der Bundesgerichtshof kippt sogenannte Schriftformheilungsklauseln in Gewerbemietverträgen

16.11.2017

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat in einem erst in der vergange­nen Woche veröffentlichten Urteil entschieden, dass die in langfristigen Gewerberaummietverträgen üblicherweise vereinbarten sog. „Schriftformheilungsklau­seln“ stets vollständig unwirk­sam sind (BGH, Urteil v. 27.09.2017, Az. XII ZR 114/16).

Auf Grundlage dieses Urteils wird es künftig sowohl für Vermieter als auch für Mieter in Einzelfällen einfacher, Gewerberaummietverträge bereits vor Ablauf ihrer Festlauf­zeit unter Berufung auf einen etwaigen Schriftform­mangel vorzeitig zu kündigen. Die Entschei­dung ist bahnbrechend, da der Bundesgerichtshof damit einer seit Jahrzehnten nahezu allgemein ausgeübten und – bis auf wenige Ausnahmen – auch nicht in Frage gestellten Praxis nicht nur in bestimmten Einzelfällen sondern generell eine Absage erteilt.

Hintergrund

Ausgangspunkt ist § 550 Absatz 1 BGB. Danach gilt jeder für längere Zeit als ein Jahr geschlossene Mietver­trag dem Grundsatz nach als unbefristet, wenn er nicht in schriftlicher Form geschlossen wurde. Das in der Vor­schrift verwendete Merkmal „schriftlich“ bedeutet in die­sem Zusammenhang jedoch nicht einfach nur, dass der Vertrag mit Tinte auf Papier niedergeschrieben sein muss. Vielmehr wird „schriftlich“ so interpretiert, dass alle vertragswesentlichen Bedingungen wie insbeson­dere Vertragsparteien, Mietobjekt, Mietzeit und Miete so in der schriftlichen Fassung des Vertrags bezeichnet sein müssen, dass auch eine dritte Person diese Inhalte nachvollziehen kann. Die Einhaltung dieses Kriteriums bereitet in der Praxis aber immer wieder Schwierigkei­ten.

Ein Mietvertrag, der das vorbeschriebene Schriftform-Kriterium des § 550 BGB nicht einhält, gilt aber wie er­wähnt als ein unbefristeter Vertrag und kann daher jeder­zeit mit gesetzlicher Frist gekündigt werden. Diese gesetzliche Kündigungsfrist beträgt bei Gewerberaummiet­verträgen, je nach dem wann die Kündigung ausgesprochen wird, nur circa sechs bis neun Monate. Ein eigentlich auf mehrere Jahre eingegan­genes Gewerbmietverhältnis könnte also im Falle einer Schriftformverletzung bereits deutlich vorher beendet werden.

Um solch einer vorzeitigen Kündigung vorzubeugen, hat man in der Praxis in Gewerberaummietverträgen mit einer Festlaufzeit von über einem Jahr regelmäßig eine Regelung vereinbart, nach der die Parteien sich dazu verpflichten, alles Notwendige dafür zu tun, um den Anforderungen des gesetzlichen Schriftformerfordernis­ses gerecht zu werden und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf einen Schriftformmangel vorzeitig zu kündi­gen. Ob und inwieweit solche Schriftformheilungsklau­seln allerdings überhaupt wirk­sam sind und damit den ihnen zugedachten Zweck erfüllen können, war in der juristischen Fachwelt seit jeher umstritten.

Auswirkungen für die Praxis

Diesen Streit hat der Bundesgerichtshof nun beendet und Schriftformheilungsklauseln stets für vollständig unwirksam erklärt. Konsequenz ist, dass es zukünftig wieder deutlich wichtiger wird zu prüfen, ob ein Verstoß gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis vorliegt oder nicht, und wie ggf. mit einem Schriftformverstoß umgegangen werden kann. Damit ist auch das Risiko oder – je nach Interessenlage – die Chance, sich unter Berufung auf einen Schriftformmangel lästig gewordener Mietverträge zu entledigen, deutlich gestiegen.

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