Urlaub ist eine tolle Sache, von der im Idealfall alle profitieren. Arbeitnehmer können für mindestens vier Wochen im Jahr bei voller Vergütung zu Hause bleiben oder die Welt bereisen. Arbeitgeber wiederum bekommen motivierte und erholte Arbeitnehmer. Problematisch wird es, wenn sich Urlaubsansprüche über Monate anhäufen. Dann ist die Grenze der Zumutbarkeit für Unternehmen erreicht. Der nachfolgende Fall gibt Anlass, Arbeitgeber auf ein wichtiges Instrument zur Vermeidung überlanger Urlaubszeiten hinzuweisen.
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste sich im Urteil vom 16.4.2024 (9 AZR 165/23) mit Urlaubsansprüchen nach vollendeter Elternzeit befassen. Die Klägerin, eine junge Mutter, befand sich nach der Geburt ihrer Kinder von August 2015 bis November 2020 durchgängig in Elternzeit. Noch während der Elternzeit kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis. Nach Ablauf der Elternzeit erhielt der Arbeitgeber ein unerfreuliches Schreiben. Die Mutter forderte Urlaubsabgeltung in Höhe von ca. 25.000 € brutto. Das entsprach 146 Arbeitstagen. Der Arbeitgeber erklärte (nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses) kurzerhand die Kürzung aller Urlaubsansprüche, die in der Elternzeit erwachsen sind. Die Mutter zog sodann vor das Arbeitsgericht.
Die Klägerin erhielt über alle drei Instanzen Recht. Das BAG sprach ihr die Urlaubsabgeltung ungekürzt zu und befasste sich mit § 17 BEEG (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz), wonach der Erholungsurlaub für Arbeitnehmer in Elternzeit für jeden vollen Kalendermonat um 1/12 gekürzt werden kann. Diese Erklärung setze aber ein noch laufendes Arbeitsverhältnis voraus. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne der sodann entstandene Abgeltungsanspruch (§ 17 Abs. 3 BEEG) nicht mehr gekürzt werden. Der Resturlaub wandelt sich in einen nicht mehr kürzbaren Abgeltungsanspruch um.
Praxisrelevanz
Die Entscheidung des BAG steht in einer Linie mit der Rechtsprechung der letzten Jahre zum Urlaubsanspruch in der Elternzeit (vgl. BAG 5.7.2022, 9 AZR 341/21, siehe auch GÖRG Newsletter 12/2015).
Im vorliegenden Fall hätte der Arbeitgeber rund 25.000,- € sparen können. Er hat es jedoch versäumt, die Hilfe des Gesetzgebers für sich in Anspruch zu nehmen.
Wie sieht die Rechtslage aus?
Das (BEEG) enthält in § 17 eine spezielle Regelung zum Urlaubsanspruch. Die ansonsten geltenden Bestimmungen in § 7 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz) zum Verfall, zur Übertragung und zur Abgeltung von Urlaub werden durch § 17 BEEG erheblich modifiziert. Die wichtigsten Eckpunkte sind Folgende:
- Die Elternzeit steht dem Entstehen von Erholungsurlaub nicht entgegen.
- Da während der Elternzeit der Urlaub faktisch nicht gewährt werden kann, kann der Urlaubsanspruch – bei mehreren aufeinanderfolgenden Elternzeiten – über Jahre kumuliert werden (vorliegend waren dies 146 Arbeitstage).
- Nach Beendigung der Elternzeit ist der Urlaubsanspruch – sofern keine Kürzung erfolgt – in vollem Umfang zu gewähren.
- Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit oder wird es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitgeber den noch nicht gewährten Urlaub abzugelten (§ 17 Abs. 3 BEEG).
Die Regelungen in § 17 BEEG weichen also deutlich vom gesetzlichen Regelfall ab. Insbesondere verfallen Urlaubsansprüche nicht etwa 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, wie es etwa im Krankheitsfall der Fall sein kann.
Worauf muss der Arbeitgeber achten?
Der Arbeitgeber muss der Kumulation von Urlaubsansprüchen nicht untätig zusehen. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass dies zu einer unzumutbaren Belastung für Arbeitgeber führen kann. Daher enthält das Gesetz ein effektives Instrument, welches in der Praxis aber wenig bekannt ist und daher oft ungenutzt bleibt.
§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG sieht für Arbeitgeber das Recht vor, den in der Elternzeit entstehenden Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat um 1/12 zu kürzen (das gilt natürlich nur dann, wenn nicht in Teilzeit weitergearbeitet wird, denn dann kann und muss im Rahmen der aktiven Beschäftigung – wie sonst auch – der Urlaub abgebaut werden). Diese Kürzung muss aber ausdrücklich erklärt werden, und zwar noch im laufenden Arbeitsverhältnis. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dies zu spät. Die Kürzung tritt nicht automatisch ein. Übrigens kann auch vor Antritt der Elternzeit zu viel gewährter Urlaub später wieder gekürzt werden (§ 17 Abs. 4 BEEG).
Die Kürzungserklärung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Aus Beweisgründen ist aber die Schrift- oder Textform (mit Zugangsnachweis) zu empfehlen. Es empfiehlt sich zudem, die Kürzungserklärung während der Elternzeit jährlich abzugeben.
Der Gesetzgeber hat die Kürzungsmöglichkeit in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt. Es kann im Einzelfall gute Gründe dafür geben, die Kürzung nicht zu erklären. In guten wirtschaftlichen Zeiten kann das bewusste Absehen von einer Kürzung etwa als Instrument der Familienförderung genutzt und sogar aktiv beworben werden.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, wie wichtig es für Arbeitgeber ist, die rechtlichen Möglichkeiten zur Kürzung von Urlaubsansprüchen während der Elternzeit zu kennen und korrekt umzusetzen. Wird die Kürzung nicht rechtzeitig erklärt, können erhebliche finanzielle Belastungen entstehen, wie der hier geschilderte Fall zeigt. Arbeitgeber sollten daher die Regelungen des § 17 BEEG genau beachten und im Zweifel rechtlichen Rat einholen, um ihre Interessen zu wahren und kostspielige Folgen zu vermeiden.