Solarpflicht für Neubauten – ab 2023 auch in Berlin

Berlin, 17.02.2023

Das große Ganze und die Solarpflicht

In Berlin gilt seit dem 01. Januar 2023 eine Solarpflicht für Neubauten sowie bei Dachsanierungen. Auch andere Bundesländer haben vergleichbares eingeführt oder beabsichtigen dies zeitnah. Der Beitrag ordnet die Solarpflicht in die Taxonomie-Nachhaltigkeits-Regulierung auf EU-Ebene und nationaler Ebene ein und beschreibt die Berliner Regelung.

Solar und Versorgungsstrategie

Dachflächen-Photovoltaik hat in den letzten Jahren als Gestaltungsvariante der Energieversorgung Fahrt aufgenommen und das Tempo – unbenommen der Alternativen einer Stromversorgung aus erneuerbaren Energien – gehalten. Neben dem marktgetriebenen Interesse an einer insoweit jedenfalls autarken Energieversorgung aus Dach-Photovoltaik, greift die Solardachpflicht auch den mehrdimensionalen Ansatz einer Nachhaltigkeit auf. Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern und die Stadtstaaten Berlin und Hamburg haben sich deshalb bereits vor Jahren für eine Solaranlagenpflicht ausgesprochen. In Berlin ist nach der Novelle des Klimaschutz- und Energiewendegesetzes von Berlin aus 2021 mit dem Solargesetz Berlin eine Solarpflicht für Neubauten und bei Dachsanierungen bestimmt worden, die am 01. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Auch in den anderen Bundesländern geht es darum, dass in der Regel beim Neubau oder einer Modernisierung eines privat oder gewerblichen genutzten Gebäudes eine Photovoltaikanlage, teilweise alternativ Solarwärmeanlage, auf das Dach installiert werden muss. Diese Pflicht ist unerlässlich, um den dringend nötigen Ausbau erneuerbarer Energien zur Energieerzeugung zu beschleunigen. Kernindikator ist dabei auch die indirekte Reduzierung der CO2- Emission aus dem erneuerbar erzeugten Strom.

Taxonomie auf europäischer Ebene

Die zur Nachhaltigkeit von der Europäischen Union auf der Basis des Pariser Klimaschutzabkommens (2015) und des Green Deal (2019) vorgeschlagenen oder verabschiedeten Rechtsakte sehen im Energiesektor zwar eine Schlüsselrolle. Die Europäische Union zielt mit ihren Rechtsakten aber vor allem auf die Finanzwirtschaft. Diese soll für einen Umbau der Realwirtschaft im Sinne der sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance Criteria) stimuliert werden. Ziel der Taxonomie auf europäischer Ebene ist, die Kapitalströme in Richtung nachhaltiger Investitionen zu lenken.

Zwischeneinwurf: Eine solche nachhaltige Investition ist auch die Solaranlage.

Aber zurück zur Europäischen Ebene:

Maßgebend – mittelbar über die Finanzmarkteilnehmer oder durch entwickelte Bewertungskriterien zur Einstufung einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit speziell im Immobilienbereich – ist die Verordnung (EU) 2020/852 vom 18. Juni 2020 über die Errichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (die sogenannte Taxonomie-VO). Diese Verordnung genießt Anwendungsvorrang in den Mitgliedstaaten und bedarf daher keiner nationaler Umsetzung. Sie wird durch flankierende und konkretisierende nationale Regelungen – zu diesen gesondert später – ergänzt.

Die weiter maßgebliche Vorschrift auf europäischer Ebene ist die Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139 vom 04. Juni 2021. Sie konkretisiert die Taxonomie-VO hinsichtlich der Bewertungskriterien zur Einstufung einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit unter Ausweis u. a. konkreter Vorgaben für die Immobilienbranche und dort folgender Wirtschaftstätigkeitsbereiche:

  • Neubauten,
  • Renovierung bestehender Gebäude,
  • Installation, Wartung und Reparatur im Zusammenhang mit Gebäuden (Energieeffiziente Geräte, Ladestationen für E-Fahrzeuge, Technologien für erneuerbare Energien)
  • Erwerb von Eigentum.

Die vorgenannte Delegierte Verordnung weist darüber hinaus technische Bewertungskriterien aus, die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, zum Beispiel:

  • bei Neubauten: die Reduzierung des Primärenergiebedarfes um mindestens 10 % unter dem nationalen Schwellenwert für Niedrigstenergiegebäude 
  • bei der Renovierung bestehender Gebäude: die Energieeinsparung von 30 % oder im Einklang mit EU-Gebäuderichtlinie
  • beim Erwerb von Eigentum: u.a. Energiegebäudeausweis der Klasse A oder obere 15% des nationalen oder regionalen Gebäudebestands, ausgedrückt durch den Primärenergiebedarf.

Nationaler Rechtsrahmen

Bei Dachflächen-Photovoltaikanlagen handelt es sich um Erzeugungsanlagen im Sinne von Solaranlagen des sog. zweiten Segmentes (Solaranlagen auf, an oder in einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand, legaldefiniert in § 3 Nr.  41b EEG 2023).

Anlagenbetreiber können ihren in Solaranlagen erzeugten Strom prozentual auf verschiedene im EEG 2023 beschriebene Veräußerungsformen aufteilen. Je nach Größe der Anlagen können sie also entweder

  • die Einspeisevergütung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 3 EEG 2023 in Anspruch nehmen,
  • einen Mieterstromzuschlag auf, an und in Wohngebäuden jedenfalls in demselben Quartier, in den das Gebäude mit den Solaranlagen liegt, in Anspruch nehmen, § 21 Abs. 3 EEG 2023
  • nach Ausschreibung die Marktprämie nach § 20 EEG 2023 erhalten,
  • oder Strom im Wege der sonstigen Direktvermarktung nach § 21a EEG 2023 vermarkten,

(zu alledem auch § 21b mit den jeweiligen Vermarktungsverweisen im EEG 2023). Sie können den Strom auch ganz oder teilweise selbst verbrauchen.

Zur europäischen Taxonomie sind flankierende Rechtsnormen zur Dekarbonisierung auf nationaler Ebene

  • das Gebäudeenergiegesetz (GEG) seit 2020, geändert 2022
  • das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastrukturgesetz (GEIG) seit 2021
  • das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), Novelle in 2022
  • das Kohlenstoffdioxidaufteilungsgesetz (CO2KostAufG) seit 2022 für ab 2023
  • die Verordnung über Heizkostenabrechnung (HeizkostenV), geändert 2021  
  • und eben – auf Landesebene - das Solargesetz Berlin 2021 für ab 2023.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kennt bisher keine Verpflichtung für Vermieter, Nachhaltigkeitsstandards umzusetzen. Immerhin aber ist für Modernisierungsmaßnahmen eine Duldungspflicht des Mieters angelegt.

Und nun zur Solarpflicht in Berlin

Berlin hat einen Masterplan für den Solarausbau in der Hauptstadt, die Solarcity Berlin - ein Zubau-Szenario mit 27 Maßnahmen. Die politischen Zielgrößen wurden bisher nicht erreicht. Mit dem im März 2023 stattfinden Volksentscheid steht eine Verschärfung der Klimaschutzziele für Berlin zur Debatte. Gut möglich ist aber, dass mit der nun eingeführten Solarpflicht der Zubau beflügelt wird. Die Dachflächen-Photovoltaik (ob für die eigene Versorgung, als Mieterstrom, Antriebsstrom oder bei einer Einspeisung) stellt ohnehin einen der standortbezogenen Bausteine für die Nachhaltigkeitskennzahlen des Gebäudes oder Gebäudeportfolios dar.

Voraussetzungen der Solarpflicht in Berlin

Der Rest ist schnell erzählt:

Betroffen sind nicht-öffentliche Gebäude, mit deren Errichtung und wesentlichen Umbau des Daches nach dem 31. Dezember 2022 begonnen wurde/wird. Die Berliner Regelung gilt für Wohnbau und Gewerbegebäude.

Betroffen sind alle neuen Gebäude mit einer Nutzfläche von mehr als 50 m2. Ab dieser Nutzfläche müssen mindestens 30 % der Bruttodachflächen mit Modulen belegt werden. Es muss nicht die gesamte Dachfläche sein. Gerechnet wird aber auf die gesamte Dachfläche oder auf die Gesamtsumme der Teilfläche der anrechnungsrelevanten Dächer.

Sie gilt auch, wenn an Bestandsgebäude (ggf. im Zusammenhang mit deren energetischer Sanierung) die Dächer wesentlich umgebaut werden. Was ist ein solcher wesentlicher Umbau? Er wird als Änderung an der Dachfläche, bei der die wasserführende Schicht durch Dachausbau, Dachaufstockung oder grundständige Sanierung erheblich erneuert wird, definiert. Bei Bestandsgebäuden gilt für die Berechnung ein unterschiedlicher Ansatz. Anders als bei Neubau werden mindestens 30 % der Nettodachfläche, also der nutzbaren Dachfläche abzüglich aller Aufbauten und Störflächen als Mindestvorgabe für die verpflichtende Belegung mit Modulen zugrunde gelegt. Alternativ zur vorgenannten Mindestgröße gibt es bei Wohngebäuden wohnungsbezogene Mindestwerte der installierten Leistung

Es sind Abweichungen von den Mindestvorgaben und Befreiungen unter den jeweils definierten Voraussetzungen zugelassen.

Solarthermieanlagen im Sinne des GEG oder Fassaden –PV sind zugelassen.

Die Solarpflicht soll bei Neubauten nur für Anlagengrößen greifen, die einer Einspeisevergütung oder anderen Vermarktungsform nach dem EEG 2023 unterfallen können, ohne an Ausschreibungen zur wettbewerblichen Ermittlung des Zahlungsanspruches nach § 22 Abs. 3 EEG 2023 teilnehmen zu müssen, die dem Zubauvolumen nach begrenzt sind.

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