Einigung auf „EU-Lieferkettengesetz“ (CSDDD) – Vorstellung und Abgleich mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Berlin/Hamburg, 17.04.2024

Nachdem die Verabschiedung der europäischen Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, „CSDDD“) am 28. Februar 2024 aufgrund einer Enthaltung von mehr als der Hälfte der 27 EU-Mitgliedstaaten – darunter auch Deutschland – zunächst gescheitert war, kam es am 15. März 2024 nun zu einer Einigung im Europäischen Rat. Grundlage des Richtlinientextes ist ein Kompromisstext der belgischen Ratspräsidentschaft.

Soviel sei an dieser Stelle vorweggenommen: Die inhaltlichen Vorgaben der Richtlinie sind – gegenüber den ursprünglichen Befürchtungen – stark abgeschwächt worden.

Im nächsten Schritt muss die Richtlinie noch förmlich vom Parlament der Europäischen Union angenommen werden. Voraussichtlich wird das noch vor den Parlamentswahlen im Juni dieses Jahres geschehen. Nach Inkrafttreten haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, das Gesetz in nationales Recht umzusetzen. Für Deutschland zieht dies eine Änderung des bestehenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) nach sich.

In unserem Legal Update vom 1. Dezember 2022 haben wir den Vorreiter auf nationaler Ebene, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vorgestellt.

Nun möchten wir die aktuellen Entwicklungen auf europäischer Ebene aufgreifen, die bevorstehenden Regelungen mit dem deutschen LkSG abgleichen und ein gutes Jahr nach Inkrafttreten des LkSG eine erste Bilanz ziehen. 

CSDDD – Ein Überblick

Mit der CSDDD soll erstmals länderübergreifend eine einheitliche und verbindliche Regelung geschaffen werden, mit der EU- und Nicht-EU-Unternehmen, die in der EU tätig sind, verpflichtet werden, menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihrer Wertschöpfungskette zu verankern.

Der Anwendungsbereich

Die Reichweite der jetzt verabschiedeten Fassung der CSDDD ist gegenüber vormals kursierenden Entwürfen deutlich abgeschwächt: Die Anzahl der europäischen Unternehmen, die von der Richtlinie betroffen sein werden, wurde gegenüber der ursprünglichen Fassung um fast 70% reduziert. Hintergrund ist die erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs.

Während die ursprüngliche Fassung eine Verpflichtung von Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 150 Mio. Euro vorsah, liegt der absolute Schwellenwert nun bei 1.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 450 Mio. Euro. Außerdem sieht der neue Entwurf längere Übergangsfristen vor:

  • Für Großunternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und 1,5 Milliarden Euro Jahresumsatz gilt die Richtlinie drei Jahre nach Inkrafttreten,
  • für Firmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden und 900 Mio. Euro Jahresumsatz nach vier Jahren und
  • für alle weiteren Unternehmen liegt die „Schonfrist“ sogar bei fünf Jahren.

Gänzlich weggefallen ist die Kategorie der Hochrisiko-Sektoren, die dazu geführt hätte, dass sich auch kleine Unternehmen, z.B. aus der Textilbranche, der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelwirtschaft, der Rohstoffindustrie und dem Bausektor an die Vorgaben hätten halten müssen – unabhängig von den vorgenannten Voraussetzungen.

Befreiungsmöglichkeit für Holdinggesellschaften

Von hoher praktischer Relevanz ist die Ausnahmeregelung, nach der auf Antrag Holdinggesellschaften von ihren Sorgfaltspflichten befreit werden können, sofern sich ihre Tätigkeit ausschließlich auf das Halten von Anteilen beschränkt und eine Tochtergesellschaft in der EU die Sorgfaltspflichten umsetzt. Rechtlich verantwortlich sind in diesem Fall die Holdinggesellschaft und die Tochtergesellschaft gemeinsam.

Haftungsregelungen

Abgeschwächt wurden außerdem die in der Richtlinie vorgesehenen Haftungsregeln. Zwar sollen Arbeitnehmer und Gewerkschaften EU-Unternehmen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können, wenn diese „vorsätzlich oder fahrlässig“ gegen die Richtlinie verstoßen. Dies gilt allerdings nur für eigenes Verschulden der Unternehmen – bei einer Verjährungsfrist von immerhin mindestens fünf Jahren. Eine Inanspruchnahme wegen Verschuldens von Geschäftspartnern innerhalb der Lieferkette ist nicht mehr vorgesehen.

Wo steht das LkSG?

Deutschland verfügt bereits seit dem 1. Januar 2023 über das LkSG. Insofern war Deutschland Vorreiter in Sachen Regulatorik in der Lieferkette.

Dessen Anwendungsbereich – ausschlaggebend ist allein die Beschäftigtenzahl von mehr als 1.000 Mitarbeitenden – geht aktuell sogar weiter als der aktuell beschlossene Entwurf der CSDDD. Denn: Jahresumsätze bleiben beim LkSG außer Betracht. Allerdings enthält es keine über die allgemeine Haftung hinausgehenden, eigenständigen Haftungsregelungen.

Aber eine vollständige Entwarnung kann nicht erfolgen: Den bisherigen Regelungen des LkSG stehen die Haftungsregelungen der CSDDD diametral entgegen. Die CSDDD wird – bei entsprechender Verabschiedung – zusätzliche Anforderungen enthalten, die gegenüber dem LkSG strengere Prüfpflichten und detaillierte Berichtsanforderungen enthalten werden. Darüber hinaus werden sich die Sorgfaltspflichten auf einen erweiterten Geschäftsbereich erstrecken. Schließlich soll die Einhaltung der Verpflichtungen in der Lieferkette stärker als bislang (vgl. § 22 LkSG) bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen berücksichtigt werden.

Da auch Deutschland die CSDDD umzusetzen hat, ist mit einer Anpassung des LkSG bis zum Jahr 2026 zu rechnen. 

Bestandsaufnahme: Ein Jahr LkSG 

Die behördliche Praxis 

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) selbst zieht nach dem ersten Jahr der Anwendungspflicht des LkSG eine positive Bilanz und ist der Ansicht, dass sich die Unternehmenslandschaft stärker mit ihren Lieferketten auseinandersetzt.[1]

Nach Informationen des BAFA sind im vergangenen Jahr 486 Kontrollen bei Unternehmen durchgeführt worden, wobei sich der Großteil auf die Branchen Automobil, Chemie, Pharmazie, Maschinenbau, Energie, Möbel, Textil- sowie Nahrungs- und Genussmittelindustrie bezogen haben soll. Sanktionen seien bislang nicht verhängt worden. Die Kontrollen hätten sich schwerpunktmäßig auf das Risikomanagement und das Beschwerdeverfahren erstreckt. Letzteres sei von den meisten überprüften Unternehmen bereits zufriedenstellend eingerichtet worden. Allerdings handelt es sich dabei auch um absolute „Grundpflichten“ im Zusammenhang mit der Beachtung der Vorgaben des LkSG.

Das BAFA äußert jedoch auch Kritik: Es sei festgestellt worden, dass einige Unternehmen versuchten, die LkSG-Pflichten pauschal an ihre Zulieferer weiterzugeben, etwa mittels vertraglicher Zusicherungen. Eine solche pauschale Übertragung sei generell aber nicht zulässig. Damit gilt einmal mehr, dass es konkreter und individuell abgestimmter vertraglicher Regelungen in der Lieferkette bedarf, die Abhilfemaßnahmen gegenüber dem unmittelbaren Zulieferer erlauben. Vor dem Hintergrund der nun drohenden Haftungsrisiken ist die sorgfältige und auf den Einzelfall abgestimmte Formulierung in jedem Fall zu empfehlen

Neue Hilfsmittel des BAFA

Wie bereits in unserem letzten Legal Update zum LkSG erwähnt, veröffentlich das als Aufsichtsbehörde zuständige BAFA regelmäßig Handreichungen zur Anwendung des LkSG.

Seit August 2023 gibt es eine weitere Handreichung zur Zusammenarbeit in der Lieferkette. Diese zeigt auf, wie verpflichtete Unternehmen und ihre Zulieferer zusammenarbeiten können und zugleich die Grenzen der Inanspruchnahme nicht-verpflichteter Unternehmen durch verpflichtete Unternehmen betont. Zusätzlich wurde der Fragenkatalog (FAQ) mehrfach aktualisiert. 

Zuletzt hat das BAFA im Dezember 2023 eine Risikodatenbank veröffentlicht, die zu beachtende Indizes zu den einzelnen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken nach LkSG zur Verfügung stellt.

Weitere Regularien rund um die Lieferkette

Entwurf des CSRD-Umsetzungsgesetzes – umfassende Dokumentations- und Berichtspflichten

Die Corporate Sustainability Reporting-Richtlinie (CSRD) verpflichtet die Mitgliedstaaten bis zum 6. Juli 2024 zur Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung für große, kleine und mittelgroße Unternehmen und einer Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesjustizministerium im März 2024 einen Referentenentwurf für ein CSRD-Umsetzungsgesetzes veröffentlicht.

Der Referentenentwurf sieht u.a. auch Änderungen in Bezug auf die Dokumentations- und Berichtspflichten gemäß § 10 LkSG-E vor. Durch zusätzliche Regelungen soll im LkSG ein Entfallen bzw. eine Ersetzungsbefugnis der Berichtspflicht verankert werden, um doppelte Berichtspflichten zu vermeiden. Die Regelungen sollen dabei nicht auf zurückliegende Geschäftsjahre anwendbar sein, die vor dem 1. Januar 2024 begonnen haben. 

Die LkSG-Berichtspflicht soll insbesondere entfallen, wenn ein Unternehmen verpflichtet ist, seinen Lagebericht um einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß § 289b HGB-E zu erweitern, sowie für Unternehmen, die in einen Konzernnachhaltigkeitsbericht der Mutter einbezogen sind (vgl. § 289b Abs. 2 und § 315b Absatz 1 HGB-E).

Als weitere Möglichkeit soll in das LkSG aufgenommen werden, dass Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß HGB-E ohne gesetzliche Verpflichtung aufstellen, den LkSG-Bericht durch den freiwillig erstellten Nachhaltigkeitsbericht ersetzen können. Dabei sind an den Nachhaltigkeitsbericht eine Reihe von gesetzlichen Anforderungen zu stellen, bspw. die Prüfpflicht und öffentliche Zugänglichmachung.

Unternehmen können mit einem um einen Nachhaltigkeitsbericht erweiterten Lagebericht lediglich die ursprünglich nach LKSG vorgesehene Berichtspflicht erfüllen; alle weiteren Verpflichtungen des LKSG bleiben unberührt. Dazu zählt insbesondere die Einführung eines Klimaplans (vgl. Erwägungsgrund 50 der CSDDD).

EU-Entwaldungsverordnung

Darüber hinaus ist am 29. Juni 2023 die EU-Entwaldungsverordnung in Kraft getreten. Damit will die Europäische Union einen Beitrag zur Eindämmung der weltweiten Entwaldung und zur Reduzierung von Waldschädigung leisten. EU-Unternehmen, die die in der Verordnung genannte Waren (beispielsweise Rinder, Kakao, Kaffee, Soja oder Holz) im europäischen Binnenmarkt in Verkehr bringen, sehen sich infolge der Verordnung zukünftig mit umfangreichen Compliance-Pflichten konfrontiert, die ab dem 4. Quartal 2024 einzuhalten sind. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) werden erst ab dem 2. Quartal 2025 in die Pflicht genommen.

Diese zuvor genannten Waren dürfen nach den Vorgaben der neuen Verordnung nur noch dann in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie entwaldungsfrei sind, gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und für die Ware eine sog. Sorgfaltserklärung vorliegt.

Ausblick

Für deutsche Unternehmen, die bereits dem LkSG unterfallen und sich an die Umsetzung der Sorgfaltspflichten gewagt haben, wird die CSDDD ein teils bekanntes Terrain darstellen. Unterstützend sind ferner Leitlinien der EU-Kommission zu erwarten, die sie beispielsweise zu Mustervertragsklauseln veröffentlichen werden. 

Das Damoklesschwert der Rechtsfolgen bei Verstößen bleibt jedoch bestehen. Die drohenden Geldbußen können nach Umsetzung der Richtlinie bis zu 5 % des Jahresumsatzes betragen.

Der stufenweise Anwendungsbereich der CSDDD gibt insbesondere kleineren Unternehmen eine Schonfrist, die jedoch für eine Vorbereitung mit Blick auf ausreichend personelle Ressourcen und Know-how genutzt werden sollte. Die verantwortlichen Akteure sind bereits jetzt im Rahmen ihrer Governance gefragt, kluge Strukturen für die Umsetzung der neuen Verpflichtungen zu etablieren.


 

[1] Pressemitteilung des BAFA vom 21.12.2023, abrufbar unter https://www.bafa.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/Lieferketten/2023_21_1_jahr_lksg_-_bafa_zieht_positive_bilanz.html

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