Einleitung
Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten kommunalen Einnahmequellen. Sie wird erhoben auf Grundstücke, einschließlich Gebäude, sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Derzeit fließen Städten und Gemeinden hieraus schätzungsweise rund 15 Milliarden Euro jährlich zu. Im April 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuer jedoch in ihrer derzeitigen Form für verfassungswidrig und setzte eine Frist zur Reformierung. Ohne eine Reform drohte der Wegfall dieser essenziellen Einnahmequelle.
Ende 2019 verabschiedete der Bundesgesetzgeber daher die Grundsteuerreform. In allen Bundesländern laufen seit dem 1. Juli 2022 die Fristen für die Abgabe der Feststellungserklärungen zur Ermittlung der neuen Besteuerungsgrundlagen. Diese sind auf den 1. Januar 2022, den sogenannten Hauptfeststellungszeitpunkt, festzustellen.
Fünf Bundesländer haben von einer im Zuge der Reform beschlossenen Grundgesetzänderung Gebrauch gemacht und eigene Grundsteuergesetze erlassen.
In diesem Beitrag stellen wir anhand eines Beispielsfalls das Bundesmodell den Modellen in Hessen und Bayern gegenüber.
Zudem weisen wir auf aktuellen Handlungsbedarf für Immobilientransaktionen in und um den Hauptfeststellungszeitpunkt hin.
Verfassungsrechtlicher Hintergrund
Anlass für die Reform war die im April 2018 vom Bundesverfassungsgericht erklärte Verfassungswidrigkeit des bisherigen Grundsteuersystems. Es verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Zentrales Element des alten Systems war die vorgesehene periodische Wiederholung der Hauptfeststellungen für die wesentliche Bezugsgröße, den Einheitswert. Dieser vorgesehene Zyklus ist nicht umgesetzt worden. Die Folge ist, dass dem noch heute Anwendung findenden Einheitswert Wertverhältnisse zugrunde liegen, die in Westdeutschland bis 1964 und in Ostdeutschland bis 1935 zurückreichen.
Das Bundesmodell
Die Mehrheit der Bundesländer folgt dem Steuermodell des Bundes. Das Saarland und Sachsen sehen geringfügige Abweichungen vor (abweichende Steuermesszahl). Die auch im alten System vorhandene dreistufige Steuersystematik bleibt im Grundsatz erhalten. Sie setzt sich nun aus den drei Variablen „Grundsteuerwert“, „Steuermesszahl“ und dem „kommunalen Hebesatz“ zusammen. Das Kernstück bildet der neue Grundsteuerwert, welcher den bisherigen Einheitswert ersetzt.
Das Bundesmodell geht von einer durch das Innehaben von inländischem Grundbesitz vermittelten Leistungsfähigkeit aus. Zur Ermittlung des Grundsteuerwerts kommen daher Ertrags- und Sachwertverfahren zur Anwendung. Sie entsprechen im Wesentlichen der Bewertungsmethodik aus der Immobilienwertermittlungsverordnung. Im Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 vom 28. Juli 2022 hat der Gesetzgeber das Interesse an der Verwertbarkeit der von den Gutachterausschüssen ermittelten Daten erneut ausdrücklich betont.
Da die neuen Grundsteuerwerte gegenüber den Einheitswerten in den meisten Fällen deutlich höher ausfallen werden, sind die anzuwendenden Steuermesszahlen herabgesetzt worden. Sie sehen nun Promillesätze zwischen 0,31 und 0,34 gegenüber zuvor 2,6 und 3,5 vor.
Die Ländermodelle
Eigene Modelle sind in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen vorgesehen.
Im Gegensatz zum Bundesmodell steht in Bayern und Hamburg der Äquivalenzgedanke im Vordergrund. Die Grundsteuer diene maßgeblich der Finanzierung der kommunalen Infrastruktur. Größere Grundstücke und Immobilien sollen diese stärker in Anspruch nehmen, sodass hiermit verbundene höhere Kosten für die Gemeinde auch eine höhere Steuerlast rechtfertigen. In Bayern sind daher sogenannte Äquivalenzbeträge für Grund und Boden sowie für Wohn- und Nutzflächen zu ermitteln und mit einer Messzahl zu multiplizieren.
In Hamburg werden in ähnlicher Weise Äquivalenzbeträge ermittelt. Für den Äquivalenzbetrag der Wohnflächen ist eine an der Wohnlage orientierte Reduzierung der Grundsteuermesszahl vorgesehen. Hierzu wird zwischen guten und normalen Wohnlagen differenziert. Die Reduzierung gilt für normale Wohnlagen sowie für denkmalgeschützte Objekte und sozial geförderten Wohnraum.
In Baden-Württemberg werden im Wesentlichen nur zwei Faktoren berücksichtigt: die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert. Die Bebauung ist irrelevant. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Bodenrichtwert den potenziellen wirtschaftlichen Nutzen der Leistungen und Ressourcenverwendungen der Kommunen vermittle.
Auch in Hessen und Niedersachsen wird davon ausgegangen, dass Grundstücke in begehrten Lagen typischerweise mit einem größeren Angebot kommunal finanzierter Infrastruktur einhergehen. Indes sei der Bodenrichtwert hier nur ein Indikator, durch welchen dies zum Ausdruck komme. In Hessen und Niedersachsen wird der aus Bayern und Hamburg bekannte Äquivalenzgedanke um einen lagebedingten Faktor korrigiert, welcher sich am Bodenrichtwert orientiert und als Indikator für eine höhere Leistungsfähigkeit gesehen werden kann.
Belastungsvergleich Bundes- vs. Ländermodelle
Die unterschiedlichen Steuerbelastungen soll ein mit einem Verbrauchermarkt bebautes Grundstück illustrieren, welches wir exemplarisch in fiktiven Gemeinden in NRW, Hessen und Bayern platzieren. Um eine Vergleichbarkeit herzustellen, gehen wir in allen drei Fällen von einem gemeindlichen Hebesatz von 500 Prozent und den gleichen Bodenrichtwerten aus (ceteris paribus).
Für die Anwendung des Sachwertverfahrens nach dem Bundesmodell (Formel) bedarf es der nachfolgenden Grundstücksinformationen: Grundstücksfläche (hier: 2.235 m²), Brutto-Grundfläche (hier: 1.250 m²), Baujahr (hier: 2012), Normalherstellungskosten (hier: EUR 896/m²), Baupreisindex (hier: 116 Prozent), Gesamtnutzungsdauer (hier: 30 Jahre), Bodenrichtwert (hier: EUR 1.100/m²), durchschnittlicher Bodenrichtwert der Gemeinde (hier: EUR 1.000/m²).
Auf Basis dieser Grundstücksinformationen sind weitere Werte aus den Anlagen 36 bis 43 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu entnehmen. Insgesamt bedarf es für die Berechnung circa 15 verschiedener Parameter.
In unserem Beispiel führt die Anwendung des Sachwertverfahrens im Bundesmodell zu einem Grundsteuerwert von EUR 2.327.243. Im Ergebnis steht eine zu zahlende Grundsteuer von EUR 3.956 (EUR 2.327.243 x 0,00034 x 500 Prozent).
Für die Ermittlung der zu zahlenden Grundsteuer in Hessen bedarf es nur vier der oben genannten Grundstücksinformationen und keine der Werte aus den Anlagen 36 bis 43 BewG. Im Ergebnis steht eine zu zahlende Grundsteuer von EUR 3.675.
In Bayern wiederum sind nur zwei der oben genannten Grundstücksinformationen anzuwenden. Im Ergebnis steht eine zu zahlende Grundsteuer von EUR 3.572.
Mit Ausnahme von Bayern und Hamburg, kann insbesondere die Lage des Grundstücks zu erheblichen Unterschieden in der Belastungshöhe führen. Bei Grundstücken mit deutlich überdurchschnittlichen Bodenrichtwerten fällt dies besonders ins Gewicht. Geht man etwa vom vorliegenden Beispielsfall aus und legt einen Bodenrichtwert von EUR 5.000 zugrunde, so ergibt sich in Bayern eine unveränderte Grundsteuer von EUR 3.572, in Hessen eine Grundsteuer von EUR 5.786 und in Nordrhein-Westfalen eine Grundsteuer in Höhe von EUR 14.329.
Handlungsbedarf bei Immobilientransaktionen
Die Feststellungserklärungen sind durch die jeweiligen Eigentümer abzugeben. Zu zahlen ist die neue Grundsteuer von demjenigen, der am 1. Januar 2025 Eigentümer ist. Für zwischenzeitliche Immobilientransaktionen sollten daher einige vertragliche Besonderheiten berücksichtigt werden.
Empfehlenswert ist zunächst die Aufnahme einer Klausel, wonach der Verkäufer erklärt, seine Pflicht zur Abgabe der Feststellungserklärung (§ 228 BewG) ordnungsgemäß erfüllt zu haben und dem Käufer eine Kopie der abgegebenen Erklärung bereitzustellen.
Je nach Fallkonstellation könnte sich für den Käufer ein Recht zur Durchsicht und ggf. ein Recht zur Vornahme von Anpassungen der Erklärung anbieten.
Da die Grundsteuer ab dem 1. Januar 2025 vom neuen Eigentümer zu zahlen ist, ist in jedem Fall darauf zu achten, dass er von sämtlichen künftig ergehenden, die Grundsteuer betreffenden Bescheiden Kenntnis erlangt. Die entsprechenden Bescheide (oder zumindest Kopien hiervon) sollten dem neuen Eigentümer vom Verkäufer zur Verfügung gestellt werden. Auch dies sollte vertraglich
geregelt werden.
Für den Fall, dass das zuständige Finanzamt in dem Grundsteuermessbescheid von der Erklärung abweichende Werte zugrunde legen sollte, sollte der Käufer in die Lage versetzt werden, an möglichen Einspruchs- oder Klageverfahren hinreichend zu partizipieren. Auch dies bedarf einer vertraglichen Regelung.
Für einen Verstoß gegen diese Pflichten sollten ferner entsprechende Rechtsfolgen geregelt sein, wenn dem neuen Eigentümer infolge des Verstoßes Steuernachteile entstehen sollten. Dies können unter anderem Verspätungs- und Säumniszuschläge sein. Der Kaufvertrag sollte entsprechende Freistellungen zugunsten des Käufers vorsehen.
Der jeweils konkrete Handlungs- und Regelungsbedarf sollte bei jeder Immobilientransaktion, die bis zum Erlass der ersten Grundsteuerbescheide auf der Basis des neuen Rechts durchgeführt wird, genau geprüft werden.