BVerwG: Sonn- und Feiertagsarbeit auf dem Prüfstand

19.01.2015

Orientierungssatz

Die Hessische Bedarfsgewerbeverordnung ist insoweit nichtig, als sie eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken, Call-Centern und Lotto- und Totogesellschaften zulässt. Im Buchmachergewerbe darf Sonn- und Feiertagsarbeit hingegen zugelassen werden.

Ausgangslage

Das Arbeitszeitgesetz sieht eine grundsätzliche Sonn- und Feiertagsruhe vor. Ausnahmen gelten nur für bestimmte Betriebe, deren Funktionsfähigkeit auch an Sonn- und Feiertagen im öffentlichen Interesse liegt. Neben Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie bspw. Not- und Rettungsdiensten, Feuerwehr, Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe sowie Energie- und Wasserversorgungsbetriebe, sind von dem generellen Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung auch Kultur- und Sportveranstaltungen, Messen, Rundfunk- und Pressebetriebe sowie Bäckereien und Konditoreien ausgenommen.

Darüber hinaus ermöglicht das Arbeitszeitgesetz Rechtsverordnungen der Bundes- oder der Landesregierungen zur Erlaubnis von Sonn- und Feiertagsbeschäftigung für weitere Betriebe. Hessen hat mit seiner Bedarfsgewerbeverordnung hiervon Gebrauch gemacht und u.a. für Videotheken und öffentliche Bibliotheken, Call-Center, Lotto- und Totogesellschaften sowie für Betriebe des Buchmachergewerbes die Sonn- und Feiertagsarbeit für zulässig erklärt. Dagegen hatten sich eine Gewerkschaft und zwei evangelische Gemeindeverbände gewendet, woraufhin der Verwaltungsgerichtshof die Verordnung teilweise für nichtig erklärte.  Auf die Revision des Landes Hessen hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Kassel nun höchstrichterlich bestätigt.

Entscheidung

Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Hessische Bedarfsgewerbeverordnung insoweit für nichtig, als sie eine Sonn- und Feiertagsbeschäftigung in Videotheken, öffentlichen Bibliotheken, Call-Centern und Lotto- und Totogesellschaften zulässt. Der Verordnungsgeber dürfe Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe nur zur Vermeidung „erheblicher“ Schäden und unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe zulassen. Zudem müsse die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich sein. Diese Voraussetzungen seien bei den vorgenannten Betrieben nicht erfüllt. Verbraucher seien darauf zu verweisen, sich DVDs, Computerspiele oder Bücher, die sie an Sonn- oder Feiertagen nutzen möchten, voraus-schauend an Werktagen auszuleihen. Dass kurzfristig an einem Sonn- oder Feiertag auftretende Wünsche nicht erfüllt werden können, begründe keinen erheblichen Schaden im Sinne des Gesetzes. Dasselbe gelte für die Abgabe von Lotto- oder Toto-Tipps, zu deren Abgabe an Werktagen hinreichend Gelegenheit bestehe.

Im Hinblick auf Call-Center sei eine differenzierende Betrachtung nötig. Generell sei der Betrieb jeglicher Call-Center jedenfalls an Sonn- und Feiertagen nicht erforderlich. Allenfalls für einzelne Branchen und einzelne Tätigkeitsbereiche eines Call-Centers könne etwas anderes gelten, sofern besondere Bedürfnisse zur Aufrechterhaltung des Dienstes auch an Sonn- und Feiertagen bestehen.  Für Buchmacher, die auf der jeweiligen Veranstaltung tätig werden, sei eine Ausnahme indes zulässig. Dem bestehenden Freizeitbedürfnis an Sonn- oder Feiertags stattfindenden Veranstaltungen könne anders nicht genüge getan werden.

Hinweis

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betrifft unmittelbar zunächst „nur“ das hessische Landesrecht. Da die entsprechenden Verordnungen anderer Bundesländer jedoch vielfach vergleichbare Regelungen vorsehen, werden die Auswirkungen des Urteils nicht auf Hessen beschränkt bleiben.

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