Betriebsstilllegung und Kündigung aller Arbeitsverhältnisse
Grundsätzlich ist im Falle einer Betriebsstilllegung und der zeitgleichen Kündigung aller Arbeitsverhältnisse keine Sozialauswahl durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Arbeitnehmer während des Laufs ihrer individuellen (längeren) Kündigungsfrist mit Restabwicklungsarbeiten beschäftigt werden (BAG, Urt. vom 7.7.2005 – 2 AZR 447/04).
Restabwicklungsarbeiten als befristete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Das ist anders zu beurteilen, wenn eine Beschäftigung über die Kündigungsfrist hinaus, sei es auch nur befristet für die Zeit von notwendigen Restabwicklungsarbeiten, beabsichtigt ist. Dann ist eine Sozialauswahl durchzuführen. Dies entspricht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zur Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG, der den sozial schutzbedürftigsten Arbeitnehmern den Arbeitsplatz – sei es auch nur befristet – am längsten erhalten will. Bei Restabwicklungsarbeiten, die über individuelle Kündigungsfristen hinaus an-dauern, handelt es sich um eine, wenn auch nur befristete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
Vor diesem Hintergrund hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit seinem Urteil vom 9.1.2024 (3 Sa 529/23, Pressemitteilung) nochmals deutlich gemacht, dass der Arbeitgeber keine freie Auswahl hat, wen er bei einer etappenweisen Betriebsstilllegung mit Restabwicklungsarbeiten länger, d.h. über die individuelle Kündigungsfrist hinaus, beschäftigt. Der Arbeitgeber habe in solchen Fällen im Wege einer Sozialauswahl die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer für die befristete Weiterbeschäftigung zu bestimmen.
Die Vergleichsgruppen sind nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf dabei unter Berücksichtigung der im Restabwicklungsteam anfallenden und nicht an den ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten der Arbeitnehmer zu bilden. Im Ergebnis hat der Arbeitgeber zu prüfen, welche Arbeitnehmer aufgrund ihrer Qualifikationen für die anfallenden Restabwicklungsarbeiten geeignet sind.
Hinweise für die Praxis
Sind im Rahmen einer Betriebsstilllegung Restabwicklungsarbeiten erforderlich, muss vor dem Ausspruch von Kündigungen geprüft werden, ob diese Arbeiten von Arbeitnehmern während des Laufs ihrer Kündigungsfristen erledigt werden können. Ist dies nicht der Fall und müssen Arbeitnehmer zur Erledigung der Restabwicklungsarbeiten über ihre Kündigungsfrist hinaus (weiter-)beschäftigt werden, ist eine Sozialauswahl unter den in Betracht kommenden Arbeitnehmern vorzunehmen. Zur Bildung der Vergleichsgruppen wird der Arbeitgeber zu prüfen haben, welche Aufgaben für welchen Zeitraum noch zu erledigen und welche Fähigkeiten und Qualifikationen dafür erforderlich sind. Selbstverständlich bleibt es dem Arbeitgeber aber überlassen, die Restabwicklungstätigkeiten ohne eine Weiterbeschäftigung eigener Arbeitnehmer von (externen) Dritten ausführen zu lassen.