Bisherige Rechtslage
Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sieht vor, dass Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden muss. Der Urlaub verfällt spätestens, wenn er nicht innerhalb des gesetzlichen Übertragungszeitraums, also der ersten drei Monate des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres, genommen wird (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Der Urlaub verfiel bislang also automatisch, wenn im Urlaubsjahr bzw. im gesetzlichen Übertragungszeitraum kein Urlaubsantrag gestellt wurde. Haben Arbeitnehmer hingegen einen Urlaubsantrag im Urlaubsjahr bzw. im gesetzlichen Übertragungszeitraum gestellt, der Arbeitgeber den Urlaub jedoch nicht gewährt, obwohl dies möglich gewesen wäre, ergibt sich nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Schadensersatzanspruch in Form eines Ersatzurlaubsanspruchs nach Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des gesetzlichen Übertragungszeitraumes. Kann Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, entsteht ausnahmsweise ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Soweit so gut.
Aktuelle EuGH-Rechtsprechung
Mit seinen Urteilen im November letzten Jahres (Aktenzeichen: C-619/16 und C-684/16) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die deutschen Regelungen zum Verfall von Urlaub nicht außer Kraft gesetzt, jedoch eine zusätzliche Voraussetzung für den Verfall von Urlaub aufgestellt. Laut EuGH soll das Ausbleiben eines Urlaubsantrages allein nicht den Verfall von Resturlaubsansprüchen nach sich ziehen. Vielmehr fordert der EuGH, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer in die Lage versetzt, tatsächlich Urlaub nehmen zu können, d.h. diese auffordert, den Urlaub im Urlaubsjahr zu nehmen und klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub andernfalls am Ende des Urlaubsjahres bzw. des gesetzlichen Übertragungszeitraums verfällt. Die Beweislast für eine entsprechende Aufklärung trägt der Arbeitgeber. Der EuGH begründet sein Urteil mit dem Arbeitsverhältnis innewohnenden Kräfteungleichgewicht. Arbeitnehmer könnten ohne eine entsprechende Aufforderung seitens des Arbeitgebers davor zurückschrecken, ihre Urlaubsansprüche (vollständig) geltend zu machen, da sie nachteilige Auswirkungen auf ihr Arbeitsverhältnis befürchten. Versetzt allerdings der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im vorgenannten Sinne in die Lage, tatsächlich Urlaub nehmen zu können, und verzichtet dieser dann freiwillig auf seinen Urlaub, soll auch nach Rechtsprechung des EuGH der Urlaub verfallen.
Praxisrelevanz
Das Bundesarbeitsgericht hat nun mit seinem Urteil vom 19. Februar 2019 (Az: 9 AZR 541/15) die Entscheidung des EuGH umgesetzt. Arbeitgeber sollten also künftig rechtzeitig schriftlich (Beweislast!) auf bestehende Resturlaubsansprüche hinweisen und unter Verweis auf deren anderweitigen Verfall zu deren Inanspruchnahme auffordern. Andernfalls laufen Arbeitgeber Gefahr, ggf. beträchtlichen Urlaubsabgeltungsansprüchen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesetzt zu sein.
Darüber hinaus sollte die neue Rechtsprechung zu Resturlaubsansprüchen zum Anlass für eine Überprüfung der arbeitsvertraglichen Urlaubsregelungen genommen werden. Es empfiehlt sich stets eine Differenzierung zwischen gesetzlichen und zusätzlich vertraglich vereinbarten Urlaubsansprüchen. Denn es ist allgemein anerkannt, dass hinsichtlich zusätzlicher vertraglicher Urlaubsansprüche von den gesetzlichen Urlaubsbestimmungen abweichende Regelungen getroffen werden können. Daher kann für zusätzliche vertragliche Urlaubsansprüche ohne Weiteres auch ein automatischer Verlust des Urlaubsanspruches wegen Ausbleibens eines Urlaubsantrages im Urlaubsjahr vereinbart werden. Differenziert die vertragliche Urlaubsregelung jedoch nicht zwischen gesetzlichem und zusätzlichem vertraglichem Urlaub, ist von einem Gleichlauf der gesetzlichen und zusätzlichen vertraglichen Urlaubsansprüche auszugehen. Neben den gesetzlichen Urlaubsbestimmungen müsste demnach auch die neue Rechtsprechung zu Resturlaubsansprüchen entsprechend Anwendung finden.