Der Schutz des Geschäftsgeheimnisses wurde in Deutschland bislang durch die §§ 17 19 UWG gewährleistet. Anders als in anderen Rechtsordnungen oder in Art. 39 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums („TRIPS“) hat der deutsche Gesetzgeber bislang jedoch darauf verzichtet, in diesen Vorschriften festzulegen, was genau ein schützenswertes „Geschäftsgeheimnis“ sein soll. Die Ausformung des Geheimnisschutzes wurde der Rechtspraxis und damit maßgeblich den Gerichten überlassen. Dies wird sich jedoch infolge der europäischen Gesetzgebung mit erheblichen Auswirkungen für die Rechtspraxis ändern:
I. BISHER: VERMUTETER GEHEIMHALTUNGSWILLE BEI WETTBEWERBSRELEVANTEN INFORMATIONEN
Wesentliches Merkmal des (bisherigen) Schutzes des Geschäftsgeheimnisses war nach der einschlägigen Rechtsprechung der sog. Geheimhaltungswille des Betriebsinhabers. Der Geheimhaltungswille machte aus einer lediglich unbekannten Tatsache ein „echtes Geheimnis“, das von der Rechtsordnung als schützenswert anerkannt wird, soweit er irgendwie erkennbar hervor tritt. Entscheidend für die prozessuale Durchsetzung des Geheimnisschutzes war, dass sich dieser Geheimhaltungswille auch „aus der Natur der Information“ ergeben konnte. Bei allen Betriebsinterna, die die Wettbewerbsposition des Unternehmens beeinflussen können, durfte daher vermutet werden, dass sie einem Geheimhaltungswillen unterliegen; der Geheimhaltungswille musste in diesen Fällen nicht mehr positiv nachgewiesen werden. Im Gegenteil: Es war dann Sache des Prozessgegners, dessen Nichtbestehen zu beweisen. Die Vermutung des Geheimhaltungswillens führte also im Prozess zu einer Beweislastumkehr. Derjenige, der in Abrede stellte, dass es sich bei der betreffenden Tatsache um ein Geschäftsgeheimnis handelte, musste dies beweisen.
Dieser Logik folgt gegenwärtig noch der weit überwiegende Anteil der in der Praxis verwendeten Vertraulichkeitsvereinbarungen, die der vertraglichen Definition des Geschäftsgeheimnisses einen „Ausnahmekatalog“ gegenüberstellen (offenkundige Tatsachen, rechtliche Offenbarungsverpflichtungen), wobei der Geschäftspartner des Geheimnisträgers das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes zu beweisen hat.
II. NEUREGELUNG: GEHEIMNISSCHUTZ VERLANGT KONKRETE GEHEIMHALTUNGSMASSNAHME
Mit der Richtlinie 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung („Geschäftsgeheimnisschutzrichtlinie“), welche durch das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen („GeschGehG“), das derzeit in der Entwurfsfassung vorliegt („GeschGehG-E“), umgesetzt werden soll, erfährt der Schutz des Geschäftsgeheimnisses in Deutschland jedoch eine tiefgreifende Veränderung. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird in das GeschGehG überführt, die §§ 17 – 19 UWG werden aufgehoben (Art. 5 GeschGehG-E). Für den Begriff des Geschäftsgeheimnisses wird zudem erstmals eine gesetzliche Definition eingeführt, die zwar zu einer internationalen Angleichung führt, jedoch auch eine Abkehr von der bisher in Deutschland herrschenden Praxis bedeutet:
1. GESETZLICHE DEFINITION DES „GESCHÄFTSGEHEIMNISSES“ FÜHRT ZU RECHTSÄNDERUNG
In Anlehnung an Art. 39 Abs. 2 TRIPS sind Geschäftsgeheimnisse nach Art. 2 Abs. 1 Geschäftsgeheimnisschutzrichtlinie und § 2 Abs. 1 GeschGehG-E solche Informationen, die
- weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich;
- deshalb von wirtschaftlichem Wert, und
- die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch den Berechtigten sind.
Während die Rechtsprechung in Deutschland also bislang mangels gesetzgeberischer Vorgaben und im Interesse eines möglichst umfangreichen Geschäftsgeheimnisschutzes auf die Vermutung eines Geheimhaltungswillens zurückgreifen konnte, stellt gerade der letztgenannte Punkt künftig erhöhte Anforderungen an Betriebsinhaber beim Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse. Die Neuregelung erhebt nämlich die Etablierung „angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen“ zum Tatbestandsmerkmal. Die praktisch wichtigste Auswirkung dieser Neuregelung ist, dass es von nun an Sache des Unternehmers/Betriebsinhabers ist, sämtliche Tatbestandsmerkmale des „Geschäftsgeheimnisses“ nachzuweisen. Kann also der Nachweis nicht geführt werden, dass hinsichtlich streitiger Informationen angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen etabliert wurden, stellt die betreffende Information kein Geschäftsgeheimnis dar und fällt daher auch nicht in den Schutzbereich des GeschGehG.
2. OHNE EINFÜHRUNG VON GEHEIMHALTUNGSMASSNAHMEN WIRD „KNOW-HOW“ NICHT GESCHÜTZ
Unternehmer und Betriebsinhaber müssen daher für einen strukturierten Schutz ihres „Know-Hows“ und eine entsprechende Dokumentation dessen sorgen. Sollte dieser Bereich bislang vernachlässigt worden sein, kann hierzu etwa eine umfassende initiale „Bestandsaufnahme“ der zu schützenden Geschäftsgeheimnisse gehören, auf deren Basis dann Entscheidungen über angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen werden. Ist ein Unternehmen in dieser Hinsicht bereits gut aufgestellt, gilt es, die bestehenden Maßnahmen vor dem Hintergrund der Neuregelung des Geschäftsgeheimnisschutzrechtes kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.
Dies betrifft etwa die Verwendung bewährter Vorlagen für Vertraulichkeitsvereinbarungen/NDAs zum Beispiel mit Projektpartnern. Vertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen gehören, neben beispielsweise physischen oder technischen Zutritts- und Zugriffsbeschränkungen, zu dem Instrumentarium angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3 GeschGehG). Ihre Bedeutung dürfte daher künftig erheblich steigen.
Da die bisher regelmäßig praktizierte Überwälzung der Beweislast für das Nichtvorliegen eines Geschäftsgeheimnisses auf den Vertragspartner jedoch eher nicht mehr den neuen gesetzgeberischen Anforderungen an den Nachweis des Vorliegens eines Geschäftsgeheimnisses entspricht, sollten die bestehenden Muster entsprechend überarbeitet werden. Sind Vertraulichkeitsvereinbarung nämlich unwirksam, etwa weil sie als pauschale „catch-all“-Regelung nicht hinreichend bestimmt auf den konkreten Einzelfall eingehen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB), gegen wesentliche Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung verstoßen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder sogar einen konkreten Unwirksamkeitstatbestand erfüllen (wie das Verbot der Beweislastumkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 309 Nr. 12 BGB), können sie auch keine angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen darstellen. Dies wiederum würde den Schutz des betroffenen „Know-Hows“ insgesamt gefährden.
Gerne unterstützen wir Sie, sowohl bei der Einführung angemessener Geheimnisschutzmaßnahmen als auch bei der Überprüfung Ihrer bestehenden Maßnahmen.