Genussrechtskapital ist ein sog. mezzanines Finanzierungsinstrument, d.h. es weist Charakteristika von sowohl Eigen- als auch Fremdkapital auf. Es ist in Deutschland gesetzlich nicht definiert, indes in zahlreichen Normen adressiert (vgl. z.B. § 221 Abs. 3 AktG, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 10 Abs. 5 KWG). Neben der Bedeutung als Finanzierungsinstrument im Bereich Venture Capital, kann es z.B. in Krisensituationen als Sanierungsinstrument ein nützliches Hilfsmittel sein.
In einem neuen Schreiben vom 11. April 2023 adressiert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) erstmals wesentliche steuerliche Aspekte von Genussrechtskapital und behandelt ebenfalls Debt-Mezzanine-Swaps. Das neue Schreiben enthält zwar einige Vorgaben für die steuerbilanzielle Einordnung von Genussrechten und teilweise erfreuliche Klarstellungen. Angesichts der vom BMF verwendeten allgemeinen Rechtsbegriffe dürften jedoch in der Praxis weiterhin steuerliche Unsicherheiten bestehen.
Eigenschaften von Genussrechtskapital
Genussrechtskapital als eine Form von Mezzanine-Kapital kann für Zwecke der Handelsbilanz als Eigenkapital und steuerrechtlich als Fremdkapital qualifizieren. Es wird typischerweise im Wege eines schuldrechtlichen Vertrages begründet. Der Genussrechtskapitalgeber stellt dem Unternehmen für eine bestimmte Laufzeit Kapital zur Verfügung. Im Gegenzug erhält er eine Vergütung, die sich regelmäßig aus einer Grundverzinsung und einer erfolgsabhängigen Gewinnbeteiligung zusammensetzt. Die dem Genussrechtsinhaber vermittelten Gläubigerrechte ähneln denen eines Gesellschafters. Im Gegensatz zum Gesellschafter stehen ihm indes keine Einflussnahmerechte wie beispielsweise Stimm- oder Mitspracherechte zu. Genussrechtskapital ist damit grundsätzlich geeignet, die Vorteile von Eigen- und Fremdkapital zu kombinieren, und lässt große vertragliche Gestaltungsspielräume zu.
Handelsbilanzielle Qualifikation von Genussrechten
Grundsätzlich wird das Genussrecht als Fremdkapital eingestuft und dementsprechend als Verbindlichkeit in der Handelsbilanz ausgewiesen.
In der Handelsbilanz ist Genussrechtskapital ausnahmsweise als Eigenkapital auszuweisen, sofern kumulativ die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. IDW/HFA 1/94): (1) Die Nachrangigkeit der Kapitalüberlassung gegenüber anderen Gläubigern im Liquidations- oder Insolvenzfall, (2) die Erfolgsabhängigkeit der Vergütung, (3) die Verlustteilnahme bis zur vollen Höhe des überlassenen Kapitals und (4) die Langfristigkeit der Kapitalüberlassung. Denn in einer solchen Ausgestaltung weist das Genussrechtskapital aus einer wirtschaftlichen Perspektive eine ausreichende Haftungsqualität auf, um den Gläubigerschutz zu wahren. Dabei ist es laut IDW/HFA 1/94 unerheblich, ob das Kapital der Kapitalgesellschaft durch einen Anteilseigner oder einen fremden Dritten zugeführt wird.
Steuerbilanzielle Qualifikation von genussrechten
Das BMF nimmt in dem Schreiben zum steuerbilanziellen Ausweis Stellung und löst sich von der strikten Maßgeblichkeit der handelsbilanziellen Qualifikation des Genussrechts. Stattdessen nimmt es eine autonome steuerliche Qualifikation vor. Hiernach gilt Genussrechtskapital aufgrund seines schuldrechtlichen Charakters und des damit einhergehenden Rückzahlungsanspruchs grundsätzlich als Fremdkapital (Regelfall). In bestimmten Fällen erfolgt jedoch der Ausweis in der Steuerbilanz als Eigenkapital (Ausnahmefall).
Entscheidendes Abgrenzungskriterium für das Vorliegen von (steuerlichem) Fremdkapital soll dem BMF zufolge eine bestehende Rückzahlungsverpflichtung sein, wobei in jedem Einzelfall zu prüfen sei, ob die Beteiligten ernstlich von einer Kapitalüberlassung auf Zeit ausgehen (dann steuerliches Fremdkapital) oder das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaft übergehen soll (dann steuerliches Eigenkapital).
Auch bei einer Kapitalgewährung in der Krise ist nach dem BMF grundsätzlich davon auszugehen, dass Genussrechtskapital als Fremdkapital zu qualifizieren ist. Die Vermögenslosigkeit des Schuldners allein soll nicht zu einer Gewährung von Eigenkapital führen.
In bestimmten Ausnahmefällen soll laut BMF bei der Zuführung von Genussrechtskapital in der Krise gleichwohl steuerliches Eigenkapital vorliegen. Als Beispiel wird vom BMF der Fall genannt, dass die Rückzahlungsmodalitäten des Genussrechtskapitals im Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliegen wie die Rückzahlung von Eigenkapital. Für eine Qualifizierung als steuerliches Eigenkapital im Sinne einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung sollen ferner folgende, kumulativ vorliegende Indizien sprechen:
- Kapitalüberlassung im zeitlichen Zusammenhang mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens,
- geringe laufende Gewinne gegenüber hohen Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft sowie
- Verzicht des Kapitalgebers auf Sicherheiten.
Erstaunlicherweise geht das BMF davon aus, dass eine schuldrechtliche Kapitalüberlassung durch einen fremden Dritten stets Fremdkapital begründet. Worauf sich diese Aussage stützt und wie sie begründet wird, lässt sich dem BMF-Schreiben leider nicht entnehmen.
Steuerbilanzieller Passivierungsaufschub
Soweit nach dieser Prüfung steuerrechtlich Fremdkapital vorliegt, kann dennoch in der Steuerbilanz (noch) keine Verbindlichkeit angesetzt werden (Passivierungsaufschub), wenn die Genussrechtsverbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen oder Liquidationsüberschüssen erfüllt werden muss (§ 5 Abs. 2a EStG). Sie belasten zwar bereits das Vermögen, dürfen aber nach dem Grundsatz der Unternehmensfortführung noch nicht berücksichtigt werden (Passivierungsaufschub). Wenn es zu diesem Zeitpunkt also noch an einer Rückzahlungsverpflichtung fehlt und demnach Eigenkapital vorliegt, können weder die (ursprüngliche) Darlehensverbindlichkeit noch eine Genussrechtsverbindlichkeit passiviert werden. Demnach würde im Zeitpunkt des Zuflusses des Kapitals (bzw. des Wegfalls einer unter Umständen bereits passivierten Darlehensverbindlichkeit) steuerbilanziell zu einem steuerpflichtigen Ertrag führen. Fallen die Gewinne dann später an, entsteht in Höhe des ursprünglichen Betrages ein entsprechender Aufwand bei der Gesellschaft (Buchungssatz (vereinfacht): Aufwand an Darlehensverbindlichkeit).
Steuerrechtliche Einkommensermittlung bei Genussrechten
Wie Zahlungen auf das Genussrechtskapital bei der Einkommensermittlung steuerlich zu behandeln sind, ist unabhängig von der bilanziellen Qualifikation des Genussrechts zu beurteilen. Wenn das Genussrecht eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Gesellschaft vermittelt, dürften Ausschüttungen auf das Genussrecht das Einkommen der Gesellschaft nicht mindern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Nach Ansicht des BMF ist das Merkmal „Beteiligung am Gewinn“ weit auszulegen und umfasst eine Teilnahme am wirtschaftlichen Erfolg der ausgebenden Gesellschaft. Als mögliche Bemessungsgrundlage für die Vergütung kann hierfür der Jahresüberschuss, der Bilanzgewinn, der ausschüttungsfähige Gewinn, das EBIT oder EBITDA sowie etwaige Dividendenausschüttungen herangezogen werden. Keine Beteiligung am Gewinn soll vorliegen, wenn die Vergütung vom Ergebnis einer Unternehmenssparte, von einzelnen Wirtschaftsgütern oder anderen Konzerngesellschaften erfolgt. Nach Auffassung des BMF liegt eine Beteiligung am Liquidationserlös grundsätzlich nicht vor, wenn das Genussrechtskapital nur nominal im Falle einer Liquidation zurückzuzahlen ist. Demnach ist es für die Annahme der Beteiligung am Liquidationserlös notwendig, dass über die Rückzahlung des Nominalbetrages hinaus eine Beteiligung an den stillen Reserven der Gesellschaft vereinbart wird. Die Dauer der Kapitalüberlassung allein begründet keine Beteiligung am Liquidationserlös.
Debt-Mezzanie-Swap
Nach Ansicht des BMF liegt ein Debt-Mezzanine-Swap vor, wenn eine bestehende Darlehensverbindlichkeit in ein als Fremdkapital zu qualifizierendes Genussrecht umgewandelt wird. In diesen Fällen erfolgt ein erfolgsneutraler Passivtausch zwischen zwei Fremdkapitalinstrumenten. In diesen Konstellationen stellt sich demnach die Frage der Werthaltigkeit von Einlagen nicht, da explizit keine Einlage in das Eigenkapital vorliegt. Bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung kann diese hybride Finanzierungsform insbesondere bei Unternehmen in der Krise herangezogen werden, um in der Handelsbilanz unter Verweis auf IDW HFA 1/94 das Eigenkapital zu stärken – ohne hierbei mögliche steuerliche Nachteile, die sich aus etwaigen Bewertungsfragen von Einlagen ergeben, auszulösen.
Angesichts der Unschärfe der vom BMF genannten Kriterien für die steuerbilanzielle Einordnung von Genussrechten dürfe allerdings in insolvenznahen Situationen ein Debt-to-Mezzanine-Swap aus steuerlicher Sicht letztlich oftmals nicht sicher – ohne das Einholen einer verbindlichen Auskunft – umgesetzt werden können.
Internationale Aspekte
Bei Kapitalgesellschaften mit grenzüber-schreitenden Gesellschafterstrukturen gilt es insbesondere die steuerrechtlichen Missbrauchsvermeidungsvorschriften zu sog. hybriden Finanzierungsinstrumenten (hybrid-mismatch) zu beachten (vgl. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 4k EStG). Diese können auf Ebene der Kapitalgesellschaft, welche wirtschaftlich die Verzinsung des Genussrechtskapitals trägt, zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs führen und damit die intendierten Vorteile revidieren.
Anwendbarkeit des BMF-Schreibens
Das BMF-Schreiben ist in allen offen Fällen anzuwenden. Dies kann zur Folge haben, dass allein durch die Anwendung des BMF-Schreibens eine Umqualifikation eines in der Vergangenheit gewährten Genussrechts mit Wirkung für die Vergangenheit zu erfolgen hat. Die daraus resultierenden steuerlichen Folgen wären im Einzelnen zu prüfen.
Fazit
Das BMF-Schreiben vom 11. April 2023 enthält eine Reihe hilfreicher Klarstellungen zur steuerbilanziellen Einordnung von Genussrechten. Angesichts der Verwendung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe dürfte die Praxistauglichkeit des BMF-Schreibens jedoch begrenzt sein. Nicht nachvollziehbar ist die Aussage in dem BMF-Schreiben, dass die schuldrechtliche Kapitalüberlassung eines fremden Dritten stets steuerliches Fremdkapital begründet.
Leider bleiben auch durch das BMF-Schreiben weiterhin (strittige) Fragen im Hinblick auf Genussrechtskapital unbeantwortet, wie etwa die Anwendbarkeit von der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1, Abs. 4 KStG, die Anwendbarkeit des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs auf Genussrechte und die Frage, inwieweit sich Zahlungen auf Genussrechte auf das steuerliche Einlagekonto nach § 27 KStG auswirken. Dem Vernehmen nach ist ein weiteres BMF-Schreiben in Arbeit, das offene Fragen von Genussrechten aus Investorensicht klären soll.