Die Zahl der insolventen Projekte steigt - Wie Immobilienunternehmen durch den Monsun gelangen

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.07.2024, Nr. 166, S. 21

19.07.2024

In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung beleuchtet unser Partner Prof. Dr. Gerrit Hölzle die aktuelle Immobilienkrise und zeigt auf, wie Projektentwickler und Immobilienunternehmen mithilfe des StaRUG eine drohende Insolvenz abwenden können.

Ein perfekter Sturm erschüttert die Immobilienwirtschaft. Zahlreiche Projektentwickler haben Insolvenz angemeldet. Das liegt am starken Anstieg der Inflation im vergangenen Jahr, was die Finanzierungskosten und Baukosten in die Höhe trieb. Dazu sinkt der Bedarf an Büro- und Gewerbeflächen aufgrund der zunehmenden Homeoffice-Möglichkeiten. Lange Genehmigungsverfahren und übermäßige Bürokratie verschärfen die Lage, sodass ursprüngliche Projektkalkulationen nicht mehr aufgehen. Insgesamt sanken die Preise für Gewerbeimmobilien zwischen dem zweiten Quartal 2022 und dem ersten Quartal 2024 um mehr als 17 Prozent. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sprach schon auf dem G-20-Finanzministertreffen im Februar davon, dass die Krise der Gewerbeimmobilien "sehr aufmerksam im Blick behalten werden" müsse.

Daher halten sich institutionelle Finanzierer stärker zurück, was wie ein Brandbeschleuniger wirkt. Der Markt wird in kurzer Zeit mit Projekten überschwemmt, für die es umso schwieriger wird, Übernehmer zu finden. Es stellt sich daher die Frage, ob sich eine drohende Insolvenz nicht durch ein Einfrieren des Projektes abwenden lässt, bis sich die Marktbedingungen verbessern und eine Wiederbelebung Erfolg versprechend erscheint. Das Motto: "Survive till 25" - oder länger.

Dass das geht, hat ein norddeutscher Projektentwickler im Schulterschluss mit dem dahinterstehenden institutionellen Finanzierer jüngst für gleich fünf große Projekte zur Entwicklung ehemaliger Industrieareale in Köln und Hamburg bewiesen. Der Schlüssel ist das 2021 in Kraft getretene Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG), das die Vermeidung von Insolvenzen gerade auch für solche Unternehmen zum Ziel hat, deren Geschäftsmodell temporär beeinträchtigt oder entfallen ist. Die Projekte waren jeweils in einer eigenen Projektgesellschaft organisiert und zentral über eine Projektholding finanziert. Die Finanzierung war jeweils auf dem zu entwickelnden Grundstück grundpfandrechtlich gesichert. Unter den gegebenen Marktbedingungen ließen sich die Projekte nicht wirtschaftlich realisieren. Es drohte die Fälligkeit der Finanzierungen, operative Kosten konnten nicht mehr bedient und Rückstände gegenüber Dienstleistern absehbar nicht mehr ausgeglichen werden. In Abstimmung mit dem Finanzierer ist für jede der fünf Projektgesellschaften vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Bremen ein Restrukturierungsverfahren nach StaRUG eingeleitet worden.

Kern eines solchen Verfahrens ist die Vorlage eines Restrukturierungsplans, dessen Inhalt rechtlich wenigen Beschränkungen unterliegt und im Grundsatz jede zivil- und gesellschaftsrechtlich zulässige Vereinbarung enthalten kann. Das Besondere ist, dass hierüber in Gruppen der am Verfahren beteiligten Gläubiger mit jeweils gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessenlage abgestimmt wird und - stark vereinfacht - die Zustimmung der Mehrheit der Beteiligtengruppen genügt, wobei eine Gruppe zugestimmt hat, sobald mindestens 75 Prozent des in ihr vertretenen Forderungsvolumens zugestimmt haben.

Es lassen sich also bei einer sachlich begründeten Differenzierung opponierende Gläubiger innerhalb einer Gruppe minorisieren oder in einer eigenen Beteiligtengruppe isolieren und so Mehrheitsentscheidungen herbeiführen, die dann für sämtliche, auch für die überstimmten Gläubiger bindend sind. Akkordstörer lassen sich so überstimmen und Sanierungen im Interesse der Gläubigergesamtheit effektiv umsetzen.

In den konkreten Fällen stand die Projektentwicklung noch am Anfang. Die Veräußerung der Grundstücke würde im gegenwärtigen Marktumfeld nicht im Ansatz einen Erlös generieren, der zur Rückführung der Finanzierung und offenen Verbindlichkeiten ausgereicht hätte. Die Restrukturierungspläne sahen daher vor, die Projekte in einen Dornröschenschlaf zu versetzen: Sämtliche Verbindlichkeiten, gesichert oder nicht, werden für einen mehrjährigen Zeitraum gestundet.

Der Finanzierer trägt die während des Stundungszeitraums anfallenden Strukturkosten wie für die Objektsicherung oder öffentliche Abgaben, die durch die bestehenden Grundpfandrechte zusätzlich im ersten Rang ("super senior") abgesichert werden. Gleichzeitig stellt der Finanzierer im Rang hinter den Strukturkosten einen definierten Teilbetrag aus dem künftigen Verwertungserlös zur Verfügung, um eine Teilzahlung auch an die ungesicherten Gläubiger zu ermöglichen, sodass diese verzinst werden kann. Ein Teilbetrag, der bei sofortiger Verwertung für die ungesicherten Gläubiger nicht realisierbar gewesen wäre.

Bei der Ausgestaltung des Restrukturierungsplans im Einzelnen sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Je nach den Umständen des Einzelfalls stellt die deutsche Rechtsordnung daher Sanierungsinstrumente zur Verfügung, die auch unter schwierigen Rahmenbedingungen das Abwettern eines Sturmes möglich machen.

 

Hier finden Sie den Online-Artikel: Die Zahl der insolventen Projekte steigt (faz.net)

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