BAG: Von einer vertraglich geregelten Pflicht zur Rückzahlung von Fortbildungskosten muss auch jede vom Arbeitgeber (mit)verantwortete Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgenommen werden.
Das Bundesarbeitsgericht setzt seine strenge Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Klauseln zur Rückzahlung von arbeitgeberfinanzierten Fortbildungen fort. Sein jüngstes Urteil (BAG, Urteil vom 25. April 2023 – 9 AZR 187/22) fügt sich dabei konsequent in die bisherige Serie der hierzu ergangenen Rechtsprechung ein. Eine aus Arbeitgebersicht angebrachte Lockerung ist (leider) nicht in Aussicht.
1. Problemaufriss
Rückzahlungsabreden für Aus- und Fortbildungskosten waren in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand bundesarbeitsgerichtlicher Entscheidungen.
Grundsätzlich ist die Vereinbarung solcher Klauseln zulässig. Denn der Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer eine Aus- oder Fortbildung finanziert, hat ein berechtigtes Interesse dahingehend, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für seine wirtschaftlichen Zwecke nutzen zu können. Rückzahlungsklauseln sehen daher regelmäßig auch Regelungen vor, nach denen der Arbeitnehmer nach Abschluss der Fortbildung für eine gewisse Zeit an das Arbeitsverhältnis "gebunden" ist. Dabei gilt: Je länger die Dauer der Fortbildung, desto länger darf die Bindungsdauer bemessen sein (vgl. hierzu das Legal Update vom 22. August 2022.
Als Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen von einem sich (entgegen einer vereinbarten Bindungsdauer) vorzeitig abkehrenden oder die Ausbildung nicht beendenden Arbeitnehmer soll der Arbeitgeber selbstverständlich die Kosten der Ausbildung ganz oder teilweise zurückverlangen können.
Die Rechtsprechung lässt aber nicht jede (vorzeitige) Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausreichen. Eine Rückzahlungsklausel darf die Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers insbesondere nicht pauschal, d.h. ohne Rücksicht auf den Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, anordnen. Der Arbeitnehmer soll es nämlich in der Hand haben, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung "zu entgehen". Diese Möglichkeit soll ihm der Arbeitgeber durch den Ausspruch einer Kündigung, die er selbst verantwortet, nicht "aus der Hand schlagen" (können). Rückzahlungsklauseln müssen danach strikt zwischen dem genauen Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterscheiden, wobei diejenigen Gründe auszunehmen sind, die nicht mehr im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers liegen. Dies wird bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen regelmäßig der Fall sein.
Noch vor kurzem entschied das Bundesarbeitsgericht, dass eine Klausel zur Rückzahlung von Fortbildungskosten auch dann unwirksam ist, wenn sie vorzeitige Eigenkündigungen des Arbeitnehmers wegen einer unverschuldeten, dauerhaften Leistungsunfähigkeit erfasst und nicht ausdrücklich von der Rückzahlungsverpflichtung ausnimmt (BAG, Urteil vom 1. März 2022 – 9 AZR 260/21). Dies dürfte erst Recht auf Kündigungen des Arbeitgebers zu übertragen sein, die aufgrund eines vom Arbeitnehmer nicht verschuldeten personenbedingten Grundes erfolgen.
Nunmehr stellt das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. April 2023 – 9 AZR 187/22) klar, dass Rückzahlungsklauseln auch jede andere vom Arbeitgeber zumindest mitveranlasste Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausdrücklich von der Rückzahlungsverpflichtung ausnehmen müssen. Dies gilt auch, wenn die Rückzahlungspflicht durch ein "wiederholtes Nichtablegen" der (Abschluss-)Prüfung ausgelöst wird. Ansonsten muss der Arbeitgeber befürchten, spätestens nach gerichtlicher Auseinandersetzung auf den Kosten der Fortbildung "sitzenzubleiben".
2. Sachverhalt und Entscheidung
Eine als Buchhalterin beschäftigte Arbeitnehmerin (Beklagte) ließ sich die Kosten für die Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung von ihrer Arbeitgeberin (Klägerin), einer Steuerberater- und Wirtschaftskanzlei, finanzieren. Der Beklagten wurde dabei ein Förderbudget in Höhe bis zu EUR 10.000,00 zur weiteren und freien Verwendung zur Verfügung gestellt. Der zu diesem Zweck zwischen den Parteien geschlossene Fortbildungsvertrag sah vor, dass die Beklagte den gesamten Förderbetrag zurückzuzahlen hat, wenn sie nach Erhalt der Förderung das Examen wiederholt nicht ablegt. Eine Härtefallregelung sah für den Fall, dass die Beklagte das Examen aus einem nicht von ihr zu vertretenden objektiven Grund nicht ablegen kann, die Pflicht vor, das Examen nach Beendigung des Verhinderungsgrundes wiederaufzunehmen und abzuschließen.
Die Beklagte trat weder zur Steuerberaterprüfung für das Jahr 2018 noch zu den Prüfungen der Jahre 2019 und 2020 an und kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2020.
Die klagende Arbeitgeberin macht die Rückzahlung des der Beklagten ausgezahlten Förderbetrags geltend. Sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht war die Arbeitgeberin erfolgreich.
Das Bundesarbeitsgericht hingegen gab der Arbeitnehmerin Recht:
Die zwischen den Parteien vorgesehen Rückzahlungsklausel, bei der es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, halte einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht stand und sei daher unwirksam. Denn die im Fortbildungsvertrag enthaltene Regelung knüpfe an das wiederholte Nichtablegen des Examens an, ohne in erforderlichem Maß danach zu differenzieren, aus welchen Gründen eine Teilnahme an der Prüfung nicht erfolgt ist.
Das Bundesarbeitsgericht stellt zunächst fest, dass vertragliche Abreden, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er die Fortbildung nicht beendet, grundsätzlich zulässig sind und den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen benachteiligen.
Es sei aber nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Eine solche Klausel sei geeignet, einen "Bleibedruck" für den Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit dessen Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG einzuschränken. Daher müssten jedenfalls praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.
Eine derartige Ausnahme sei im zu entscheidenden Fall nicht vereinbart worden.
Auch die vereinbarte Härtefallregelung erfasse die von der Rückzahlung auszunehmenden Fallkonstellationen nicht und greife zu kurz: Sie erfasse nur einen Teil der praktisch relevanten Fälle, lasse aber eine durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers (mit)veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unberücksichtigt. Darin liege eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers. Dabei stelle die vom Arbeitgeber (mit)verantwortete Kündigung keinen so seltenen Tatbestand im Arbeitsleben dar, dass sie nicht gesondert erwähnt werden müsste.
3. Bewertung
Spätestens jetzt sollte in der Rechtspraxis angekommen sein, dass die Gestaltung von Rückzahlungsklauseln für Arbeitgeber kein "leichter Brocken" ist.
Bereits mit Urteil vom 13. Dezember 2011 (3 AZR 791/09) nahm das Bundesarbeitsgericht an, dass vom Arbeitgeber (mit)verantwortete Eigenkündigungen des Arbeitnehmers von Rückzahlungsverpflichtungen ausdrücklich auszuschließen sind. Diese Rechtsprechung überträgt das Bundesarbeitsgericht nunmehr auf andere Rückzahlungstatbestände als die vorzeitige Kündigung – hier: das wiederholte Nichtablegen der Abschlussprüfung.
Am (rechtsdogmatischen) Ansatz des Bundesarbeitsgerichts ist nichts auszusetzen. Das Gebot, jeden erdenklichen Fall buchstäblich ausnehmen zu müssen, in dem die vorzeitige Kündigung oder – wie hier – Nichtablegung der mit der Fortbildung angestrebten Prüfung vom Arbeitgeber auch nur "mit veranlasst" wurde, erscheint zwar zunächst formalistisch - insbesondere dann, wenn die Kündigung (wie so oft) tatsächlich aus der Sphäre des Arbeitnehmers herrührt. Dem Arbeitgeber kann es also aus rein formalen Gründen verwehrt sein, die Rückzahlung der Kosten der von ihm finanzierten Fort- oder Weiterbildung zu verlangen, was als "ungerecht" empfunden werden kann.
Diese formale Betrachtungsweise ist aber dem deutschen AGB-Recht immanent: Denn gesetzlich ist bereits das (bloße) "Stellen" unangemessener Klauseln verboten. Der unangemessene Tatbestand muss sich also nicht realisieren, sondern nur realisieren können (der Arbeitnehmer also tatsächlich aus einem vom Arbeitgeber zu verantwortenden Grund das Arbeitsverhältnis kündigen).
Hinzukommt, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Klauselverwenders (Arbeitgebers) gehen – die Klausel wird also im Zweifel so "ungünstig" für den Vertragspartner (Arbeitnehmer) wie möglich ausgelegt (Grundsatz der "kundenfeindlichsten" Auslegung). Daher scheitern die meisten gerichtlich geltend gemachten Rückzahlungsbegehren von Arbeitgebern in der Praxis bereits daran, dass die vereinbarten Rückzahlungsklauseln entsprechende Ausnahmetatbestände nicht ausdrücklich vorsehen. Die Rechtsprechung liest in solche Klauseln im Grundsatz keine entsprechenden Ausnahmetatbestände "rein". Beispielgebend hierfür ist die vorstehende Entscheidung, bei der sogar eine relativ großzügige Härtefallklausel zugunsten des Arbeitnehmers vereinbart worden war.
Auf einem anderen Papier steht, wann im Einzelfall – wenn eine wirksame Klausel einmal vorliegt – begrifflich von einem "(Mit-)Veranlassen" des Arbeitgebers auszugehen ist: Es dürfte schon fraglich sein, wo qualitativ oder quantitativ die Schwelle zu einem "Mitveranlassen" (!) der Kündigung durch den Arbeitgeber erreicht ist und welche (objektiven oder sogar subjektiven) Anknüpfungspunkte hierfür heranzuziehen sind. Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung insoweit zum Zwecke der Rechtsklarheit mehr Konturierung erfährt.
4. Praxisrelevanz
Arbeitgeberfinanzierte Fortbildungen haben sich in der Praxis als ein beliebtes und oft genutztes Mittel zur Mitarbeiterincentivierung erwiesen. Das Angebot und die Durchführung entsprechender Fort- und Weiterbildungen erfüllt sowohl die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers als auch professionelle Interessen des Arbeitnehmers. Die hierzu ergangene, mittlerweile reichhaltige Judikatur zeigt dies eindrücklich.
Für Arbeitgeber wird es aber immer schwieriger, sich im Dickicht der Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln (mit ihren zugleich sehr hohen Anforderungen) alleine zurecht zu finden. Wie die jüngsten Entscheidungen zeigen, hält die Rechtsprechung an ihrem strengen Kurs fest und baut diesen sogar weiter aus. Das Risiko, dass vereinbarte Rückzahlungsklauseln einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, war noch nie so hoch. Entsprechende Vereinbarungen sollten Arbeitgeber daher rechtlich eingehend prüfen und zumindest für künftige potentielle Störfälle "gerichtsfest" machen lassen.