Was passiert mit den Gasverteilnetzen im Zusammenhang mit der Umstellung auf nicht-fossile Energieträger?
Städte und Gemeinden erteilen im Rahmen von wettbewerblichen Auswahlverfahren nach Maßgabe der §§ 46 ff. EnWG Konzessionen zum Betrieb von Gasverteilnetzen. Basierend auf EU-Vorgaben soll die konventionelle Gasversorgung in Deutschland bis zum Jahr 2045 enden und der Übergang zu nicht-fossilen Energieträgern vollzogen sein. Ob und wie bis und nach diesem Zeitpunkt die Gasverteilnetze zu nutzen sind, ist aktuell noch unklar. Die Transformation der Gasversorgung stellt daher Städte und Gemeinden als Konzessionsgeber, aber auch Gasnetzbetreiber als Konzessionsnehmer vor erhebliche Herausforderungen. Deren Netze sind zumeist technisch und ökonomisch für eine Betriebsdauer über 2045 ausgelegt.
Besondere Bedeutung erlangen hierbei die konzessionsvertraglichen und gesetzlichen Rückbau-verpflichtungen der Konzessionsnehmer. Solange ein schnelles Ende der Gasversorgung mit Erdgas nicht absehbar war, wurden entsprechende Vertragsklauseln von den Konzessionsnehmern meist ohne größere Verhandlungen akzeptiert. Investitionen in die Transformation und/oder ein – gegebenenfalls vollständiger – Rückbau eines Bestandsnetzes sind mit hohen Kosten verbunden. Dieser Befund geht mit erheblichen Unsicherheiten einher.
Die Thematik ist in besonderem Maße aktuell. Der Bundesgerichtshof hat sich mit den Aspekten der Eigentumsverhältnisse an kommunalen Energienetzen und entsprechenden Rückbauverpflichtungen der Netzbetreiber in einem jüngst ergangenen, vielbeachteten Urteil intensiv beschäftigt (BGH (Kartellsenat), Urteil vom 05.12.2023 – KZR 101/ 20 „Fernwärmenetz Stuttgart“). Darüber hinaus hat die Bundesnetzagentur ein Eckpunktepapier zu den Abschreibungsmodalitäten für die Gasnetztransformation erstellt (Stand: März 2024), in dem alternative Modelle vorgestellt werden, wie bis spätestens Ende 2044 oder deutlich früher Gasnetze weitgehend refinanziert sein können. Die entsprechende Festlegung KANU 2.0 ist schließlich im September 2024 ergangen und ermöglicht eine Flexibilisierung der Abschreibungsmodalitäten beispielsweise durch eine verkürzte Nutzungsdauer der Anlagen sowie der Zulassung einer weiteren Abschreibungsmethode. Ferner ist beabsichtigt, für Verteilnetzbetreiber eine Verpflichtung für einen konkreten Rückbau-Plan in den regulatorischen Rechtsrahmen aufzunehmen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima hat zudem ein Ideenpapier zur Zukunft der Gasverteilnetze erarbeitet und Mitte März 2024 vorgelegt, in dem es um Kündigungsrechte für Verteilnetzbetreiber, Rückbaupflichten und Weiterbetriebszwang geht. Ebenso wird aktuell darüber diskutiert, ob und inwieweit Staatshilfen für Netz-Stilllegungen ein geeignetes Mittel dafür sein können, um Preisexplosionen im Gasbereich zu vermeiden. Auch auf europäischer Ebene ergeben sich Neuerungen. Die im Juni 2024 erlassene EU-Gas-Richtlinie (RL (EU) 2024/1788 v. 13.06.2024) sieht beispielsweise eine Stilllegungsplanung für Erdgasverteilnetze vor.
Abgesehen von den aktuellen rechtlichen Vorgängen zeichnen sich ebenfalls Entwicklungen in einigen Städten ab. So hat der Mannheimer Energieversorger jüngst einen Rückzug aus dem Gasnetz bis zum Jahr 2035 angekündigt und zu erwarten ist, dass weitere Städte ähnliche Pläne verfolgen.
Welche Handlungsherausforderungen und Anforderungen an ein Risikomanagement ergeben sich?
Im Hinblick auf laufende Konzessionen ist beispielsweise fraglich, ob entsprechende konzessionsvertragliche Klauseln überhaupt wirksam vereinbart wurden und – wenn ja – wie diese konkret auszulegen sind. Bei Verhandlungen über neue Konzessionen wiederum werden sich die Beteiligten intensiver als bisher damit auseinandersetzen müssen, wie eine faire Verteilung des aus einem eventuell notwendig werdenden Rückbau resultierenden wirtschaftlichen Risikos gefunden werden kann. Sollten sich die Städte und Gemeinden insoweit nicht auf die Gasnetzbetreiber zubewegen, dürfte es für sie schwierig werden, überhaupt noch Konzessionsnehmer zu finden. Bereits die aktuelle Marktlage zeigt, dass der Wettbewerb um die Konzessionen der Gasverteilnetze rückläufig ist. In diesem Zusammenhang stellen sich komplexe Rechtsfragen zudem dann, wenn kein Unternehmen – auch nicht der Bestandsbetreiber – bereit ist, einen Netzbetrieb für die anstehende Konzessionsperiode sicherzustellen.
Neben diesen unmittelbar die Konzessionsverträge betreffenden Fragestellungen besteht für die Konzessionsnehmer eine wesentliche Herausforderung aber auch darin, einen konkreten Rückbau-Fahrplan zu erstellen und – jedenfalls derzeit – damit umzugehen, dass die potentiellen Rückbaukosten einen Umfang haben können, der im schlimmsten Fall die Existenz des gesamten Unternehmens des Konzessionsnehmers infrage stellen kann. Dies gilt aufgrund eventueller Haftungsbrücken selbst dann, wenn das Gasnetzgeschäft – wie meist – in eine separate Gesellschaft ausgelagert ist. Erschwerend kommt für die Konzessionsnehmer insoweit hinzu, dass aufgrund der Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen eine solche gegebenenfalls existenzielle Gefährdung nicht erst in der Zukunft, sondern bereits heute zutage tritt und gegebenenfalls Handlungspflichten für die Geschäftsleitung auslöst.
Darüber hinaus sind die Herausforderungen im Bereich der Gasverteilnetze eingebunden in den gesamtheitlichen Transformationsprozess der Energiewende zum Klimaschutz. In diesem Zusammenhang spielen Themen wie die kommunale Wärmeplanung sowie Herausforderungen der Energieeffizienz und des Einsatzes erneuerbarer Energien in Gebäuden und der Dekarbonisierungsprozesse im Industriesektor eine zunehmende Rolle.
Wie können wir Sie unterstützen?
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