Digital ohne Hürden: Was das BFSG für Unternehmen bedeutet

Berlin, 20.01.2025

Das Barrierefreiheitstärkungsgesetz (BFSG) tritt am 28. Juni 2025 in Kraft und setzt neue Standards für digitale Barrierefreiheit. Mit diesem Gesetz wird die europäische Barrierefreiheitsrichtlinie (EU) 2019/882 in deutsches Recht umgesetzt. Ziel ist es, allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Wirtschaftsleben zu ermöglichen – unabhängig von eventuellen Einschränkungen. Doch was bedeutet das für Unternehmen?

Hersteller, Händler und Dienstleistungserbringer stehen vor umfassenden Anforderungen, die von Konformitätsbewertungsverfahren über CE-Kennzeichnungen bis hin zur barrierefreien Gestaltung von Online-Shops reichen. Auch Sanktionen bei Verstößen sind nicht zu unterschätzen – Bußgelder bis zu 100.000 EUR und Marktverbot sind möglich.

Dieser Beitrag soll als Wegweiser durch die neuen Anforderungen führen. 

Wen verpflichtet das BFSG?

Gemäß § 1 BFSG dienen die Anforderungen des BFSG dem Schutz von Verbrauchern. Vom BFSG betroffen sind daher alle Hersteller, Händler und Importeure der in § 1 Abs. 2 BFSG genannten Verbraucherprodukte und die Dienstleistungserbringer der in § 1 Abs. 3 BFSG genannten Dienstleistungen.

Nicht davon betroffen sind Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen, mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro. Kleinstunternehmen, die vom BFSG betroffene Produkte herstellen oder in den Verkehr bringen, sind dagegen zur Barrierefreiheit verpflichtet. 

Das BFSG gilt grundsätzlich nur im B2C-Bereich, da es die digitale Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen regelt, die von Verbrauchern genutzt werden. 

„Verbraucher“ nach dem BFSG sind natürliche Personen, die ein Rechtsgeschäft zu überwiegend privaten Zwecken abschließen.

Die Grenzen zwischen B2B und B2C sind jedoch fließend. Im Zweifel wird eine B2C-Tätigkeit angenommen, denn schon die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch Verbraucher reicht aus, um in den Anwendungsbereich des BFSG zu fallen. Die Verpflichtungen aus dem BFSG gelten also z.B. bereits dann, wenn ein Online-Shop sich – auch – an Verbraucher richtet. Um dies auszuschließen, muss bereits aus der Gestaltung der Webseite klar hervorgehen, dass sie sich ausschließlich an Unternehmer richtet und keine Verträge mit Verbrauchern geschlossen werden. Der jeweilige Shop-Betreiber muss dies sicherstellen.

Welche Produkte und Dienstleistungen sind betroffen?

Das BFSG listet die Produkte und Dienstleistungen, deren Barrierefreiheit Unternehmen gewährleisten müssen, in § 1 Abs. 2 und Abs. 3 auf. 

So müssen folgende Produkte barrierefrei sein:

  • Hardwaresysteme einschließlich der für sie bestimmte Betriebssysteme, z.B. Computer, Laptops, Tablets und Smartphones,
  • Selbstbedienungsterminals, z.B. Geldautomaten, Fahrausweisautomaten, Check-in-Automaten und interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen,
  • Verbraucherendgeräte für Telekommunikationsdienste, z.B. Mobiltelefone, Set-Top-Boxen,
  • Verbraucherendgeräte für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten, z.B. Smart-TVs, Tablets, sowie moderne Spielekonsolen mit Zugang zu Streaming-Diensten und
  • E-Book-Lesegeräte.

Die Verpflichtung der Barrierefreiheit trifft zudem folgende Dienstleistungen:

  • Telekommunikationsdienste, z.B. Messenger,
  • Elemente von Personenbeförderungs-diensten, z.B. deren Webseiten, Apps; eTickets, elektronische Ticketdienste,
  • Bankdienstleistungen;
  • E-Books und hierfür bestimmte Software und
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, also e-Commerce (einschließlich Online-Shops) und Online-Buchungs-Tools.

Von der Verpflichtung ausgenommen sind hingegen bestimmte Inhalte von Webseiten und Apps, wie z.B. Online-Karten und Kartendienste, sofern bei Karten für Navigationszwecke wesentliche Informationen barrierefrei zugänglich in digitaler Form bereitgestellt werden, sowie Inhalte von Webseiten oder Apps, die als Archive gelten, da ihre Inhalte nach Inkrafttreten des BFSG weder aktualisiert noch überarbeitet werden.

Wozu verpflichtet das BFSG?

Die betroffenen Produkte und Dienstleistungen müssen auch für Menschen mit Behinderungen oder funktionellen Einschränkungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein. 

Hersteller und Dienstleistungserbringer müssen dafür sorgen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen ein Konformitätsbewertungs-verfahren durchlaufen haben und eine Konformitätserklärung nachweisen.

Außerdem sind Produkthersteller dazu verpflichtet, besondere Kennzeichnungspflichten wie z. B. das Anbringen einer Produkt-, Typen- oder Seriennummer sowie die Angabe von Name, Anschrift und CE-Kennzeichnung zu erfüllen. Und sie müssen eine verständliche Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen beifügen.

Händler haben dafür zu sorgen, dass ihre Produkte mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind. Sie dürfen Produkte nur dann vertreiben, wenn die Kennzeichnungspflichten des Herstellers bzw. des Importeurs erfüllt wurden.

Dienstleistungserbringer haben eine Informationspflicht. In ihren AGB müssen sie darüber informieren, wie die angebotene Dienstleistung die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt. Außerdem müssen sie in barrierefreier Weise eine Beschreibung der Dienstleistung und eine Beschreibung der Funktionsweise der Dienstleistung in barrierefreiem Format bereitstellen.

Konkrete Pflichten für Online-Shops:

  • Betreiber eines Online-Shops sind dazu verpflichtet, in ihren AGB oder an anderer gut sichtbarer Stelle auf ihrer Webseite darüber zu informieren, wie sie die Anforderungen an die Barrierefreiheit konkret erfüllen (Informationspflicht).
  • Alle Webseiten, die eine Vertragsabschlussmöglichkeit enthalten und damit eine Dienstleistung im elektronischen Geschäfts-verkehr darstellen, müssen barrierefrei sein, auch wenn die angebotene Dienstleistung selbst nicht unter das BFSG fällt. 
  • Hybride Webseiten (Webseiten, die sowohl Informationen enthalten als auch auf einen Vertragsabschluss abzielen) müssen in den Elementen, die zum Abschluss eines Vertrags führen, barrierefrei sein. Je enger die Information mit dem Verkaufsprozess verbunden ist, desto eher gelten die Anforderungen des BFSG.
  • Reine Informationsseiten, die in keinem Zusammenhang mit dem Verkaufsprozess/ Vertragsabschluss stehen, fallen nicht in den Anwendungsbereich des BFSG.
  • Der Bezahlvorgang muss barrierefrei gestaltet sein.

Wie wird die Einhaltung des BFSG kontrolliert? 

Die Einhaltung der Pflichten aus dem BFSG überprüfen die jeweiligen Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer in erster Linie stichprobenartig oder bei Annahme der Nichteinhaltung. Eine solche Vermutung kann z.B. durch eine Beschwerde ausgelöst werden. So können betroffene Verbraucher, aber auch Wettbewerber und Interessen-verbände sich an die Marktüberwachungsbehörden wenden, um einen Verstoß gegen das BFSG zu melden.

Darüber hinaus kann ein Verbraucher bei der zuständigen Marktüberwachungsbehörde einen Antrag auf Informationen über die Einhaltung der BFSG-Pflichten durch ein Unternehmen stellen. Auch ein solches Auskunftsersuchen kann bei der Behörde eine Vermutung der Nichteinhaltung auslösen.

Welche Folgen hat ein Verstoß gegen das BFSG?

Stellt eine Marktüberwachungsbehörde fest, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung unter Verstoß gegen das BFSG angeboten wird, fordert sie den Anbieter dazu auf, unverzüglich die Konformität zum BFSG herzustellen. Kommt der Anbieter dieser Aufforderung nicht nach, ergreift die Marktüberwachungsbehörde geeignete Maßnahmen, um den jeweiligen Verstoß gegen das BFSG zu beheben. Hierfür kann sie anordnen, dass das Angebot des Produkts bzw. der Dienstleistung eingestellt wird oder sie untersagt direkt die Bereitstellung auf dem Markt. Darüber hinaus kann sie Unternehmen dazu verpflichten, Produkte zurückzunehmen oder zurückzurufen. 

Je nach Verstoß können Bußgelder bis zu 100.000 EUR drohen.

Auch Verbraucher, registrierte Verbände und Wettbewerber haben die Möglichkeit, gegen Verstöße gegen das BFSG vorzugehen. Sie können Unterlassung, Beseitigung oder Schadensersatz verlangen, da diese Verstöße auch Marktverhaltensregeln verletzen.

Ein Verstoß kann also erhebliche Auswirkungen auf den regulären Betrieb eines Unternehmens haben und sehr teuer werden.

Wir empfehlen Unternehmen daher, sich frühzeitig mit den BFSG und dessen Anforderungen vertraut zu machen, um eine reibungslose Umsetzung zu gewährleisten.

Für konkrete Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Autorinnen: Julia Selbmann, LL.M., Lena van Bracht
 

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