BMF-Diskussionsentwurf zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung durch das Mindeststeuergesetz

Köln, 20.04.2023

Einleitung

Das Bundesministerium der Finanzen hat am 20. März 2023 den Diskussionsentwurf für das Gesetz zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (im Folgenden: MinStG) veröffentlicht. Das Gesetz soll der Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union, auf die sich die EU-Mitgliedstaaten am 15. Dezember 2022 geeinigt haben, dienen.

Die Nachversteuerungsregelungen sollen eine globale effektive Mindestbesteuerung sicherstellen und schädlichem Steuerwettbewerb sowie aggressiven Steuergestaltungen entgegenwirken und damit zur Förderung der Steuergerechtigkeit und Wettbewerbsgleichheit beitragen. Zu diesem Zweck sollen Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung verpflichtet werden, niedrig besteuerte Gewinne mittels einer Ergänzungssteuer nachzuversteuern, wenn der effektive Steuersatz in einem Staat unter dem internationalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent liegt. Die Mindeststeuer soll erstmals für Geschäftsjahre erhoben werden, die nach dem 30. Dezember 2023 beginnen. Die Mindeststeuer ist unabhängig von der Rechtsform und steht neben der Einkommen- oder Körperschaftssteuer.  

Hintergrund der Mindestbesteuerung

m Herbst 2021 haben sich die Mitglieder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf eine globale Reform der Unternehmenssteuer geeinigt und die sog. Zwei-Säulen-Lösung (Pillar One / Pillar Two) für mehr Steuergerechtigkeit entwickelt.

Die Säule 1 (Pillar One) umfasst Neuregelungen zur Umverteilung von Besteuerungsrechten zwischen Ansässigkeitsstaat und sog. Marktstaaten vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung. Es soll dem Umstand Rechnung getragen werden, das Unternehmen aufgrund digitaler Geschäftsmodelle in anderen Staaten als ihrem Ansässigkeitsstaat tätig werden, ohne dort über eine physische Präsenz, insbesondere in Form einer Betriebsstätte, zu verfügen. Diese Staaten partizipieren mangels bestehendem Besteuerungsrecht regelmäßig nicht an den Gewinnen, die auf ihrem Hoheitsgebiet erzielt werden. Die Ausarbeitung eines multinationalen Vertrages zur Umsetzung von Säule 1 durch die OECD wird für die kommenden Monate erwartet.

Die Säule 2 (Pillar Two) erfasst die Ausarbeitung globaler Mindestbesteuerungsregelungen, um schädlichem Steuerwettbewerb und aggressiven Steuergestaltungen entgegenzuwirken. Diese Säule 2 befindet sich nun mit dem vorliegenden Diskussionsentwurf in der Umsetzungsphase. Das Bundesministerium der Finanzen gibt die Möglichkeit der Stellungnahme bis zum 23. April 2023.

Wesentlicher Regelungsgehalt des MinStG

Im Folgenden wird in Anbetracht der komplexen Regelungen des Diskussionsentwurfs (das Gesetz soll 11 Teile, unterteilt in mehrere Abschnitte und insgesamt 89 Paragraphen, umfassen) auf ausgewählte Einzelaspekte hingewiesen, die betroffene Unternehmensgruppen unseres Erachtens frühzeitig in den Blick nehmen sollten.

Steuerpflicht, Steuerschuldner, Mindeststeuergruppe

Steuerpflichtig sollen alle im Inland belegenden Geschäftseinheiten sein, die zu einer Unternehmensgruppe gehören, welche in den konsolidierten Konzernabschlüssen in mindestens zwei von vier dem Geschäftsjahr unmittelbar vorangehenden Geschäftsjahren die Umsatzgrenze von 750 Millionen Euro erreicht.

Der Umfang der Unternehmensgruppe wird im Diskussionsentwurf ausführlich geregelt und definiert. Als Einheit soll grundsätzlich jeder Rechtsträger in Betracht kommen, ausgenommen natürliche Personen, sowie jede Einrichtung, die ein separates Rechnungslegungswerk erstellt oder zu erstellen hat. Betriebsstätten sind ebenfalls als eigenständige und unabhängige Geschäftseinheiten der Unternehmensgruppe zu behandeln. Insbesondere für Betriebsstätten und für aus deutscher Sicht transparent zu behandelnde Personengesellschaften sieht der Entwurf an diversen Stellen explizite Regelungen vor, die den Besonderheiten Rechnung tragen.

Im Fall mehrerer steuerpflichtiger Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe im Inland bilden diese eine sog. Mindeststeuergruppe, denen der Gruppenträger als Steuerschuldner vorsteht. Gruppenträger soll dabei grundsätzlich die oberste Muttergesellschaft sein, wenn sie im Inland belegen ist. Sollte diese oberste Muttergesellschaft nicht im Inland belegen sein, ist die im Inland belegen Muttergesellschaft der steuerpflichtige Gruppenträger. Ist auch eine solche nicht vorhanden, ist der Gruppenträger durch die oberste Muttergesellschaft zu bestimmen. Insbesondere für diesen Fall ist besondere Aufmerksamkeit gefragt, da – sollte eine solche Bestimmung nicht erfolgen – der Gruppenträger die im Inland belegen „wirtschaftlich bedeutendste“ Geschäftseinheit sein soll. Was hierunter zu verstehen ist, ergibt sich indes nur aus der Begründung. Danach sollen der Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit und die Umsatzhöhe die maßgeblichen Kriterien sein.

Der Gruppenträger ist sodann verpflichtet, sowohl dem Bundeszentralamt für Steuern als auch dem für ihn zuständigen Finanzamt nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz seine Gruppenträgereigenschaft mitzuteilen. Ferner sind die übrigen Geschäftseinheiten der Gruppe zu informieren.

Alle Geschäftseinheiten, deren Ergänzung Steuerbeträge dem Gruppenträger zugerechnet werden, haften für die Mindeststeuer des Gruppenträgers gesamtschuldnerisch.

Ausnahmebestimmungen

Ausgeschlossene Einheiten, also nicht steuerpflichtige Einheiten, sind nach dem Diskussionsentwurf staatliche Einheiten, internationale Organisationen, Non-Profit-Organisation- sowie Pensionsfonds. Ferner sind Investmentvehikel und Immobilien-Investmentvehikel, die oberste Muttergesellschaften sind, ausgeschlossen. Die genannten Einheiten können somit nicht Schuldner der Mindeststeuer sein.

Wird für das betreffende Geschäftsjahr in dem betroffenen Steuerhoheitsgebiet eine anerkannte nationale Ergänzungssteuer erhoben, sieht der Entwurf zudem eine sog. Safe-Harbour-Regelung vor.

Neben einer zeitlichen Übergangsregelung für die ersten fünf Jahre bei untergeordneter internationaler Tätigkeit (Geschäftseinheiten in höchstens sechs Steuerhoheitsgebieten und der Gesamtwert der materiellen Vermögenswerte aller Geschäftseinheiten, die in allen Steuerhoheitsgebieten außer dem Referenzsteuerhoheitsgebiet belegen sind, übersteigt nicht 50 Millionen Euro), sieht der Entwurf eine weitere, zeitlich befristete, CbCR-Safe-Harbour-Regelung von fünf Jahren vor. Danach soll auf Antrag der erklärungspflichtigen Geschäftseinheit für diesen Übergangszeitraum (bis zum 30. Juni 2028) der Steuererhöhungsbetrag für ein Steuerhoheitsgebiet für das Geschäftsjahr mit 0,- Euro angesetzt werden können, wenn die Unternehmensgruppe:

  • in diesem Steuerhoheitsgebiet weniger als 10 Millionen Euro Umsatzerlöse und weniger als 1 Million Euro Gewinn oder Verlust vor Steuern in ihrem qualifizierten länderbezogenen Bericht ausweist oder
  • einem vereinfacht berechneten effektiven Steuersatz für dieses Steuerhoheitsgebiet unterliegt, der mindestens dem Übergangssteuersatz entspricht (abhängig vom Geschäftsjahr ansteigend von 15% auf 17%) oder
  • nach dem sog. Substanztest ein Gewinn oder Verlust vor Steuern ausweist, der gleich oder geringer ist als der substanzbasierte Freibetrag.

Betroffene Unternehmensgruppen sollten sich frühzeitig einen Überblick über die Übergangsregelungen verschaffen, da insbesondere die CbCR-Safe-Harbour Regelung explizit nur auf Antrag der steuerpflichtigen Geschäftseinheit gewährt werden soll.

Primär-, Sekundär- und nationale Ergänzungssteuer

Die Mindeststeuer soll sich aus einem Primärergänzungsbetrag, einem Sekundärergänzungsbetrag sowie dem nationalen Ergänzungsbetrag zusammensetzen.

Zusammengefasst entsteht der Primärergänzungssteuerbetrag auf Ebene der obersten Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe sowie ggf. einer zwischengeschalteten Muttergesellschaft, wenn diese selbst zu niedrig besteuert wird oder an einer niedrig besteuerten Geschäftseinheit eine Eigenkapitalbeteiligung hält. Der Sekundärergänzungssteuerbetrag entsteht zwar grundsätzlich für jede steuerpflichtige Geschäftseinheit, ist indes nachrangig zur Primärergänzungssteuerregelung, wenn also die Mindestbesteuerung nicht bereits über den Primärergänzungssteuerbetrag sichergestellt wird. Der Diskussionsentwurf sieht darüber hinaus die Erhebung eines nationalen Ergänzungssteuerbetrages für den unwahrscheinlichen Fall einer Niedrigbesteuerung in Deutschland vor (Safe-Harbour-Regelung).

Die Berechnung des letztendlich zu zahlenden Steuererhöhungsbetrages erfolgt länderbezogen und mehrstufig auf Basis handelsrechtlicher Rechnungslegung und detaillierter Anpassungen.

Besteuerungsverfahren

Die Mindeststeuer soll für ein Geschäftsjahr mit Ablauf des Kalenderjahres entstehen, in dem das Geschäftsjahr endet. Grundsätzlich hat jede steuerpflichtige Geschäftseinheit für das Geschäftsjahr eine Steuererklärung beim zuständigen Finanzamt einzureichen und die Steuer selbst zu berechnen, sog. Steueranmeldung. Die Mindeststeuer ist sodann innerhalb von einem Monat nach Abgabe der Steueranmeldung fällig und bis dahin zu entrichten. Soweit eine Mindeststeuergruppe vorliegt, hat der Gruppenträger die Steuererklärung abzugeben und die Mindeststeuer bei Fälligkeit zu entrichten. Zuständig ist das Finanzamt, das für die Besteuerung nach dem Einkommen bzw. für die gesonderte und einheitliche Feststellung zuständig ist.

Pflicht zur Abgabe eines Mindeststeuer-Berichts

Neben der Steuererklärung hat zudem grundsätzlich jede steuerpflichtige Geschäftseinheit einen sog. Mindeststeuer-Bericht an das Bundeszentralamt für Steuern nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz zu übermitteln. Es soll indes ausreichen, wenn eine steuerpflichtige Geschäftseinheit im Auftrag der übrigen Geschäftseinheiten den Bericht übermittelt. Die Übermittlung hat spätestens 15 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres zu erfolgen, außer der Mindeststeuer-Bericht wird erstmals eingereicht; hier hat die Abgabe spätestens 18 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres zu erfolgen.

Inhaltlich sind in dem Mindeststeuer-Bericht umfangreiche Angaben zu machen, die bereits frühzeitig beschafft werden sollten. So sieht der Entwurf insbesondere vor, dass eine nach Steuerhoheitsgebieten gegliederte Auflistung aller Geschäftseinheiten, deren Steuernummern sowie deren Qualifikation im Sinne dieser Regelungen, eine Übersicht über die Konzernstruktur der Unternehmensgruppe, konkrete Angaben zur Berechnung der Ergänzungssteuerbeträge und eine Auflistung ausgeübter Wahlrechte anzugeben sind.

Wird ein Mindeststeuer-Bericht vorsätzlich oder leichtfertig nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer in dem Entwurf noch nicht bezifferten Geldbuße geahndet werden kann.

Praxishinweis

Die vorgesehenen Regelungen sind äußerst umfangreich und komplex. Das weitere gesetzgeberische Verfahren bleibt mit Spannung abzuwarten. Unternehmensgruppen sollten frühzeitig prüfen, ob sie die Umsatzgrenze von 750 Millionen Euro in mindestens zwei von vier Geschäftsjahren erreichen, und damit in den Anwendungsbereich fallen. Ferner sollten entsprechende Prozesse implementiert werden, damit die benötigten Informationen rechtzeitig zur Verfügung stehen. Schließlich macht es Sinn, für den fünfjährigen Übergangszeitraum die Ausnahmebestimmungen zu prüfen, da insbesondere die CbCR-Safe-Harbour-Regelung nur auf Antrag gewährt wird.

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