Geld fürs Nichtstun? Zur Darlegungs- und Beweislast für nicht erbrachte Arbeitsleistung im Homeoffice

Köln, 21.02.2024

Die Arbeit im Homeoffice ist in den letzten Jahren während der COVID-19-Pandemie für viele Beschäftigte zur neuen Normalität geworden. Auch nach dem Ende der Pandemie ist die Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice immer noch weit verbreitet. Die Tätigkeit im Homeoffice hat insbesondere für Arbeitnehmer viele Vorteile: keine Arbeitswege, mehr Flexibilität und bessere Work-Life-Balance. Die höhere Selbstbestimmtheit von Arbeitnehmern führt für Arbeitgeber jedoch zu einem gewissen Kontrollverlust. Gelegentlich wird den Beschäftigten vorgeworfen, dass sie am häuslichen Arbeitsplatz weniger effektiv arbeiten oder sogar gar keine Arbeitsleistung erbringen.

Mit der Frage, wer bei einem solchen Vorwurf die Beweislast für die Untätigkeit des Arbeitnehmers trägt, hat sich am 28. September 2023 das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5 Sa 15/23) beschäftigt.

Sachverhalt

Die Klägerin war seit Dezember 2021 bei der Beklagten, einer Tagespflegeeinrichtung, als Pflegemanagerin in Vollzeit tätig. Dabei war es ihr gestattet, im Homeoffice zu arbeiten. Ihre monatliche Arbeitszeit sollte sie dabei in einer Tabelle erfassen. Den Angaben in der Tabelle zufolge arbeitete sie zwischen Dezember 2021 und März 2022 etwa 300 Stunden im Homeoffice, bis sie ab Ende März arbeitsunfähig erkrankte. Die Vergütung für die Monate Dezember 2021 bis März 2022 wurde durch die Beklagte vorbehaltlos ausbezahlt. Das Arbeitsverhältnis wurde sodann ordentlich zum 31. Mai 2022 gekündigt.

Mit der Klage machte die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung für die Monate April und Mai 2022 sowie Abgeltung der ausstehenden Urlaubstage geltend. Die Beklagte begehrte widerklagend die Rückzahlung des gezahlten Arbeitsentgeltes für 300 Stunden im Homeoffice. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin im Homeoffice Arbeitszeiten i.H.v. 300 Stunden angegeben habe, ohne jedoch irgendeinen objektivierbaren Arbeitsnachweis hierfür vorgelegt zu haben.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht entschied, dass der Klägerin die geltend gemachten Zahlungsansprüche zustehen und sie nicht zur Rückzahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet ist.

Hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs des Arbeitgebers stellte das Landesarbeitsgericht fest, dass die Darlegungs- und Beweislast für nicht erbrachte Arbeitsleistung auch im Falle von Homeoffice beim Arbeitgeber liege. Die Beklagte habe weder eine Nichtleistung noch eine Minderleistung der Klägerin hinreichend nachgewiesen. Vielmehr sei durch geschriebene E-Mails und anhängende Dokumente unstreitig nachgewiesen, dass Arbeitsleistung in einem gewissen Umfang erbracht wurde. Unerheblich sei, ob die Klägerin die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt habe. Ein Arbeitnehmer genüge seiner Leistungspflicht bereits, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeite. Demnach wäre ein umfänglicherer Vortrag der Beklagten, in welchem Umfang die Klägerin im Homeoffice ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt habe, erforderlich gewesen. Da die Beklagte nicht dargelegt habe, dass die Klägerin zumindest an einzelnen Tagen oder Stunden gar nicht gearbeitet habe und welche Tage oder Stunden dies betreffe, sei sie ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern hat für die Tätigkeit im Homeoffice bestätigt, was für die Erbringung der Arbeitsleistung im Betrieb bereits ständige Rechtsprechung war: Der Arbeitgeber ist für die Nichterbringung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darlegungs- und beweisbelastet, wenn er Entgelt des Arbeitnehmers zurückfordern oder einbehalten möchte. 

Dieser Nachweis ist bei Arbeitnehmern, die im Homeoffice tätig sind, unzweifelhaft schwieriger zu erbringen, als bei Arbeitnehmern, die im Büro des Arbeitgebers ihre Arbeitsleistung erbringen. Deswegen sollten Arbeitgeber schnell und angemessen reagieren, wenn Zweifel an der Qualität und/oder Quantität der Arbeitsleitung von Arbeitnehmern, die im Homeoffice arbeiten, entstehen. Auf diese Weise können spätere Konflikte und Beweisprobleme bestenfalls im Voraus vermieden werden.

Eine einfache Reaktionsmöglichkeit für den Arbeitgeber besteht in diesem Fall darin, dem betroffenen Arbeitnehmer – sofern noch nicht geschehen – klare Anweisungen über Art und Umfang der zu erfüllenden Aufgaben sowie verbindliche und realistische Fristen für deren Erledigung zu geben. Erfüllt der Arbeitnehmer diese Vorgaben nicht, können arbeitsrechtliche Sanktionen in Betracht gezogen werden. Weigern sich Arbeitnehmer, Arbeitsleistungen zu erbringen, deren Erfüllung der Arbeitgeber berechtigterweise von ihnen verlangen kann, kann eine Abmahnung und bei wiederholter Arbeitsverweigerung sogar eine Kündigung ausgesprochen werden. 

Eine weitere Möglichkeit, auf Zweifel an der Arbeitsleistung zu reagieren, besteht darin, über die obligatorische Arbeitszeiterfassung hinaus per Direktionsrecht das Anfertigen von genaueren Tätigkeitsberichten anzuordnen. Bei einer solchen Weisung muss stets beachtet werden, dass deren Inhalt „billigem Ermessen“ gemäß § 106 GewO entspricht. Jedenfalls in Fällen, in denen der Verdacht der Nicht- bzw. Schlechterbringung von Arbeitsleistung begründet und ausreichend dokumentiert ist, dürfte eine solche Weisung vom berechtigten Interesse des Arbeitgebers gedeckt sein und damit billigem Ermessen entsprechen.

Vorsicht ist demgegenüber bei der Einführung von technischen Kontrollmaßnahmen – beispielsweise Keyloggern – geboten. Zum einen ist die Einführung eines solchen IT-Systems in Betrieben mit Betriebsrat stets mitbestimmungspflichtig gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und zum anderen ist für jeden Einzelfall die Einhaltung der strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen sicherzustellen, da andernfalls erhebliche Sanktionen drohen. Von dieser Art der Überwachung dürfte deswegen abzuraten sein.

Als Ultima-ratio kommt außerdem die Einschränkung oder Beendigung von Homeoffice in Betracht. Ob und wenn ja auf welchem Weg der Arbeitgeber das Homeoffice einseitig und ggf. gegen den Willen des Arbeitnehmers abschaffen kann mit der Folge, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung fortan wieder im Betrieb des Arbeitgebers zu erbringen hat, hängt maßgeblich davon ab, auf welcher Rechtsgrundlage das Homeoffice beruht. Wurde weder eine Betriebsvereinbarung noch eine arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarung zum Homeoffice getroffen, darf der Arbeitgeber die Rückkehr in den Betrieb nach billigen Ermessen anordnen. Bei berechtigten Zweifeln an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wird der Arbeitgeber regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran haben, eine solche Weisung auszusprechen. Wurde demgegenüber zur Ergänzung des Arbeitsvertrags eine Homeoffice-Vereinbarung getroffen, ist für die Rückholmöglichkeit des Arbeitnehmers ins Büro entscheidend, wie diese ausgestaltet ist. Arbeitgeber sollten sich daher bereits vor der Gewährung mobiler Arbeitsformen Gedanken über deren Beendigung machen und die Regelungen entsprechend ausgestalten. Ein Rückrufrecht an den Arbeitsplatz im Betrieb sollte grundsätzlich Bestandteil jeder Homeoffice-Vereinbarung sein, um auf alle künftigen Gegebenheiten – beispielsweise Low Performance im Homeoffice – reagieren zu können.

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